Federrupfen

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Ein schwerer Fall von Federrupfen und Selbstverstümmelung bei einem Wellensittich.
Ein schwerer Fall von Federrupfen und Selbstverstümmelung bei einem Wellensittich.

Viele Menschen wissen, dass größere Papageienvögel aufgrund unterschiedlicher Ursachen dazu neigen, sich unter bestimmten Umständen selbst die Federn auszurupfen. Früher glaubte man, das Thema Federrupfen würde nur Großpapageien und Kakadus betreffen. Das stimmt so jedoch nicht, denn auch kleine Papageienvögel wie Wellen- und Nymphensittiche können zu Federrupfern werden – und das gar nicht mal so selten. Meist beginnt das Federrupfen schleichend. Doch ist den Vögeln diese selbstzerstörerische Angewohnheit erst einmal in Fleisch und Blut übergegangen, lassen sie sich häufig nur schwer wieder davon abbringen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die eigentliche Ursache für dieses selbstzerstörerische Verhalten nicht aufgedeckt und behandelt wird. Deshalb ist es wichtig, eine „Rupferkarriere“ gleich zu Beginn zu erkennen und den Auslöser für die Selbstzerstörung zu suchen, um den Vogel beispielsweise durch Änderungen in den Haltungsbedingungen, der Nahrungszusammensetzung oder durch den Einsatz von Medikamenten vom Federrupfen abzubringen. Es ist nicht ratsam, das Federrupfen auf die leichte Schulter zu nehmen, denn es kann zu noch schlimmerer Selbstzerstörung führen, der sogenannten Automutilation. Hierbei beißen sich die betroffenen Vögel ihre Haut auf und können im schlimmsten Fall verbluten.

In diesem Kapitel finden Sie Informationen über einige mögliche Ursachen des Federrupfens, die bei Ziervögeln vergleichsweise häufig auftreten. Machen Sie sich mit diesem komplexen Thema vertraut, um für den Ernstfall mit Hintergrundwissen gerüstet zu sein.

Federrupfer erkennen

Dieser Wellensittich rupft seine Federn im oberen Bereich der Brust entlang eines schmalen Streifens, was nur bei genauem Hinschauen überhaupt auffällt.
Dieser Wellensittich rupft seine Federn im oberen Bereich der Brust entlang eines schmalen Streifens, was nur bei genauem Hinschauen überhaupt auffällt.

Ist der etwa Vogel etwa schon wieder in der Mauser? – Diese Frage stellen sich manche Vogelhalter, wenn sie ständig Federn in der Nähe ihrer Vögel finden. Wird das Gefieder eines der Tiere an bestimmten Stellen immer lückenhafter, wundern sich die Halter zusehends und oft kommt dann die Frage auf, ob das Tier vielleicht zum Federrupfer geworden sein könnte. Meist wird der Vogel dann sehr genau beobachtet, um ihn beim Federrupfen zu ertappen. Das gelingt gerade am Anfang einer „Rupferkarriere“ jedoch nur selten, weil viele der betroffenen Vögel hier und da einzelne Federn quasi nebenbei während der täglichen Gefiederpflege ausreißen. Wer wird schon misstrauisch, wenn bei der ausgiebigen Pflege des Gefieders plötzlich ein, zwei Federn rieseln? Das ist beispielsweise bei Wellensittichen durchaus normal, denn sie verlieren auch zwischen den Mauserzeiten gelegentlich die eine oder andere Feder. Bei Federrupfern häuft sich dieser vermeintlich normale Federausfall jedoch, bis sich mit der Zeit kahle Stellen entwickeln. Spätestens dann sollte man den Vogel als potenziellen Federrupfer betrachten, auch wenn man ihn bislang nicht beim Rupfen beobachten konnte.

