Lähmungen
Meist geschieht es völlig unvermittelt: Der Vogel fällt von der Stange und weist Lähmungen auf oder kann Gliedmaßen nahezu nicht mehr bewegen. Oft sind die Beine beziehungsweise Füße (Zehen) betroffen und dem Vogel ist es deshalb nicht mehr möglich, sich auf der Stange zu halten. Auch auf dem Käfigboden kann er nicht stehen, weshalb er beim Versuch zu gehen torkelt oder gar umfällt. In vielen Fällen stolpern die betroffenen Tiere über ihre eigenen Füße, weil sie sie nicht mehr wie gewohnt bewegen können.
Oder die Intensität der Lähmung steigert sich schleichend, wobei sie anfangs kaum wahrnehmbar ist. Lediglich wenn man äußerst genau hinschaut, während der Vogel extreme Bewegungsabläufe, zum Beispiel beim Klettern, ausführt, lassen sich mitunter erste Bewegungseinschränkungen beobachten. Diese nehmen mit der Zeit zu und irgendwann sind sie so gravierend, dass die Lähmung einer Gliedmaße mehr als deutlich auffällt.
Wie auch immer es sich abspielt, grundsätzlich gilt: Die Ursache einer Lähmung ist entscheidend für den Verlauf und die Ausprägung der motorischen Störung. Der Auslöser ist dafür verantwortlich, ob eine Lähmung plötzlich eintritt oder schleichend. Man unterscheidet außerdem zwischen verschiedenen Typen von Lähmungen. Eine schlaffe Lähmung ist dadurch gekennzeichnet, dass die betroffene Extremität schlaff herabhängt und nicht mehr vom Tier bewegt werden kann. Im Fall der spastischen Lähmung ist die Extremität verkrampft und bewegungsunfähig. Die Art der Lähmung lässt manchmal Rückschlüsse auf die Ursache für die Bewegungsstörung zu.
In diesem Kapitel werden einige typische Auslöser erläutert, die bei Vögeln zu Lähmungen führen können. Sollten Sie eine Lähmung bei einem Ihrer Tiere beobachten, bringen Sie es so schnell wie möglich zu einem fachkundigen Tierarzt, der eine sichere Diagnose stellen sollte. Je schneller helfend eingegriffen wird, desto höher sind in den meisten Fällen die Heilungschancen.
Vitaminmangel
Ein Mangel an Vitamin B kann bei Heimvögeln zu starken Lähmungen in den Beinen und Flügeln führen. Oftmals setzt die Lähmung relativ plötzlich ein; in einigen wenigen Fällen nimmt die Bewegungsfähigkeit hingegen schleichend zu. Ein solcher Vitaminmangel verursacht für gewöhnlich spastische Lähmungen, die sich zum Beispiel in verkrampften Zehen äußern.
Tumoren
Eine große Anzahl der Todesfälle bei Wellensittichen sowie bei anderen Heimvögeln geht auf das Konto von Tumoren. Aufgrund von Tumoren an Organen in der Bauchhöhle treten relativ häufig schlaffe Lähmungen auf, spastische Lähmungen sind hierbei höchst selten zu beobachten. Drückt ein Tumor von innen auf einen Nerv entlang der Wirbelsäule, kann eine Lähmung eines Beins sowie der Zehen die Folge sein. Häufig sind es Nierentumoren, die von innen so ungünstig auf die Nervenstränge im Rückenbereich drücken, dass die Lähmung entsteht. Doch auch Hodentumoren oder Wucherungen an der Leber können Lähmungen der Beine oder Füße hervorrufen.
Diese Art von Lähmung ist beim Großteil der Patienten zunächst kaum wahrnehmbar und zeigt sich anfangs nur in einer geringfügigen Schonung des betroffenen Körperteils. Die Beschwerden des Vogels nehmen mit der Zeit jedoch stetig zu, was beispielsweise an einem Hinken oder Humpeln zu sehen ist. Je nachdem, an welchem Organ der Tumor wächst, besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, ihn operativ zu entfernen. Falls ein Verdacht auf einen Tumor besteht oder ein Vogel gar bereits eine Lähmung zeigt, sollten Sie ihn umgehend einem fachkundigen Tierarzt vorstellen. Seien Sie jedoch darauf gefasst, dass unter Umständen keine Heilung möglich ist und der Tierarzt Ihnen vorschlägt, den dem Tode geweihten und leidenden gefiederten Patienten sofort einzuschläfern.
