Ein neuer Partner für einen einsamen Wellensittich

Wenn ein einsamer Wellensittich einen neuen Partner bekommen soll, stellen sich viele Fragen.
Wenn ein einsamer Wellensittich einen neuen Partner bekommen soll, stellen sich viele Fragen.

Aus unterschiedlichen Gründen kann ein Vogelhalter plötzlich vor der Situation stehen, einen neuen Partner für seinen allein lebenden und wahrscheinlich sehr einsamen Wellensittich anschaffen zu wollen. Da vielerorts Wellensittiche zum Verkauf oder zur Vermittlung stehen, liegt die Schwierigkeit meist nicht darin, einen neuen Vogel zu beschaffen. Viel mehr stellen sich dem Vogelhalter die Fragen, ob er sein Tier besser mit einem Männchen oder mit einem Weibchen vergesellschaften soll und wie alt der neue Vogel am besten sein sollte. Kurz gesagt, sind pauschale Antworten auf beide Fragen nicht möglich. Jeder Fall sollte individuell betrachtet werden. Erfahrungsgemäß treten jedoch oftmals bestimmte Grundvoraussetzungen besonders häufig auf, die im Folgenden beschrieben werden und für die jeweils eine Empfehlung in Sachen Partnerwahl gegeben wird. Dabei werden verschiedene Fallbeispiele betrachtet.

Ein Wellensittich, der bisher in Gesellschaft gehalten wurde, ist plötzlich allein und soll einen neuen Partner bekommen

Einem geschlechtsreifen Wellensittich gesellt man am besten einen ebenfalls erwachsenen Artgenossen des anderen Geschlechts hinzu.
Einem geschlechtsreifen Wellensittich gesellt man am besten einen ebenfalls erwachsenen Artgenossen des anderen Geschlechts hinzu.

Meist ist es so, dass der plötzliche Tod des bisherigen Partners den Vogel allein übrig bleiben lässt. Bei der Vergesellschaftung mit einem neuen Vogel sollte man darauf achten, dass der gefiederte Neuzugang in etwa so alt wie der andere Vogel ist. Das kann bedeuten, dass nach einem bereits einige Jahre alten Vogel gesucht werden sollte. Der neue Partner für einen älteren Vogel sollte jedoch mindestens selbst geschlechtsreif sein. Ältere Vögel finden sich beispielsweise im Tierheim. Über Tageszeitungs-Annoncen oder Anzeigen im Internet beziehungsweise in Vermittlungsforen sowie in Facebook-Gruppen werden häufig ältere Vögel angeboten, die meist umständehalber weggegeben werden müssen.

Ein Männchen neu zu vergesellschaften, gestaltet sich in den meisten Fällen als sehr einfach. Da Männchen sich in aller Regel auch mit gleichgeschlechtlichen Partnern sehr gut vertragen, ist es möglich, ein zweites Männchen dazu zu holen. Besser wäre es aber, dem einsamen Männchen ein Weibchen als neue Partnerin zu gönnen. Wer bisher zwei Männchen gehalten hat und beim Kauf eines Weibchens eine ungewollte Familiengründung fürchtet, dem dürften die Informationen aus dem Kapitel über die Familienplanung bei Wellensittichen helfen. Es ist wirklich einfach, eine Kükenschar gar nicht erst entstehen zu lassen. Deshalb sollte dem Halten eines echten Wellensittichpaares an sich nichts im Wege stehen, zumal eine gemischtgeschlechtliche Paarhaltung ist immer die beste Alternative ist.

Soll ein einsames Weibchen vergesellschaftet werden, so ist es normalerweise nicht sinnvoll, ein zweites Weibchen dazu zu holen. In den meisten Fällen vertragen sich zwei Weibchen nicht besonders gut miteinander und gehen allenfalls „Zweckkäfiggemeinschaften“ ein. Es existieren zwar Ausnahmen von dieser Regel. Aber man sollte es nicht darauf ankommen lassen und dem einsamen Weibchen lieber ein Männchen als Partner an die Seite stellen, da dies der arttypischen Lebensgemeinschaft der Wellensittiche in freier Natur entspricht.

Viele Vogelhalter kaufen nach dem Tod eines ihrer Wellensittiche in einer Zoohandlung oder bei einem Züchter ein Jungtier als neuen Partner für den übrig gebliebenen Wellensittich. Oftmals ergeben sich daraus Probleme. Der neue Vogel ist meist noch so jung, dass er erst Monate später die Geschlechtsreife erlangen wird. Während seiner Jugend ist er für den anderen Wellensittich gewissermaßen eher uninteressant, weil nicht geschlechtsreife Tiere nicht richtig „eingeschätzt“ werden können: Sind sie potenzielle Geschlechtspartner für eine neue „Ehe“? Sind sie eher „Kumpel“, weil sie demselben Geschlecht angehören wie der andere Vogel? In sehr vielen Fällen interessiert sich der ältere Vogel nicht für das Jungtier und fühlt sich im schlimmsten Fall durch dessen sehr agiles Verhalten gar gestört. Streit ist deshalb oft an der Tagesordnung und keiner der beiden Vögel ist wirklich zufrieden mit dieser durch den Menschen aufgezwungenen Situation.

Das erwachsene Weibchen (links) weiß nicht so recht, was es von dem erst wenige Wochen alten Männchen halten soll.
Das erwachsene Weibchen (links) weiß nicht so recht, was es von dem erst wenige Wochen alten Männchen halten soll.