Die „Vorlieben“ beim Federrupfen sind höchst unterschiedlich. Einige Vögel rupfen nur eng begrenzte Bereiche ihres Körpers und sind dadurch nicht immer auf den ersten Blick als Federrupfer zu erkennen. Häufig werden die Federn an den Flanken ausgerupft. Liegen die Flügel darüber, kann man nicht sehen, dass sich der Vogel seine Federn ausgerissen hat. Der rechts gezeigte Wellensittich hat einen schmalen Federstreifen unterhalb seiner Kehle ausgerupft. Dass er dort kahl war, sah man nur bei bestimmten Kopfhaltungen. Ein Indiz für die Rupfertätigkeit eines Vogels können in einem solchen Fall die weißen Bereiche im Deckgefieder sein, denn normalerweise ist die Körperfarbe bei einem Vogel, der kein Schecke ist, durchgängig und nicht von weißen Abschnitten durchbrochen.

Schreien bei der Gefiederpflege

Manche Vögel geben bei der Gefiederpflege spitze Schreie von sich, also die typischen Unmutslaute der jeweiligen Vogelart. Oder aber die Tiere geben gar Schmerzenslaute von sich. Das ist nicht verwunderlich, denn das Ausreißen der Federn ist sicherlich mit Schmerzen verbunden. Somit kann ein solches Schreien ein Indiz dafür sein, dass ein Vogel ein Federrupfer sein könnte.

Im folgenden Video ist ein Wellensittichweibchen, das eine Federrupferin ist, bei der Gefiederpflege zu sehen. Dann kommt der Moment, in dem sie zu schreien beginnt, was aufgrund der vielen anderen Vögel im Raum, die ebenfalls rufen, jedoch nur schwer zu hören ist. Kurz danach ist zu sehen, dass sie eine kleine Feder im Schnabel hin und her dreht, die sie sich kurz zuvor selbst ausgerissen hat. Zunächst ist die Sequenz in normalem Tempo zu sehen, anschließend noch einmal in Zeitlupe.

Warum werden Vögel zu Federrupfern?

Wegen einer juckenden Hautpartie am Hals hat sich dieser Katharinasittich die Federn in der näheren Umgebung ausgerissen.
Wegen einer juckenden Hautpartie am Hals hat sich dieser Katharinasittich die Federn in der näheren Umgebung ausgerissen.

Noch vor nicht allzu langer Zeit ist man davon ausgegangen, dass das Federrupfen immer psychische Ursachen hat. Tatsächlich spielen Stress und Angst in vielen Fällen eine große Rolle bei der Entstehung dieser selbstzerstörerischen Angewohnheit. Jedoch ist in sehr vielen Fällen eine organische Erkrankung der eigentliche Auslöser dieser Verhaltensauffälligkeit. Es ist deshalb ausgesprochen wichtig, einem sich selbst die Federn ausreißenden Vogel nicht einfach eine Halskrause anzulegen, um ihn am Rupfen zu hindern, und es dann dabei zu belassen. Stattdessen sollte ein vogelkundiger Tierarzt zurate gezogen werden, der nach der Ursache für das Federrupfen sucht. Hierfür müssen häufig umfangreiche Untersuchungen durchgeführt werden, zum Beispiel Blutuntersuchungen.

Organische Ursachen für das Federrupfen

Das Flügelekzem dieses Wellensittichs, siehe rote Markierung, verursachte so starke Juckreiz, dass sich der Vogel die umliegenden Federn ausgerissen hat.
Das Flügelekzem dieses Wellensittichs, siehe rote Markierung, verursachte so starke Juckreiz, dass sich der Vogel die umliegenden Federn ausgerissen hat.

Das Gefieder eines Vogels ist in der Haut verankert. Das lebende Gewebe, das für die Federbildung verantwortlich ist oder die Feder an ihrer Basis umgibt, kann aufgrund verschiedener Ursachen erkranken. Leidet ein Vogel etwa unter einem stark juckenden Ekzem oder einer anderweitigen Hautveränderung wie ein Abszess, so kann es geschehen, dass ein davon betroffenes Tier versucht, sich selbst Linderung zu verschaffen, indem das Gefieder im entsprechenden Körperbereich ausgerissen wird.

