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Erfahrungsbericht über Trichomonaden-Infektion

Achtung: Die auf Birds-Online.de angebotenen Texte und Bilder rund um das Thema Erkrankungen von Vögeln sind als Informationsquelle gedacht. Bitte bringen Sie Ihre erkrankten Vögel immer schnellstmöglich zu einem fachkundigen Tierarzt!

Text und Bilder von Isolde Aufschläger, Juni 2006

Trichomonaden – die Geißel(tierchen) der Wellensittiche

Die Sonne scheint und endlich ist es draußen warm geworden. Zeit, den Grill anzuschmeißen, Zeit, ins Freibad zu gehen. Und Zeit, das Trinkwasser der Vögel dreimal täglich zu wechseln. Denn im warmen Wasser tummeln sich – wenn sie denn vorhanden sind – Trichomonaden.

Juli 2005

Sigi (rechts) und Jogo beim Baden
Sigi (rechts) und Jogo beim Baden

Mein geliebter, moppeliger Wellensittich Sigi beginnt zu würgen. Wir fahren zu unserem Tierarzt, den wir bereits vor Monaten nach dem Umzug ausgesucht hatten, weil er Wellensittiche nach eigener Auskunft behandeln kann, auch röntgen, und das erschien uns schon viel.
Diagnose: Kropfentzündung.
Heute erscheint mir das so irrwitzig, aber damals habe ich es nicht besser gewusst. Ich musste dem Tierarzt vertrauen, und das Internetprojekt Birds-Online.de oder den Verein der Wellensittich-Freunde Deutschland (VWFD)* kannte ich nur flüchtig. Dieser besagte Tierarzt hat keine Anamnese erstellt. Nichts untersucht. Nur die Baytril-Spritze gezückt, abgedrückt und eine Rechnung geschrieben.

Nach zwei Tagen ging es Sigi immer noch nicht besser, ein Samstag, also auf zum Notdienst. Der meinte dann – ui, nein, also Baytril geben wir da nicht. Wir nehmen Doxycyclin. Schon wieder ein Antibiotikum.

Wieder zwei Tage vergingen und Sigis Zustand verschlechterte sich erneut. Zwar hatte jede Spritze ihn ein wenig aufgebaut und das Würgen für einen Tag unterdrückt – aber im Nachhinein betrachtet, hat der Vogel wohl nur simuliert.

Jogo (rechts) animiert Sigi zum Fressen
Jogo (rechts) animiert Sigi zum Fressen

Ich hatte die Nase von vermeintlich vogelkundigen Tierärzten gestrichen voll und wandte mich ans VWFD-Forum*, wo zum ersten Mal das Stichwort „Trichomonaden“ fiel. Bei diesem warmen Wetter müsse man an die immer denken. Zwar hatte ich die letzten Neuzugänge vor acht Monaten bekommen – und die auch (von dem vermeintlichen Vogel-Tierarzt) untersuchen lassen (Hurra, er hat den Kropf angeleuchtet!!!!), aber heute weiß ich aus trauriger Erfahrung, dass Trichomonaden ein Jahr lang in einem vermeintlich gesunden Vogel schlummern können.

Nach den vielen Infos aus dem Forum setzten wir uns also mit Sigi ins Auto und fuhren 125 Kilometer in eine der renommiertesten Vogelkliniken Deutschlands nach München.

Dort wurde der Vogel dann richtig untersucht. Kropfabstrich, Kot, alles was dazugehört. Trichomonaden fanden sie allerdings nicht. Sigi blieb erst einmal stationär für weitere Untersuchungen. Röntgen, Differenzialblutbild, Bakteriologie, Mykologie und was weiß ich noch alles. Vorsorglich wurde Calcium EDTA für den Fall einer Zinkvergiftung geben – eine häufige Ursache für sehr viele Symptome. Ich muss wohl nicht eigens dazu sagen, dass es mir das Herz zerrissen hat. Mein kleiner Muck, geretteter Einzelvogel, endlich im Minischwarm – und nun das.

Schon wieder zwei magische Tage vergingen, an denen ich immer in der Vogelklinik anrief, um nach Sigi zu fragen – doch nie waren Ergebnisse da. Dann, gegen 19:30 Uhr, erhielt ich einen Anruf der behandelnden Ärztin. Sie hatte etwas gefunden: „Trichomonaden“. Es handelte sich um einen massiven Befall – und deshalb waren die Trichos so tief in der Schleimhaut versteckt, dass sie erst beim dritten Abstrich zu erkennen waren.

Sigi sieht ein wenig mitgenommen aus
Sigi sieht ein wenig mitgenommen aus

Mein ganzer Dank galt damals und heute der Tiermedizinischen Assistentin dort, die die Tierärzte in jeder Hinsicht in die Tasche steckt, was Diagnostik angeht. Sie blieb am Mikroskop sitzen und suchte. Und fand. Damit konnte nun endlich eine Behandlung eingeleitet werden, mit Carnidazol.

