Erfahrungsbericht über Wellensittich Flöhchen

Text und Bilder von Stefanie Kranjc, Februar 2002

Das rechte Bein des Wellensittichweibchens Flöhchen musste amputiert werden.
Das rechte Bein des Wellensittichweibchens Flöhchen musste amputiert werden.

Mitte 2000 wurde im Essener Tierheim ein Wellensittich untergebracht, der aus schlechter Tierhaltung stammte. Das arme Vogelmädchen hatte nur noch eine Zehe nebst Kralle, die zudem missgestaltet war. Ihr anderer Fuß hatte ihr offensichtlich vor einiger Zeit amputiert werden müssen; wir vermuteten infolge einer Quetschung, was bei Wellensittichen leider eine recht häufige Verletzung bei schlecht abgesichertem Freiflug ist.

Zudem hatte die Kleine eine Behinderung an den Flügeln, die ihr die Möglichkeit nahm zu fliegen. Die bedauernswerte Vogeldame musste sich enorm anstrengen, um sich auf einer der Sitzstangen in ihrem Käfig halten zu können. Insgesamt war das Gefieder des Vögelchens struppig und das Tier wirkte verwahrlost. Unsere Tierheim-Tierärztin überlegte schon, den Sittich von seinem Leiden zu erlösen. Doch ich wollte dem Vogelweibchen zumindest eine Chance gewähren und nahm es mit zu mir nach Hause.

Flöhchen lag nach der Beinamputation immer eher auf der Sitzstange, als dass sie saß.
Flöhchen lag nach der Beinamputation immer eher auf der Sitzstange, als dass sie saß.

Flöhchen, so nannte ich die Kleine, war neben ihren körperlichen Behinderungen desgleichen verhaltensgestört. Sie hatte panische Angst vor meinen übrigen Wellensittichen und schrie entsetzt auf, wenn sich ihr jemand näherte. Ihre verbliebene Zehe war von Sohlengeschwüren wund und das Stümpfchen ihres amputierten Beins entzündet.

Zunächst unternahm ich einige Änderungen an der Innenausstattung ihres Käfigs. Als erstes wurde eine Spanholzplatte als Zwischenboden zwischen Käfigober- und Unterteil gezogen, dick mit weichen Tüchern gepolstert und mit Küchenkrepp gegen Schmutz geschützt. So waren Flöhchens unvermeidlichen Abstürze für sie weniger schmerzhaft, da sie nun nicht mehr so tief und zudem erheblich weicher fiel. Ein weiterer Vorteil war, dass sie viel einfacher vom Zwischenboden, der direkt am Käfiggitter liegt, wieder auf ihren Sitzplatz klettern konnte. Zusätzlich brachte ich im oberen Bereich des Käfigs ein Stück Spanholz in Dreiecksform als Liegeplattform für sie an. Diese Ruhemöglichkeit nahm Flöhchen nach anfänglicher Skepsis gerne in Gebrauch. Immer wieder lag sie zwischendurch darauf und schonte ihr verbliebenes Füßchen.

In dem nackten Wellensittichmännchen Fröschlein fand Flöhchen einen liebevollen Partner.
In dem nackten Wellensittichmännchen Fröschlein fand Flöhchen einen liebevollen Partner.

Als nächstes galt es, Flöhchens Allgemeinbefinden zu verbessern. Mit viel frischem Obst und Gemüse, das sie zunächst ignorierte, zusätzlichen Vitamintropfen im Trinkwasser und einem Mineralstoffzusatz, den ich über das Körnerfutter streute, begann ich sie an eine gesunde Ernährung zu gewöhnen. Flöhchens wunden Stumpf und die Sohlengeschwüre behandelte ich regelmäßig mit einer homöopathischen Heilsalbe.

Nach und nach besserte sich Flöhchens Allgemeinbefinden, körperlich wie auch seelisch. Als ich rund drei Monate nach ihrem Einzug einen weiteren behinderten Vogeljungen aufnahm und zu ihr in den Käfig setzte, verpaarte sie sich mit ihm und lernte von ihm das arttypische Verhalten eines Wellensittichs. Die Abbildung in der Nähe dieses Absatzes zeigt das glückliche Paar beim leidenschaftlichen Kuscheln. Bedauerlicherweise verstarb Flöhchen zum Ende des Jahres 2001 urplötzlich und ohne zuvor irgendwelche Krankheitssymptome gezeigt zu haben.

Buchtipp
Cover des Buches 'Vogelhaltung mit Handicap'Weil mir, der Betreiberin von Birds-online.de, gehandicapte Vögel so sehr am Herzen liegen, habe ich gemeinsam mit der erfahrenen Vogelhalterin Sigrid März ein Buch geschrieben. Darin werden die häufigsten Handicaps vorgestellt, Herausforderungen im Alltag beschrieben und natürlich Lösungen aufgezeigt. Von Amputationen über Blindheit bis hin zu altersbedingten Einschränkungen wie Arthrose reicht die Themenpalette. Ergänzend gibt es ein paar Einrichtungstipps, um gehandicapten Vögeln ein angenehmes und sicheres Umfeld bieten zu können. Wir haben den Inhalt bewusst so gestaltet, dass er sich nicht nur um kleine Sittiche dreht. Kanarienvögel, Täubchen und größere Vogelarten wie Graupapageien und Co. wurden von uns gleichermaßen mit einbezogen.

Das Buch kann für 29,90 € direkt beim Verlag bestellt werden: Web-Shop des Arndt-Verlags