Das Foto in der Nähe dieses Absatzes zeigt ein trockenes, schuppiges Ekzem am Flügel und Rücken eines Wellensittichs. Weil dieses Ekzem starken Juckreiz verursacht hat, hat sich der Vogel die Federn im betroffenen Bereich seines Körpers ausgerissen und er war insgesamt sehr unruhig sowie nachts regelrecht ruhelos. All dies kann leicht mit einer Verhaltensstörung verwechselt werden, doch wer unter extrem starkem Juckreiz leidet, reagiert oft entsprechend gereizt.

Besonders oft führen Übergewicht und Lebererkrankungen bei Wellensittichen zum Rupfen der Federn; auch bei anderen Vogelarten können die beiden genannten Faktoren das selbstzerstörerische Verhalten auslösen. Doch warum ist das so? Werden Vögel mit zu fetthaltigem Futter ernährt oder erhalten sie generell zu viel Nahrung bei zu wenig Bewegung, werden sie mit der Zeit immer dicker. Im Inneren ihres Körpers verfetten sie ebenfalls, häufig ist dann sogar die Leber betroffen – es entsteht eine Fettleber. Mit der Zeit leidet das Organ unter der Verfettung und es kann seine wichtigen Funktionen im Körper nicht mehr in vollem Umfang erfüllen. Wird der Körper nicht ausreichend entgiftet, zieht dies in vielen Fällen gravierende Gesundheitsprobleme nach sich und nicht selten kommt es zu juckenden oder brennenden Hauterkrankungen, die wiederum das Federrupfen auslösen können. Ferner kann die Haut durch das Übergewicht spannen und sich unangenehm anfühlen. Auch dies ist eine mögliche Ursache für das Federrupfen.

Der untere Rücken dieses Katharinasittichs ist kahlgerupft. Dies kann sowohl in einem Kampf geschehen und somit von einem anderen Vogel verursacht werden, als auch dadurch, dass sich das Tier selbst die Federn ausreißt. Genaues Beobachten ist deshalb grundsätzlich wichtig.
Der untere Rücken dieses Katharinasittichs ist kahlgerupft. Dies kann sowohl in einem Kampf geschehen und somit von einem anderen Vogel verursacht werden, als auch dadurch, dass sich das Tier selbst die Federn ausreißt. Genaues Beobachten ist deshalb grundsätzlich wichtig.

Es ist somit sehr wichtig, dass ein fachkundiger Tierarzt bei einem Federrupfer grundsätzlich die Haut und auch das Blut untersucht, um etwas über die Leberwerte in Erfahrung zu bringen oder möglicherweise vorhandene Hautveränderungen zu entdecken. Meist muss eine erkrankte Leber mit Medikamenten therapiert werden, zudem ist eine Nahrungsumstellung wichtig, um dem betroffenen Vogel auf die Dauer zu helfen. Hauterkrankungen werden meist mit verschiedenen Tinkturen oder mit Medikamenten behandelt.

Ein weiterer organischer Auslöser des Federrupfens kann eine Schwermetallvergiftung sein. Diese kann von einem fachkundigen Tierarzt nachgewiesen werden, indem eine Blutprobe des betroffenen Vogels untersucht wird. Wird eine solche Vergiftung nachgewiesen, muss der Tierarzt abwägen, ob im individuellen Fall eine Entgiftungstherapie sinnvoll sein könnte.

Immer den gesamten Körper betrachten!

Wenn ein Vogel aufgrund einer organischen Ursache seine Federn ausreißt, kann es sein, dass der eigentliche Auslöser nicht in unmittelbarer Nähe derjenigen Körperpartie liegt, die vom Federrupfen betroffen ist. So kann es beispielsweise vorkommen, dass ein Vogel, dessen Darm entzündet ist, entweder sein Bauchgefieder rupft – was naheliegend wäre –, oder aber seinen unteren Rücken kahlrupft, weil der Schmerz dorthin ausstrahlt.