Doch es war nicht überstanden. Der Befall war so massiv und wir wussten nicht, ob nicht schon innere Organe befallen waren. Dank der Arroganz der anderen Tierärzte, die einfach nicht ehrlich sein konnten. Also rief ich wieder jeden Tag in der Vogelklinik an und war schon froh, wenn ich nicht durchgestellt wurde. Das hieß, dass Sigi noch lebte.

Um die Schwere des Befalls vor Augen zu führen, möchte ich auf Sigis Gewicht verweisen. Er war ein leicht moppeliger Vogel und ich glaube, er wog zeitweise 65 Gramm. Täglich gewogen haben wir ihn erst nach der Krankheit. Aber er war ein recht dralles Kerlchen. Eigentlich ist das nicht gut, aber dieser Speck hat Sigi das Leben gerettet: Als die Trichomonaden entdeckt wurden, wog Sigi noch 45 Gramm. Für einen Vogel seiner Größe erheblich zu wenig.

Als wir die übrig gebliebenen Vögel, allesamt ohne Symptome, zur Behandlung in die Vogelklinik brachten (wieder 125 Kilometer hin und zurück im August ohne Klimaanlage – eine schlimme Strapaze für die Vögel), durfte ich ihn kurz sehen. Mittlerweile war er vier Tage dort.

Abends erhielt ich dann wieder einen Anruf. Sie hatten noch etwas gefunden: Megabakteriose. Zwar nur ein leichter Befall, aber nachweisbar. Damals bin ich fast gestorben. Tja. Sigi nicht.
Er wurde also nun mit Carnidazol und Ampho-Moronal behandelt.

Eine Woche verging. Das Wochenende verstrich. Sigi war mittlerweile zehn Tage in der Vogelklinik. Er lebte noch, und ich wollte ihn natürlich nach Hause holen. Aber das ging nicht. Denn als weitere Sekundärinfektion hatten sich E-Coli-Bakterien hinzugesellt.
Die Trichomonaden schienen gebannt, ebenso die Megabakterien, aber es ging ihm noch nicht viel besser.

Also wurde ein Antibiogramm erstellt und es hieß, auf das Ergebnisse zu warten. Und dann kam die Horrormeldung: Es gab nur ein Antibiotikum, das gegen diesen E-Coli-Stamm half. Mit 50prozentiger Chance bei so gravierenden Nebenwirkungen, dass die Ärzte es nicht geben wollten. Es war Tag zwölf und der behandelnde Arzt sagte mir, wenn in der nächsten Probe kein E-Coli mehr vorhanden sei, dürfe Sigi nach Hause.

Da auch mein Jogo anfing, wässrigen Kot auszuscheiden, brachte ich ihn ebenso in die Vogelklinik. Es war ein Mittwoch.

Bei Jogo wurde nichts gefunden, keine Trichomonaden, keine E-Coli-Bakterien, keine Megabakterien. Wir ließen ihn auch röntgen, um sicherzugehen.

Am Freitag setzten wir uns ins Auto und fuhren los. Ich wollte wie so oft von unterwegs aus anrufen, denn hätte ich zu Hause versucht durchzukommen, wäre die Sprechzeit vorbei gewesen, bis wir in München gewesen wären. Nach einem Viertel des Weges hatte ich endlich ein Freizeichen und fragte, ob ich Jogo nach Hause holen dürfte. Die Dame am Telefon hielt kurz Rücksprache und sagte dann: „Sie dürfen beide abholen“.

Was das für mich bedeutet hat, muss ich nicht sagen. Hieß es doch für mich, Sigi war ok!

Jogo (rechts) krault seinen Freund Sigi
Jogo (rechts) krault seinen Freund Sigi

Als ich dann im Sprechzimmer stand und man mir Jogo und Sigi brachten, war ich den Tränen sehr nahe. Erst vor Glück und dann vor Schock. Die E-Coli-Bakterien waren nicht weg, aber das Antibiotikum keine Alternative. Ich kann mich noch an die Worte des Arztes erinnern: „Das muss er jetzt alleine schaffen, wir können nichts für ihn tun. Schauen Sie, dass er frisst.“

Wir fuhren also mit einem kranken Vogel nach Hause. Sigi blieb mit Jogo im Quarantänekäfig und ich bangte um ihn. Sein Gewicht betrug nur noch 42 Gramm, das Brustbeinchen trat spitz hervor und sein Gefieder war stumpf und grau. Ich stellte den Käfig ab und ging kurz in die Küche, um frisches Wasser zu holen. Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, saß mein ehemals dicker Wutz an der Hirse und fraß.

Etwa eine Woche war alles ok und Sigis Zustand besserte sich durch Jogos Fürsorge (Sigi hatte sich nur kraulen lassen, wenn er krank war) täglich. Wir gaben Bird Bene-Bac zum Aufbau der Darmflora, täglich Keimfutter, Vitamine, Frischfutter und Amynin für die Leber. Eine andere Chance hatten wir nicht.

Sigi schien sich zu erholen, bis er nach etwa neun Tagen wieder würgte. Also haben wir ihn eingepackt und in die Vogelklinik gebracht. Die Trichomonaden waren wieder da. Das ganze von vorn. Wieder alles desinfiziert, abgekocht, ausgewaschen, in den Backofen gesteckt.

