Anatomie der Vogelaugen

Das eindrucksvolle Auge einer Gelbwangenamazone. © hat3m/Pixabay
Das eindrucksvolle Auge einer Gelbwangenamazone. © hat3m/Pixabay

Um besser zu verstehen, weshalb eine Fehlsichtigkeit oder gar der vollständige Verlust der Sehfähigkeit für Vögel eine sehr große Einschränkung darstellen können, ist es wichtig, die Bedeutung des Sehsinns zu kennen sowie zumindest mit den groben Grundzügen der Anatomie der Vogelaugen vertraut zu sein.

Für die meisten Vogelarten der Erde ist das Sehen der wichtigste Sinn, nur sehr wenige Vogelarten verlassen sich auf ihre Nase, wie man es von manchen Säugetieren kennt. Auch das Gehör spielt beim Nahrungserwerb und im täglichen Überlebenskampf bei Vögeln nicht die Hauptrolle. Ein Großteil der Vogelarten zeigt eine typische Anordnung der Augen im Schädel: Sie liegen seitlich, wie es zum Beispiel beim Wellensittich der Fall ist. Seitlich im Schädel angeordnete Augen ermöglichen es ihren Trägern, ihre Umgebung gut im Blick zu behalten, wobei es für sie vorrangig darum geht, den Überblick zu behalten. So können sie Futter finden, aber auch sich nähernde Fressfeinde entdecken, sofern diese nicht aus dem toten Winkel auf sie zukommen.

Schematische Darstellung des Gesichtsfeldes eines Katharinasittichs (stark vereinfacht)
Schematische Darstellung des Gesichtsfeldes eines Katharinasittichs (stark vereinfacht)

Vögel können ihre Augen nur wenig bewegen. Anders als wir Menschen ist es ihnen nicht möglich, ohne Bewegungen des Kopfes weit nach links oder rechts beziehungsweise oben oder unten zu schauen. Hierfür müssen sie ihren Kopf drehen, und der ist wegen ihrer darauf abgestimmten Halswirbelsäule sehr beweglich. So können Vögel durch Drehen ihres Kopfes eine 360°-Rundumsicht erlangen.

Jene Vögel, deren Augen seitlich im Kopf liegen, sind typische Beutetiere, wohingegen es auch Vögel gibt, die die Augen vorn im Gesicht tragen und bei denen sie ähnlich wie bei uns Menschen nebeneinander angeordnet sind. Zur Gruppe dieser Vögel gehören unter anderem Adler, Falken und Eulen. Sie allesamt sind Greifvögel, also Jäger, für die ein gutes räumliches Sehen entscheidend ist. Diese Fähigkeit des räumlichen Sehens wird dadurch gewährleistet, dass die Augen nebeneinander liegen. Vögel wie die Wellensittiche mit ihren seitlich angeordneten Augen haben dagegen nur ein sehr gering ausgeprägtes räumliches Sehen.

Seitlich am Kopf angeordnete Augen sind typisch für Vogelarten, die Fluchttiere sind; dazu gehören die meisten Heimvögel wie auch diese Diamanttaube.
Seitlich am Kopf angeordnete Augen sind typisch für Vogelarten, die Fluchttiere sind; dazu gehören die meisten Heimvögel wie auch diese Diamanttaube.
Vorn im Gesicht nebeneinander angeordnete Augen sind charakteristisch für Greifvögel und Eulen, also für Vogelarten, die aktiv jagen und dafür ein gutes räumliches Sehen benötigen – wie dieser Mäusebussard.
Vorn im Gesicht nebeneinander angeordnete Augen sind charakteristisch für Greifvögel und Eulen, also für Vogelarten, die aktiv jagen und dafür ein gutes räumliches Sehen benötigen – wie dieser Mäusebussard.

Für alle Vögel ist es wichtig, scharf zu sehen, wobei die Sehschärfe bei den Greifvögeln besonders hoch ist. Das spiegelt sich beispielsweise im Sprichwort „Adleraugen haben“ wider. Die meisten Heimvogelarten haben keine überdurchschnittlich stark ausgeprägte Sehschärfe. Diese ist bei gesunden Tieren jedoch ausreichend groß, um sie ihren Alltag meistern zu lassen, und das sowohl in freier Wildbahn als auch in Gefangenschaft.

