Lipome

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An der unteren Brust dieses Wellensittichs befindet sich ein großes Lipom.
An der unteren Brust dieses Wellensittichs befindet sich ein großes Lipom.

Bei sehr vielen Wellensittichen sowie bei einer ganzen Reihe anderer Heimvögel bildet im Laufe ihres Lebens eine Fettgeschwulst. Der medizinische Fachbegriff für eine solche Wucherung lautet Lipom. Bei Lipomen handelt es sich um gutartige Tumoren, die sich aus Fettzellen entwickeln. In der Mehrheit der Fälle entstehen Lipome bei Wellensittichen am Bauch oder an der Brust. In anderen Bereichen des Körpers treten sie – wenn auch seltener – genauso auf, zum Beispiel am Flügel oder am dritten Augenlid, das Nickhaut genannt wird.

Weshalb vor allem Wellensittiche zur Entstehung solcher Geschwülste neigen, ist noch nicht restlos wissenschaftlich geklärt. Sehr wahrscheinlich spielt der Lebenswandel der wilden Wellensittiche eine wichtige Rolle, der auch bei den domestizierten Vögeln nach wie vor zum Tragen kommt: Von Natur aus ist der Körper der Wellensittiche darauf programmiert, Fettreserven für schlechte Zeiten anzulegen, weil diese Vogelart in freier Natur in der Wildnis Australiens nicht überall immer genügend Futter vorfindet. Deshalb versuchen die Tiere stets instinktiv für Zeiten mit Nahrungsmangel vorzusorgen und sich Fettreserven anzufressen.

Für Heimvögel ist das problematisch, weil der Großteil von ihnen ständig einen gut gefüllten Futternapf vorfinden. Somit können sie permanent für schlechte Zeiten vorsorgen, ohne dass es tatsächlich irgendwann zu einer Nahrungsknappheit kommt. Daraus ergibt sich, dass etliche der in menschlicher Obhut gehaltenen Wellensittiche übergewichtig sind. Weil sie einen hohen Körperfettanteil aufweisen, ist bei ihnen möglicherweise das Risiko erhöht, dass sich aus diesen Fettzellen die gutartigen Tumorzellen bilden und so Lipome entstehen. Übergewicht gilt somit als ein Risikofaktor für die Entstehung dieser Geschwülste bei Wellensittichen und anderen Vögeln.

Allerdings treten Lipome keineswegs nur bei übergewichtigen Vögeln auf. Sie können sich ebenso bei schlanken Tieren bilden. Es wäre denkbar, dass bei davon betroffenen Vögeln beispielsweise eine erblich bedingte Veranlagung für die Entstehung dieser gutartigen Tumoren vorliegen könnte. Wissenschaftlich aufgeklärt ist dies allerdings bislang noch nicht.

Lipome erkennen

An der Brust dieses Wellensittichmännchens befindet sich dort, wo die Federn zerzaust wirken, ein Lipom.
An der Brust dieses Wellensittichmännchens befindet sich dort, wo die Federn zerzaust wirken, ein Lipom.

Ein Lipom an der Brust oder am Bauch eines Vogels erkennt man oft, indem man das Tier im Profil, also von der Seite, betrachtet. Sitzt es auf einer Stange, ist das Lipom als mehr oder minder deutlich hervorstehende Beule zu sehen. Diese optische Methode funktioniert aber nur bei Lipomen ab einer bestimmten Mindestgröße. Sehr kleine Lipome lassen sich nur ertasten, wohingegen mittelgroße bis große Fettgeschwülste häufig mit dem bloßen Auge zu erkennen sind – und das trotz der über ihnen liegenden Federn. In extremen Fällen können Lipome so groß und schwer sein, dass sie bis zu einem Drittel des Körpergewichts des Vogels ausmachen. Für gewöhnlich ist eine Fettgeschwulst rund oder knollig geformt, hat eine weiche und elastische Konsistenz und bildet sich meist eher langsam. Das umliegende Gewebe ist scharf von der Wucherung abgegrenzt, was für den Laien leicht zu ertasten ist. Häufig ist durch die dünne Haut eine gelbliche Färbung zu erkennen, denn das durchscheinende Fettgewebe ist gelb gefärbt.

Aber Achtung, nicht jedes Lipom sieht gleich aus, und noch dazu kann sich das Aussehen mit der Zeit verändern. Manche Fettgeschwülste sind recht klein und die Haut hat eine unauffällige Beschaffenheit. Sie ist darüber hinaus ganz normal befiedert. Große Lipome spannen die Haut und häufig fallen die Federn aus. Außerdem kommt es durch die ständige Überdehnung zu einer strukturellen Veränderung der Haut. Unter anderem weil die Durchblutung der gedehnten Haut gestört ist, wird sie häufig knotig bis ledrig. Zusätzlich tritt in etlichen Fällen Juckreiz auf, weshalb es geschehen kann, dass ein betroffener Vogel sein Lipom blutig beißt oder kratzt. Oft verhornt die sich daraufhin neu bildende Haut und wird schwartig, was zu weiterem Juckreiz führt.