Ein weiteres Fallbeispiel zeigen die folgenden beiden Abbildungen. Der Wellensittich begann plötzlich damit, seine Federn rund um die Bürzeldrüse auszureißen und sich blutig zu beißen. Die Haut zeigte keinerlei Hinweise auf eine Erkrankung, es gab kein Ekzem und auch keine tumoröse Veränderung der Bürzeldrüse. Es wurden Abstriche untersucht, ein Befall der Haut mit Pilzen oder Bakterien konnte ausgeschlossen werden. Einige Wochen später zeigte sich dann auf der Unterseite des Körpers ein Abszess, das sich tief im Gewebe befunden hatte und langsam zur Oberfläche drängte. Nachdem es entfernt worden war, hörte der Vogel sofort damit auf, seinen unteren Rücken zu rupfen. Die vom Abszess in der Nähe der Kloake ausgehenden Schmerzen haben offenkundig in den unteren Rücken gestrahlt, weshalb der Vogel dort seine Federn ausgerissen hat.

Blick auf den unteren Rücken eines Wellensittichs, der seine Federn gerupft hat (dorsale Ansicht).
Blick auf den unteren Rücken eines Wellensittichs, der seine Federn gerupft hat (dorsale Ansicht).
In der Nähe der Kloake des Wellensittichs, also auf der Körperunterseite, befand sich ein Abszess im Gewebe (ventrale Ansicht).
In der Nähe der Kloake des Wellensittichs, also auf der Körperunterseite, befand sich ein Abszess im Gewebe (ventrale Ansicht).

Stressbedingtes Federrupfen

Stress kann bei Papageien und Sittichen ein Auslöser für das Federrupfen sein.
Stress kann bei Papageien und Sittichen ein Auslöser für das Federrupfen sein.

Viele Federrupfer sind psychisch nicht im Gleichgewicht. Etwas in ihrem Umfeld setzt sie unter Stress und sie wissen sich nicht anders zu helfen, als diesen Stress abzubauen, indem sie ihre eigenen Federn ausreißen oder sich sogar selbst beißen. Da der Begriff „Stress“ stellvertretend für viele negative Aspekte im Leben eines Vogels stehen kann, bedarf er einer genauen Erläuterung.

Ein Beispiel für einen typischen Stressfaktor ist ein schwelender Konflikt zwischen zwei Individuen innerhalb eines Vogelschwarms. In einer solchen Situation kann es geschehen, dass ein dominanter Vogel einen unterlegenen Artgenossen permanent so sehr hetzt und jagt, dass dieser aggressiv wird, sich aber nicht traut, sich mit dem stärkeren Vogel anzulegen. Mitunter richten davon betroffene Tiere die angestaute Aggressivität und Anspannung dann gegen sich selbst, indem sie ihr eigenes Gefieder zerstören.

Zu wenig Schlaf und Ruhe ist ein weiterer Stressfaktor, der die psychische Gesundheit eines Vogels auf eine harte Probe stellen kann. Einige Vogelarten reagieren auf eine zu kurze Nachtruhe oft damit, dass sie nervös werden, sich aggressiv oder gar selbstzerstörerisch verhalten und letztlich zu Federrupfern werden. Zudem mögen es Vögel nicht, den ganzen Tag gewissermaßen auf dem Präsentierteller zu stehen. Unter anderem deshalb sind so viele Papageien und Kakadus, die in Ladenlokalen als „lebende Ausstellungsstücke“ die Kundschaft erfreuen sollen, Federrupfer. Diese Tiere sind meist in Käfigen ohne jede Rückzugsmöglichkeit untergebracht. sie können sich nie vor den Blicken Fremder verbergen und haben den ganzen Tag keine Ruhe. Weil ihnen die kleinen Auszeiten fehlen, die sie dringend benötigen würden, um innerlich zur Ruhe zu kommen, sind sie im Dauerstress und werden deshalb in vielen Fällen zu stressbedingten Federrupfern.