Nach dem Baden sieht man, wie abgemagert Sigi ist
Nach dem Baden sieht man, wie abgemagert Sigi ist

Diesmal aber kam Sigi nach zwei Tagen schon wieder nach Hause. Und er blieb dann auch.

Als ich ihn ein halbes Jahr später wegen eines Hodentumors erlösen lassen musste, waren auch die Ärzte in der Klinik sehr bedrückt. Sie sagten mir: „Das hätte niemand gedacht, dass der sich noch mal so gut erholt“.

Ich selbst behaupte, Sigi war nie glücklicher als nach seiner Erkrankung.

Wir ließen natürlich regelmäßig die Kröpfe unserer Vögel per Abstrich kontrollieren und gaben auch eine Trichomonadenanreicherung bei allen vieren in Auftrag. Um so sicher wie möglich zu gehen, denn eine letztendliche Gewissheit bietet auch das nicht. Aber es blieb ruhig. Trinkwasserhygiene, ja, Hygiene insgesamt, eine gesunde und ausgewogene Ernährung – ich dachte, dann bleiben meine Vögel glücklich und gesund.

Juni 2006

Es ist Sonntag.
Es ist Sonntag, und meine dicke Jill würgt. Alarmglocken lang vergessener Szenen kreischen in einer Ecke meines Gehirns los. Ich gebe ihr ein bisschen Hirse, die sie wegen ihres Übergewichts sonst nie bekommt. Sie frisst gierig. Vielleicht saß doch nur eine Feder quer.
Aber jedes Körnchen kam an einem langen Schleimfaden wieder den Weg zurück, den es gegangen war. Ich roch an dem Schleim und an Jilli. Kein fischiger Geruch. Und wo hätte auch Trichos herkommen können?

Also habe ich in der Vogelklinik den Notdienst verständigen und bin wieder nach München gefahren, an einem Sonntag. Dreifacher Satz, Hurra. Wir sind mittlerweile schon Stammkunden in der Vogelklinik. Wenn man im Wartezimmer mit „Oh Gott“ begrüßt wird, ist man entschieden zu oft dort.

Jedenfalls fand auch die Notfallärztin keine Trichomonaden, der Verdacht auf Pilze stand im Raum.

Wieder zwei Tage vergingen und dann das vernichtende Urteil: Trichomonaden.

Die Biester hatten ein Jahr geschlafen, sich in einem Vogel verkrochen, um jetzt mit aller Gewalt erneut mein Leben zu zerstören.

Jogo (links) weicht seinem Freund Sigi nicht von der Seite
Jogo (links) weicht seinem Freund Sigi nicht von der Seite

Der Unterschied zu Sigi: Wir haben sofort reagiert. Darum gab es noch keine Sekundärinfektion. Nachdem Jills Behandlung abgeschlossen war und wir die anderen Zuhause behandelt hatten, wieder mit Carnidazol, durfte sie nach Hause. Ich hielt sie sicherheitshalber noch eine Woche von den anderen getrennt – aus Erfahrung wird man bekanntlich klug.

Es ist jetzt drei Tage her, dass ich sie wieder zu den anderen in die Voliere gelassen habe. Als Dankeschön bekam ich gestern wieder einen dicken Schleimfaden und Körner um die Ohren gespuckt.

Wir sind nicht wieder in die Vogelklinik gefahren, weil es so heiß war und wir mittlerweile auch eine vogelkundige Tierärztin in der Nähe gefunden haben. Sie machte einen Abstrich, fand aber nichts. Was, wie wir wissen, so aussagekräftig ist wie ein Kaffeesatz. Wir behandeln jetzt weiter gegen Trichomonaden, haben allerdings das Medikament gewechselt (Metronidazol).

Ich kann abschließend nur sagen, dass ich mit allem gerechnet habe. Wir hatten Zink, Megabakterien, E-Coli-Bakterien. Aber Trichomonaden? Wo waren die denn nach einem Jahr hergekommen? Keine hohe Trinkwasserhygiene (wir haben eine Batterie aus zwölf Edelstahlnäpfen, drei Keramiknäpfen, einem Tonnapf und zwei großen Edelstahlnäpfen, zwei Badeschalen und wechseln alles durch), keine Vitaminversorgung, keine Käfigreinigung hat geholfen. Es gibt einen Neuzugang, aber der wurde in der Klinik so gründlich untersucht, auch bei der vorherigen Halterin, dass ich ihn als Quelle eigentlich nicht ansehen kann.

Was wir tun können?
So weiter machen. Das Wasser viermal statt dreimal täglich wechseln. Die Sitzstangen 40 statt 30 Minuten im Backofen lassen.

Und beten, dass wir diesmal endgültig siegen werden.

Nachtrag

Die kleine Jill verstarb aus nicht eindeutig geklärter Ursache am 4. August 2006. Eine Sektion mit Histogramm ergab einen massiven Befall von E. coli – vermutlich einer Sekundärinfektion wie bei Sigi.


* Das Forum des VWFD wurde im Jahr 2021 geschlossen, ebenso wie der gleichnamige Verein leider aufgelöst wurde.