Die Haut über diesem Lipom am Unterbauch hat sich bereits stark verändert und sieht gelblich aus.
Die Haut über diesem Lipom am Unterbauch hat sich bereits stark verändert und sieht gelblich aus.
Infolge eines sehr großen Lipoms hat sich die straff gespannte Haut am Unterbauch dieses Wellensittichs stark verändert.
Infolge eines sehr großen Lipoms hat sich die straff gespannte Haut am Unterbauch dieses Wellensittichs stark verändert.

Ist die Geschwulst hingegen sehr hart und verursacht sie dem Vogel gar Schmerzen, könnte es sich um eine andere Art von Tumor handeln. Viele der häufig bösartigen Tumoren bestehen anders als die Lipome nicht aus Fett, sondern aus anderem Gewebe. Obwohl man meinen könnte, eine Fettgeschwulst wäre weniger problematisch als ein anderer bösartiger Tumor, kann doch das Gegenteil der Fall sein. Große Lipome führen wegen ihres Gewichts oftmals zu Schwierigkeiten beim Fliegen oder gar zur vollständigen Flugunfähigkeit. Außerdem üben sie im Körper Druck auf die Organe aus, was je nach Lage des Lipoms zu Verdauungsbeschwerden oder zu Problemen beim Atmen führen kann. Aus diesen Gründen sollte man bei einem Verdacht auf ein Lipom grundsätzlich sicherheitshalber einen vogelkundigen Tierarzt zurate ziehen und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen.

Behandlungsmöglichkeiten

Am Unterbauch dieses Wellensittichs ist ein Lipom zu sehen, an dem oft Kot hängen bleibt.
Am Unterbauch dieses Wellensittichs ist ein Lipom zu sehen, an dem oft Kot hängen bleibt.

Leider ist die Behandlung von Lipomen oft nicht ganz leicht. Den betroffenen Tieren eine Diät zu verordnen und sie abspecken zu lassen, ist bei übergewichtigen Tieren häufig durchaus ratsam, weil das Extragewicht schlecht für den gesamten Organismus ist (aber bitte nur nach Absprache mit einem Tierarzt!). Jedoch nehmen die Vögel meist nicht im Bereich der Lipome ab, diese behalten nicht selten ihre Größe bei und sehen am erschlankten Vogel noch bedrohlicher aus als zuvor. Je nachdem, wie gravierend die vom Lipom verursachten Beschwerden sind, sollte eine Operation in Erwägung gezogen werden. Vogelkundige Tierärzte haben damit normalerweise viel Erfahrung und führen solche Eingriffe häufig erfolgreich durch. Der zu operierende Vogel sollte vor dem Eingriff körperlich in möglichst guter Verfassung sein. Je fitter das Tier ist, desto höher sind seine Heilungs- und Überlebenschancen. Ihr Tierarzt wird mit Ihnen entscheiden, was das Beste für Ihren Vogel ist, falls sich in seinem Körper ein Lipom gebildet hat.

Wellensittichweibchen kurz vor dem operativen Entfernen eines großen Lipoms an der Brust; der Vogel ist bereits narkotisiert.
Wellensittichweibchen kurz vor dem operativen Entfernen eines großen Lipoms an der Brust; der Vogel ist bereits narkotisiert.
Das Lipom konnte erfolgreich operativ entfernt werden und das Wellensittichweibchen ist kurze Zeit später aus der Narkose erwacht.
Das Lipom konnte erfolgreich operativ entfernt werden und das Wellensittichweibchen ist kurze Zeit später aus der Narkose erwacht.

Ist im individuellen Fall aus wichtigen Gründen keine Operation möglich, weil sich das Lipom beispielsweise an einer ungünstigen Stelle am Körper befindet, kann man dem erkrankten Vogel möglicherweise trotzdem helfen. Mitunter ist eine Therapie mit Spinnengift (Theranekron bzw. Tarantula) sinnvoll. Da nicht alle Tierärzte diese Art der Behandlung aus der Naturheilkunde durchführen, sollten Sie sich im Zweifelsfall an einen Tierheilpraktiker wenden. Es ist jedoch zu bedenken, dass diese Therapie keinesfalls immer anschlägt. Eine Garantie auf eine Heilung hat man demnach nicht.