Mitunter werden die Federn nicht ausgerupft, aber zerbissen. Man spricht dann vom Federbeißen.
Mitunter werden die Federn nicht ausgerupft, aber zerbissen. Man spricht dann vom Federbeißen.

Auch Einzelhaltung kann zu schweren Verhaltensauffälligkeiten bis hin zum Federrupfen führen. Tiere, die stark auf Menschen fixiert, also fehlgeprägt sind, leiden oft darunter, wenn man sich nicht rund um die Uhr um sie kümmert. Geht man also beispielsweise seinem Beruf nach und ist man deshalb täglich einige Stunden außer Haus, kann dies genügen, um den Vogel in eine seelische Krise zu stürzen, die ihn zum Federrupfer werden lässt. Kommt dann noch Langeweile hinzu, da sich das Tier allein nicht beschäftigen kann, weil zum Beispiel keine Spielzeuge vorhanden sind, können Einzelvögel zu Federrupfern werden. Unter anderem aus diesem Grunde ist die Einzelhaltung keine tiergerechte Art, Papageienvögel als Hausgenossen zu pflegen. Bitte lesen Sie zu diesem Thema auch die Birds-Online-Rubrik gegen Einzelhaltung.

Ein sehr häufiger Auslöser für Stress, der zum Federrupfen führt, ist ein nicht befriedigter Bruttrieb. Viele Vogelhalter versuchen ihre Tiere unter möglichst idealen Bedingungen zu halten, was im Grunde wünschenswert ist. Geraten die Vögel in Brutstimmung und können sie diesen starken Trieb über einen längeren Zeitraum nicht befriedigen, kann es geschehen, dass sich dieser permanente Stress negativ auf sie auswirkt und sie damit beginnen, ihre Federn auszureißen. Aber auch sexuelle Frustration kann ein Grund für dieses Verhalten sein. Sie tritt beispielsweise dann auf, wenn ein Vogel über längere Zeit versucht, einen Artgenossen als Partner für sich zu gewinnen, dieser aber anderweitig vergeben ist und keine Alternative zur Verfügung steht. Hält man beispielsweise zwei Männchen und ein Weibchen, geschieht es oftmals, dass das „übrig gebliebene“ Männchen irgendwann zum Federrupfer wird. Oder aber das Weibchen wird so sehr von den beiden Männchen bedrängt, dass es aufgrund der permanenten Stresssituation sein eigenes Gefieder zerstört.

„Fremdrupfer“

Das cremefarbene Katharinasittichweibchen wurde vom früheren Partner am Hinterkopf kahl gerupft und kuschelt jetzt mit einem verträglicheren Artgenossen, der kein Fremdrupfer ist.
Das cremefarbene Katharinasittichweibchen wurde vom früheren Partner am Hinterkopf kahl gerupft und kuschelt jetzt mit einem verträglicheren Artgenossen, der kein Fremdrupfer ist.

Mitunter sind an einem Vogel kahle Stellen zu sehen, an denen er seine Federn nicht selbst ausgerissen haben kann. Dann liegt möglicherweise ein „Fremdrupfen“ vor – der Vogel ist also vielleicht Opfer eines rupfenden Artgenossen geworden. Dies geschieht zum Beispiel relativ häufig, wenn ein Vogelweibchen in Brutstimmung ist und ein weiteres Gelege produzieren möchte, während ihr Nachwuchs aus den ersten Eiern noch im Nistkasten sitzt. Einerseits gibt der Instinkt dem Altvogel vor, die Jungtiere großzuziehen, aber er diktiert ihm auch, weitere Eier zu legen – und dafür müsste der Nachwuchs aus dem Nest gejagt werden, was aber nicht möglich ist, weil die Jungtiere aus der ersten Brut noch Fürsorge brauchen. In diesem Zwiespalt reißen die Mütter ihren Jungtieren mitunter die Federn aus. Die Abbildung in diesem Absatz zeigt den jungen Wellensittich Lessley, der im Nistkasten von seiner eigenen Mutter aus dem oben genannten Grund am Rücken gerupft wurde.