Gesundes Auge eines Katharinasittichs
Gesundes Auge eines Katharinasittichs

Weil das Sehen für Vögel so enorm wichtig ist, sind ihre Augen vergleichsweise groß. Sie nehmen im Schädel viel Raum ein und sind sogar größer als das Gehirn. Beide Augäpfel berühren sich im Schädel beinahe, sie sind lediglich durch eine dünne Gewebeschicht voneinander getrennt. Unter anderem deshalb können Augenentzündungen bei Vögeln so schnell von einem der Sehorgane auf das andere überspringen.

Der größte Teil des Augapfels eines Vogels ist nicht sichtbar. Was wir sehen, sind in aller Regel die Iris und die Pupille. Sie befinden sich im Auge selbst und außen liegt die bei gesunden Vögeln transparente, glatte und gewölbte Hornhaut. Der hintere Teil des Auges besteht aus mehreren Kammern, in denen sich Flüssigkeit befindet, das sogenannte Kammerwasser. Die im hinteren Augenbereich befindlichen Teile fangen das eintreffende Licht auf und leiten die Signale über Nerven weiter ans Gehirn, das sie interpretiert.

Das Auge eines Wellensittichs: 1a ist die Pupille, 1b ist der Irisring.
Das Auge eines Wellensittichs: 1a ist die Pupille, 1b ist der Irisring.
Die Hornhaut ist als Wölbung am Vogelauge zu erkennen, sie ist bei gesunden Tieren glatt und transparent.
Die Hornhaut ist als Wölbung am Vogelauge zu erkennen, sie ist bei gesunden Tieren glatt und transparent.

Außen werden die Augen durch das obere und das untere Augenlid geschützt. Darüber hinaus verfügen Vögel über ein drittes Augenlid, das als Nickhaut bezeichnet wird. Bei vielen Vogelarten ist es transparent, bei einigen ist es trüb, weil dies für die Tiere Vorteile bedeutet. Trübe Nickhäute schirmen die Augen besser vor sehr grellem Licht ab als transparente dritte Augenlider. Typisch ist, dass die Nickhaut nicht von oben nach unten geschlossen wird, sondern diagonal von vorn nach hinten (bei Vögeln mit seitlich am Kopf angeordneten Augen) beziehungsweise von innen nach außen (bei Vögeln mit nebeneinander im Gesicht angeordneten Augen).

Hier sind das Ober- (1c) und das Unterlid (1d) eines Wellensittichauges markiert.
Hier sind das Ober- (1c) und das Unterlid (1d) eines Wellensittichauges markiert.
Als feiner, transparenter und leicht grau gefärbter Schleier ist die Nickhaut (1f) zu sehen
Als feiner, transparenter und leicht grau gefärbter Schleier ist die Nickhaut (1f) zu sehen
Wichtig zu wissen
Wenn Vögel Einschränkungen ihrer Sehleistung bis hin zur vollständigen Blindheit erleiden, hat das meist die Ursache, dass die Augen geschädigt werden. Verletzungen der Augenlider sind hingegen in aller Regel vergleichsweise harmlos, auch wenn sie im Einzelfall sehr schlimm aussehen können.
Buchtipp
Cover des Buches 'Vogelhaltung mit Handicap'Weil mir, der Betreiberin von Birds-online.de, gehandicapte Vögel so sehr am Herzen liegen, habe ich gemeinsam mit der erfahrenen Vogelhalterin Sigrid März ein Buch geschrieben. Darin werden die häufigsten Handicaps vorgestellt, Herausforderungen im Alltag beschrieben und natürlich Lösungen aufgezeigt. Von Amputationen über Blindheit bis hin zu altersbedingten Einschränkungen wie Arthrose reicht die Themenpalette. Ergänzend gibt es ein paar Einrichtungstipps, um gehandicapten Vögeln ein angenehmes und sicheres Umfeld bieten zu können. Wir haben den Inhalt bewusst so gestaltet, dass er sich nicht nur um kleine Sittiche dreht. Kanarienvögel, Täubchen und größere Vogelarten wie Graupapageien und Co. wurden von uns gleichermaßen mit einbezogen.

Das Buch kann für 29,90 € direkt beim Verlag bestellt werden: Web-Shop des Arndt-Verlags