Sonderfall Flügellipome

Das Lipom am Flügel dieses Wellensittichweibchens konnte nicht operativ entfernt werden; es wäre nur möglich gewesen, indem der Flügel amputiert worden wäre.
Das Lipom am Flügel dieses Wellensittichweibchens konnte nicht operativ entfernt werden; es wäre nur möglich gewesen, indem der Flügel amputiert worden wäre.

Mitunter entstehen Lipome an den Flügeln, was die betroffenen Vögel je nach Größe der Geschwulst stark in ihrer Beweglichkeit einschränken kann. Doch nicht immer müssen oder können Flügellipome operativ entfernt werden. Im Fall des in der Nähe dieses Absatzes gezeigten Wellensittichs befand sich das Flügel-Lipom an einer sehr ungünstigen Stelle. Ein operatives Entfernen wäre ohne die Zerstörung des Flügels nicht möglich gewesen, sprich der Flügel hätte amputiert werden müssen. Deshalb wird ein solches Lipom oft genau beobachtet und zunächst so belassen, wie es ist. Erst wenn es extrem stark wächst oder der Vogel die Fettgeschwulst blutig beißt, werden weitere Schritte unternommen. Oftmals wird dann eine Teilamputation des betroffenen Flügels versucht, mitunter auch eine komplette Amputation, falls sich das Lipom recht weit oben am Flügel befindet.

Fallbeispiel: Operation an einem Flügellipom

Nicht nur auf der Oberseite des Flügels, sondern auch auf dessen Unterseite können Lipome entstehen. Dies führt häufig dazu, dass das Lipom gegen den Körper drückt und dem Tier Schmerzen oder Juckreiz verursacht. Die Folge ist, dass die Vögel die Unterflügellipome aufbeißt. Der Wellensittich Maxi aus diesem Fallbeispiel war von einem solchen Lipom betroffen und hat es blutig gebissen, weil es ihn so sehr gestört hat. Seiner Halterin gelang es glücklicherweise, die recht starke Blutung zu stoppen. Allerdings war ihr bewusst, dass es wichtig war, einen Tierarzt aufzusuchen, um eine Lösung zu finden.

Der Arzt schlug vor, das Lipom operativ zu entfernen. Dies geschah mithilfe eines Lasers, was den Vorteil hat, dass so schon während der Operation Blutungen gestoppt werden können, weil der Laserstrahl die verletzten Gefäße verödet. Allerdings wird dabei auch immer ein wenig Haut verbrannt, sie ist nach dem Eingriff dunkel bis schwarz gefärbt. Was sich schlimm anhört, ist für den Vogel nicht so schmerzhaft, wie man zunächst denken mag. Durch die starke Hitze des Lasers werden die Nerven geschädigt, sodass gelaserte Wunden nur geringe bis gar keine Schmerzen verursachen.

Nach einer Laserbehandlung sollte die Wunde binnen ungefähr 14 Tagen gänzlich und problemlos verheilen, sofern sich keine Infektion in die Wunde setzt. Die Flugfähigkeit bleibt in aller Regel erhalten, wenn ein kleines Lipom entfernt wurde. In Maxis Fall bildete sich während der Heilungsphase unmittelbar neben der Operationsnarbe ein neues, rasch wachsendes Lipom, das zu Spannungen in der Narbe führte. Zehn Tage nach der Operation begann die gelaserte Stelle wieder stark zu bluten. Leider starb Maxi kurze Zeit später, obwohl seine Halterin alles Menschenmögliche versucht hatte, um sein Leben zu retten. Sehr viele Vögel haben mehr Glück und werden nach einem solchen Eingriff wieder gesund.

Lipom an der Nickhaut

Zwar kommt es relativ selten vor, doch es können sich auch Lipome am dritten, transparenten Augenlid der Vögel bilden – an der sogenannten Nickhaut. In dieser Körperregion bleiben Lipome meist relativ klein, aber sie scheuern am Auge und an den beiden beweglichen Augenlidern, was zu starken Reizungen führen kann. Außerdem beeinträchtigen die gelblichen Wucherungen unter Umständen das Sehen. Denn ist ein Lipom so groß, dass die Nickhaut nicht mehr vollständig zurückgezogen (geöffnet) werden kann, liegt die Fettgeschwulst für den Vogel in seinem Sichtfeld.

Um ein solches Lipom zu entfernen, muss meist die gesamte Nickhaut operativ entnommen werden. Dies war auch bei dem unter diesem Absatz gezeigten Unzertrennlichen der Fall. Der Vogel kam zum Glück später gut ohne seine Nickhaut zurecht. Unmittelbar nach der Operation ist das Gewebe rund um das Auge meist noch einige Zeit geschwollen, doch nach der Abheilung sieht alles in der Regel wieder normal aus.

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Erfahrungsbericht über erfolgreiche Lipom-Operation

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Fallbeispiel einer erfolgreich verlaufenen Lipom-Operation bei einem Wellensittich