Werden sehr junge Wellensittiche, die erst wenige Tage alt sind, von ihren Müttern gerupft, könnte laut Aussage einiger Experten ein Nährstoffmangel dahinter stecken: Das Weibchen könnte sich bei der Produktion des Geleges verausgabt haben und deshalb versuchen, durch den Verzehr der jungen Federn ihres Nachwuchses dieses Nährstoffdefizit auszugleichen – so lautet ein Erklärungsansatz für das Verhalten. Ob es sich tatsächlich so verhält, ist nicht gänzlich geklärt, aber in jedem Fall sollten Vogelzüchter darauf achten, ihre Tiere während der Jungenaufzucht ausgewogen und nährstoffreich zu ernähren, um solche Zwischenfälle nach Möglichkeit zu vermeiden. Weitere Informationen zum Thema Kükenrupfen finden Sie in der Rubrik über die Zucht von Wellensittichen: bitte hier klicken.

Auch unter Altvögeln kann es geschehen, dass ein Individuum damit beginnt, seine Artgenossen zu rupfen, wobei meist der Partnervogel betroffen ist und in vielen Fällen dessen Hinterkopf kahl gerupft wird. Tritt dies auf, ist meist Stress ein typischer Auslöser und es ist dringend erforderlich, die Haltungsbedingungen und Schwarmzusammensetzung zu überprüfen und eventuelle Probleme schnellstmöglich zu lösen, bevor der Fremdrupfer noch rabiater wird und den Partnervogel möglicherweise sogar blutig beißt.

„Massen-Rupferei“ durch nicht befriedigten Bruttrieb

Ein Fall von „Massen-Rupferei“ unter ihren Wellensittichen begann im Winter 1999 im Vogelschwarm der Vogelhalterin Andrea Szabo. Zuvor waren ihre Tiere fröhlich und kerngesund, einige zeigten sogar über einen längeren Zeitraum deutliche Zeichen von Brutlust. Allerdings wollte Andrea nicht züchten und bot den Tieren deshalb keine Nistgelegenheiten an. Mit der Zeit begannen nahezu alle Vögel damit, sich selbst die Federn auszureißen. Später beobachtete Andrea sie dabei, wie sie sich gegenseitig die Federn ausrissen und daran sogar Spaß zu haben schienen.

Sonstige mögliche Auslöser für das Federrupfen

Manche Parasiten, die auf der Haut oder im Gefieder leben, können ebenfalls Juckreiz verursachen und den betroffenen Vogel dazu bringen, seine Federn auszureißen. Allerdings ist der Befall dann meist schon so weit fortgeschritten, dass das gesamte Gefieder des Vogels struppig und stumpf wirkt. Ein so starker Parasitenbefall ist somit leicht zu erkennen.

Vogelweibchen, die an einer Legenot leiden, reißen sich häufig das Gefieder rund um die Kloake aus, um zu versuchen, sich in ihrer Not Linderung zu verschaffen. Außerdem kommt es vor, dass Vögel, die an Arthrose leiden, die Federn in der Nähe des schmerzenden Gelenks ausreißen, also zum Beispiel das Gefieder in Schulternähe oder an den Schenkeln, wenn ein Beingelenk schmerzt.

Was tun, wenn ein Vogel zum Rupfer geworden ist?

Ein schwerer Fall von Federrupfen bei einem Wellensittich.
Ein schwerer Fall von Federrupfen bei einem Wellensittich.