Verletzung der Bänder und Sehnen
Beim Spielen oder Klettern kann ein Vogel mit dem Fußring oder mit einer Kralle sowie dem gesamten Fuß so ungünstig hängen bleiben, dass er sich bei einem Befreiungsversuch die Bänder oder Sehnen im Bein beziehungsweise Fuß verletzt. Im günstigsten Fall handelt er sich auf diese Weise nur eine Zerrung ein, im schlimmsten Fall einen Bänderriss. Die Folge ist in beiden Fällen ein lahmes Bein, das vom Tierarzt behandelt werden muss. Lähmungen infolge von Bänder- und Sehnenverletzungen sind in aller Regel schlaff und nicht spastisch. Allerdings kann es auch geschehen, dass Bänder und Sehnen verletzt werden und gleichzeitig ein Nervenschaden auftritt. Dann kann die Lähmung durchaus spastisch sein.
Gehirnerschütterung oder Schädeltrauma
Eine schwere Kopfverletzung (Schädeltrauma) oder eine Gehirnerschütterung kann bei Vögeln zu Lähmungen führen, die infolge eines Unfalls sehr plötzlich zusammen mit der eigentlichen Kopfverletzung auftreten. Weil das zentrale Nervensystem in manchen Fällen durch die Verletzung in Mitleidenschaft gezogen wird, kann es dann zu unkontrollierten Muskelkontraktionen kommen. Das heißt, die Muskulatur zieht sich zusammen und verkrampft. Die Lähmungen aufgrund einer Kopfverletzung sind demnach meist spastischer Natur. Bei einzelnen gefiederten Patienten verschlimmern sich die Lähmungen anfallartig und klingen kurze Zeit später wieder ein wenig ab.
Durch eine Kollision mit einem harten Gegenstand können Vögel außerdem innere Verletzungen im Kopfbereich erleiden. Derlei Hirnblutungen führen zu unterschiedlichen Symptomen wie Koordinationsstörungen, Gleichgewichtsproblemen und nicht selten zu schweren spastischen Lähmungen in verschiedenen Körperteilen. Hirnblutungen treten vor allem nach Kollisionsunfällen auf und können Vögel jeden Alters treffen.
Schlaganfall-ähnliche Krankheiten oder Gehirnentzündung
Vögel können Krankheiten erleiden, deren Symptome denen eines Schlaganfalls beim Menschen sehr stark ähneln. Manchmal ereignen sich diese plötzlich auftretenden schweren Bewegungs- und Koordinationsstörungen nachts, aber auch am Tage kann es zu einer solchen Erkrankung kommen. Hiervon betroffene Vögel weisen unter Umständen eine halbseitige Lähmungen kombiniert mit schweren einseitigen Sehstörungen sowie Koordinationsproblemen auf, manchmal ist nur ein Bein oder ein Flügel betroffen. Betrifft die Lähmung einen Fuß, sind die Zehen spastisch gelähmt und liegen in der sogenannten Kusshandstellung, wobei sie nach vorn weisen.
Eine weitere mögliche Ursache für eine Lähmung der Beine oder Flügel ist eine Gehirnentzündung.
Innere Parasiten
Ein Befall des Vogeldarms mit Spulwürmern kann zu Lähmungen führen. Die Würmer scheiden im Vogelkörper giftige Stoffwechselprodukte aus, die Verkrampfungen der Muskulatur nach sich ziehen können. Solche Lähmungen treten oft anfallartig auf und sind spastisch.
Vergiftungen
Bei manchen Arten von Vergiftungen kommt es rasch und ohne Vorankündigung zu starken spastischen, also krampfartigen Lähmungen. In aller Regel sind Vergiftungen sind nur dann heilbar, wenn man die erkrankten Vögel schnellstmöglich von einem Tierarzt behandeln lässt. Leider gibt es allerdings auch Vergiftungen, bei denen keine Rettung mehr möglich ist.
Was tun, wenn eine Lähmung nicht umkehrbar ist?
Um die Beweglichkeit der gelähmten Gliedmaßen zumindest ein wenig zu verbessern, kann es sinnvoll sein, mit dem Vogel krankengymnastische Übungen durchzuführen. Welche Übungen für das Tier im Einzelfall sinnvoll sind, sollte der behandelnde Tierarzt entscheiden. In der Rubrik „Handicaps bei Heimvögeln“ finden Sie einige Erfahrungsberichte, in denen beschrieben wird, wie man Vögeln mit dauerhaft gelähmten Gliedmaßen trotz ihrer körperlichen Einschränkung ein angenehmes Leben ermöglichen kann.