Besonders deutlich wird die Lage der Vögel bei einem Gedankenexperiment: Man stelle sich einmal vor, man würde einer 30-jährigen Witwe einen vierjährigen Jungen als neuen Partner an die Seite stellen. Als neuen Partner würde sie das Kind ganz sicher nicht ansehen. Zugegeben, dieses Beispiel ist ein wenig überspitzt formuliert, aber es lässt erahnen, mit welchen Problemen man zu rechnen hat, falls ein älterer Vogel mit einem Jungtier vergesellschaftet wird. Zwar gibt es immer wieder Ausnahmen, in denen die Vergesellschaftung eines noch nicht geschlechtsreifen Wellensittichs mit einem viel älteren Artgenossen problemlos funktioniert. Verlassen sollte man sich darauf aber nicht, denn in aller Regel kommt es bei dieser Art der Vergesellschaftung zunächst monatelang zu Problemen – nämlich genau so lange, bis der junge Wellensittich im Alter von vier bis sechs Monaten die Geschlechtsreife erreicht.

Mit ihren großen Knopfaugen verzaubern uns junge Wellensittiche, aber erwachsene Vögel können mit den jungen Artgenossen zunächst meist wenig anfangen.
Mit ihren großen Knopfaugen verzaubern uns junge Wellensittiche, aber erwachsene Vögel können mit den jungen Artgenossen zunächst meist wenig anfangen.

An dieser Stelle möchte ich es außerdem nicht versäumen, meinem Unmut über die Verkaufspraktiken in vielen deutschen Zoofachgeschäften Luft zu machen. Fragt ein Käufer, ob das Jungtier denn wohl vom älteren Wellensittich akzeptiert werden würde, lautet die Antwort in fast allen Fällen: „Aber ja, da gibt es nie Probleme.“ Das ist aus den oben genannten Gründen schlicht und ergreifend falsch und deshalb verantwortungslos. Entweder wird bewusst vermieden, über die bereits erwähnten Probleme zu sprechen, weil der potenzielle Käufer dann vermutlich kein Jungtier mit nach Hause nehmen würde – und ältere Vögel finden sich in Zoogeschäften selten. Oder aber das Fachpersonal ist in Sachen Vogelverhalten nicht ausreichend informiert und weiß ganz einfach nicht, wie schwierig sich die Vergesellschaftung eines nestjungen Vogels mit einem älteren Wellensittich in der Mehrheit der Fälle gestaltet. Da sich die Käufer aber meist darauf verlassen, fachkundig beraten zu werden, ist dies nicht akzeptabel.

Ein Wellensittich, der bisher nicht in Gesellschaft gehalten wurde, soll nun doch einen Partner bekommen

Am besten funktioniert die Vergesellschaftung, wenn keiner der Vögel auf den Menschen fehlgeprägt ist.
Am besten funktioniert die Vergesellschaftung, wenn keiner der Vögel auf den Menschen fehlgeprägt ist.

Hierbei hängt die richtige Vorgehensweise sehr stark davon ab, wie lange der einsame Vogel bisher einzeln gehalten wurde. Handelt es sich um ein relativ junges Tier, das maximal ein Jahr alt ist, ist die Vergesellschaftung in vielen Fällen vergleichsweise leicht, sofern das Tier nicht stark auf den Menschen fehlgeprägt ist. Nach relativ kurzer Zeit wird ein zweiter Wellensittich von den meisten Tieren als Partner akzeptiert. Männchen lassen sich sowohl mit einem zweiten Männchen als auch mit einem Weibchen vergesellschaften, wobei letzteres die bessere Alternative ist, siehe weiter oben. Weibchen sollte man nicht mit einem zweiten Weibchen vergesellschaften, weil sie sich in der Mehrheit der Fälle nicht miteinander anfreunden. Besser wäre es, ihnen ein Männchen als Partner zur Verfügung zu stellen.

Ist der zuvor einzeln gehaltene Vogel extrem stark auf den Menschen fixiert, kann es beim Versuch, ihn mit einem Artgenossen zu vergesellschaften, zu Problemen kommen. Unter Umständen erkennt der Vogel den neu hinzu gekommenen Artgenossen nicht als solchen, weil er zu stark auf den Menschen fehlgeprägt ist und diesen für seinen Sexualpartner hält. Mögliche Reaktionen reichen von Furcht über Aggression gegenüber dem gefiederten Neuzugang bis hin zu völligem Desinteresse. Rechnen Sie also mit allem und seien Sie nicht enttäuscht, wenn sich die Vergesellschaftung als komplizierter erweist, als Sie es zunächst angenommen haben!

Aber sehen Sie nicht völlig schwarz. Die erfolgreiche Vergesellschaftung solcher Wellensittiche ist zwar in aller Regel eher schwierig, aber nicht unmöglich. Einen Versuch ist es immer wert, denn Einzelhaltung ist nicht artgerecht, siehe auch die Rubrik Gegen Einzelhaltung. Geduld ist bei einer solchen Vergesellschaftung das Wichtigste. Außerdem benötigt man viel Feingefühl und oft ist es hilfreich, sich mit anderen Vogelhaltern auszutauschen, um Anregungen und Ideen zu erhalten.

Es kann zudem hilfreich sein, gleich mehrere Vögel als Gesellschaft hinzuzuholen (mindestens drei!). Findet sich unter drei weiteren Vögeln ein Paar zusammen, ist ein Tier noch immer ohne Partner und sicherlich potenziell an dem zu vergesellschaftenden ehemaligen Einzelvogel interessiert. Das Pärchen und der alleinstehende Artgenosse leben dem vierten Tier vor, wie das arttypische Miteinander unter Wellensittichen abläuft. Oft hilft dies dabei, den ehemaligen Einzelvogel dazu zu bringen, Artgenossen als Gefährten zu akzeptieren.