Hat ein Vogel erst einmal mit der Selbstverstümmelung begonnen, sind in den meisten Fällen viel Einfühlungsvermögen und Geduld nötig, um ihn davon wieder abzubringen. Oft ist es bedauerlicherweise nicht mehr möglich, den Vogel dazu zu bringen, das Rupfen gänzlich zu unterlassen. Sie sollten auf alle Fälle einen vogelkundigen Tierarzt hinzuziehen, der abklärt, ob gegebenenfalls eine organische Ursache hinter dem Federrupfen steckt. Sofern dies nicht der Fall ist, ist es sinnvoll, mithilfe eines geschulten Tierpsychologen oder Verhaltensberaters, der sich mit Papageienvögeln auskennt, die Gründe für die Verhaltensauffälligkeit aufzudecken. Denn nur dann, wenn man sie kennt, kann man die Probleme lösen und gegebenenfalls vorliegende Fehler in den Haltungsbedingungen beseitigen.

Um das Federwachstum anzukurbeln und gegebenenfalls die Haut zu pflegen, kann ein Tierarzt unterschiedliche Aufbaupräparate (zum Beispiel Biotin, Korvimin, AviConcept oder Avix Bird Builder) verordnen. Es ist ratsam, das Federwachstum auf diesem Wege zu unterstützen. Mitunter wird als radikale Methode das Anlegen einer Halskrause vorgeschlagen, was vor allem bei verhaltensauffälligen Papageienvögeln, die sich die Federn aufgrund von Stress ausreißen, zu einer weiteren Verschlechterung des psychischen Allgemeinzustandes führen kann. Eine Halskrause sollte deshalb nur dann angelegt werden, wenn sie das Leben des betroffenen Vogels retten soll, weil er sich beispielsweise nicht nur die Federn ausreißt, sondern selbst Bisswunden zufügt und ohne Halskragen verbluten könnte. Es ist also unbedingt in jedem Einzelfall mit einem erfahrenen Tierarzt abzuklären, ob der zusätzliche Stress, der durch das Tragen der Halskrause verursacht wird, tatsächlich förderlich für den Gesundheitszustand des Vogels ist.

Häufig reißen sich Federrupfer vor allem das Gefieder an Brust und Bauch aus.
Häufig reißen sich Federrupfer vor allem das Gefieder an Brust und Bauch aus.

Achten Sie darauf, dass die Haut des Vogels nicht austrocknet. Normalerweise wird sie von den Federn geschützt, doch bei Federrupfern liegt sie frei und ist den Umwelteinflüssen ständig direkt ausgesetzt. Fachkundige Tierärzte können Sprays und Salben verordnen, die die empfindliche freiliegende Haut pflegen und ihr Feuchtigkeit zuführen. Und sorgen Sie stets dafür, dass Ihr stellenweise nackter Vogel nicht friert. Ihm fehlen die isolierenden und wärmenden Federn, wodurch sein Körper mehr Wärme verliert als der eines voll befiederten Artgenossen.

Wichtig ist, dass ein Federrupfer keine Langeweile verspürt – auch dann nicht, wenn er in einem Vogelschwarm gehalten wird. Bieten Sie ihm viel Abwechslung an, also zum Beispiel Spielzeuge und viele Klettermöglichkeiten. Außerdem sollten Sie dem Vogel regelmäßig Frischkost wie Gemüse, Obst, Wildgräser und Grünfutter aus der Natur servieren, denn der Geschmack der frischen Kost stimuliert die Sinne und wirkt somit gegen Langeweile. Darüber hinaus sollte sich das Tier seine Nahrung „erarbeiten“ müssen. Dafür eignen sich verschiedene Hirsesorten sowie Hafer in der Rispe. Ebenso geeignet sind selbst gebackene Knabberstangen ohne Zuckerzusatz. Die im Zoofachhandel angebotenen Leckerbissen sind häufig erheblich zu zuckerhaltig. Rezepte für selbst gemachte Leckereien finden Sie in der Ernährungsrubrik von Birds-Online.de. Außerdem sollten Sie sich mit dem Thema Foraging auseinander setzen, um Langeweile aus dem Leben Ihrer Vögel zu vertreiben.

Ähnliche Erkrankungen

Ist bei einem Wellensittichweibchen der Legedarm entzündet, schwillt der Bauch stark an und sieht deshalb nackt aus; oft rupfen sich die Weibchen aufgrund der Schmerzen in dieser Körperregion zudem die Federn aus.
Ist bei einem Wellensittichweibchen der Legedarm entzündet, schwillt der Bauch stark an und sieht deshalb nackt aus; oft rupfen sich die Weibchen aufgrund der Schmerzen in dieser Körperregion zudem die Federn aus.

In einigen Fällen rupft ein Vogel sein Gefieder nicht aus, an seinem Körper bilden sich aber trotzdem kahle Stellen. Dies kann leider durchaus geschehen und eine Reihe unterschiedlicher Ursachen kommt für dieses Phänomen als Auslöser in Betracht. Einige häufig auftretende Gesundheitsprobleme, die zu kahlen Stellen am Vogelkörper führen können, werden in den folgenden Abschnitten erläutert.

Ist der Legedarm eines Weibchens entzündet, bildet sich im Bereich der Kloake eine Schwellung, die als kahle Hautstelle sichtbar ist. Die Federn sind nicht ausgefallen, doch die Haut ist so stark gedehnt, dass sie nackt wird. Eine Legedarmentzündung ist lebensbedrohlich und muss schnellstmöglich fachkundig behandelt werden. Das Foto in der Nähe dieses Absatzes zeigt den Bauch eines Wellensittichweibchens, das an einer Legedarmentzündung litt. Deutlich ist in der Nähe der Pfeilmarkierung die damit verbundene Schwellung zu erkennen.

Weniger dramatisch ist eine weitere Veränderung am Körper von Vogelweibchen: Bei Wellensittichweibchen, die in Brutstimmung sind, entsteht am Bauch ein kahler, sehr gut durchbluteter Bereich, der als Brutfleck bezeichnet wird. Die nackte Haut ist dort besonders warm und ist deshalb während des Brütens besonders wichtig. Die Größe des Brutflecks ist individuell unterschiedlich. Normalerweise bildet sich der Brutfleck nach der Jungenaufzucht innerhalb kurzer Zeit von allein wieder zurück.

Tumoren oder Lipome können dazu führen, dass die Haut straff gespannt wird, sich verändert und beim Vogel ein unangenehmes Gefühl entstehen lässt. Um dieser Missempfindung zu begegnen, reißt er sich die Federn an der entsprechenden Stelle aus. In vielen Fällen verliert der Vogel seine Federn aber auch ganz ohne das Ausreißen, weil die Haut so straff gespannt ist, dass die Federn den Halt in ihr verlieren.

Dieser Wellensittich hat aufgrund seiner fortgeschrittenen PBFD-Erkrankung großflächige kahle Stellen am Körper und ist kein Federrupfer.
Dieser Wellensittich hat aufgrund seiner fortgeschrittenen PBFD-Erkrankung großflächige kahle Stellen am Körper und ist kein Federrupfer.

Eine besonders unschöne und durch Viren hervorgerufene schwere Erkrankung namens PBFD kann im fortgeschrittenen Stadium dazu führen, dass den betroffenen Vögeln die Federn am Kopf und am Rumpf ausfallen, nachdem zuvor das Großgefieder (die langen Federn an den Flügeln und am Schwanz) bereits verloren gegangen ist. In extremen Fällen sind an PBFD erkrankte Vögel völlig nackt.

Allerdings gibt es noch weitere mögliche Ursachen für ein solches Erscheinungsbild, nicht immer ist eine PBFD-Erkrankung die Ursache. Auch die Französische Mauser, eine ebenfalls durch Viren verursachte Gefiederstörung, kann in besonders schweren Fällen zu kahlen Stellen führen. Sieht ein Vogel so aus, lässt sich durch bloßes Hinschauen nicht sagen, welche der beiden Viruserkrankungen zu dem starken Gefiederverlust geführt hat. Ein Tierarzt muss einen Labortest anordnen, um den tatsächlichen Auslöser zu klären. Bitte beachten Sie: Sowohl die Französische Mauser als auch PBFD sind hochgradig ansteckend für andere Vögel.

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