Wellensittiche und Kinder

Mit Futter können Kinder Wellensittiche oft leicht zu sich locken. © Andreas Lischka/Pixabay
Mit Futter können Kinder Wellensittiche oft leicht zu sich locken. © Andreas Lischka/Pixabay

Wellensittiche sind nicht nur hübsch anzusehen, es ist außerdem eine schöne Erfahrung, wenn handzahme Vögel freiwillig auf die Hand ihres Halters hüpfen und sich gegebenenfalls sogar mit dem Finger vorsichtig im Nacken kraulen lassen. Die Wunschvorstellung, derart zutrauliche Vögel zu halten, haben viele Menschen. Zudem würden zahlreiche Vogelliebhaber ihren Kindern gern ermöglichen, positive Erfahrungen mit Heimvögeln zu machen. An sich ist das eine gute Idee, sofern sie korrekt umgesetzt wird.

Bedauerlicherweise unterlaufen aber oft Fehler, worunter die in der Obhut des Menschen gehaltenen Vögel dann leiden müssen – und Wellensittiche trifft dieses Schicksal verglichen mit anderen Vogelarten verhältnismäßig häufig. Woran liegt das? In Deutschland gelten Wellensittiche als „Einsteigervogel“, die leicht zu halten sind. Daraus wird häufig abgeleitet, dass sie deshalb gleichzeitig auch ideal als Haustier für Kinder geeignet sind. Leider ist dies nur bedingt richtig. Was zu beachten ist, wenn Sie Kinder haben und Wellensittiche halten möchten, erfahren Sie in diesem Kapitel.

Laut Empfehlungen von Experten und Psychologen sollten Kinder, denen die Aufsicht über Wellensittiche oder Heimvögel vergleichbarer Größe aufgetragen wird, mindestens zehn Jahre alt sein. Jüngeren Kindern mangelt es in den meisten Fällen an Reife. Viele von ihnen sind nicht dazu in der Lage, die volle Verantwortung für gefiederte Haustiere zu übernehmen. Es würde sie überfordern, für die Pflege von Wellensittichen allein verantwortlich zu sein. Die tägliche Fütterung und die Käfigreinigung sind wichtige Aufgaben, deren konsequente Erfüllung zu viel für den Großteil der Kinder unter zehn Jahren ist. Hier müssen also die Eltern den Löwenanteil der mit der Haltung verbundenen Pflichten übernehmen.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist, dass den allermeisten Vögeln der „Kuschelfaktor“ fehlt. Weil sie die Tiere nicht anfassen können, ohne dass diese beißen oder davonfliegen, werden Vögel für Kinder oft schnell langweilig. Heranwachsende „begreifen“ ihre Umwelt gern im wahrsten Sinne des Wortes, was bei einem Großteil der Vögel nun einmal praktisch nicht möglich ist, da sie nicht gern in die Hand genommen oder gestreichelt werden. Weshalb Vögel nicht gern angefasst werden, kann man den Kindern zwar eventuell erklären. Dennoch empfinden es viele Heranwachsende als erhebliche Einschränkung, dass sie ihre Tiere nicht berühren dürfen.

Viele Kinder lieben es, wenn zahme Wellensittiche auf ihrer Schulter sitzen.
Viele Kinder lieben es, wenn zahme Wellensittiche auf ihrer Schulter sitzen.

Noch schwieriger gestaltet sich der Vogelhalteralltag gemeinsam mit Kindern, die jünger als sechs Jahre sind. Bis etwa zu diesem Alter lernen die Heranwachsenden noch aktiv ihre körperlichen Grenzen kennen. Dazu gehört unter anderem das exakte Dosieren der Muskelkraft. Falls ein kleines Kind bei einem zahmen Vogel zu fest zupackt, kann dies für das Tier tödlich enden! Der Wellensittich einer Freundin verlor bei einer solchen Erkundungsaktion ihres damals zweijährigen Sohnes sämtliche Schwanzfedern, die der Junge zu packen bekam und nicht wieder losließ. Für den Vogel endete dieses Erlebnis vergleichsweise glimpflich, das Sittichweibchen kam mit einer blutenden Wunde davon.

Ich selbst hatte früher als zehnjähriges Mädchen Goldfische, die recht neugierig waren. Ein seinerzeit dreijähriger Verwandter, der zu Besuch war, wurde nur kurz aus den Augen gelassen. Er griff in das Aquarium und wollte die Fische nur streicheln. Einer meiner beiden Schleierschwänze wurde von ihm zerquetscht und ich erinnere mich noch heute mit Grausen an die Wolke aus Blut und Körperteilen in meinem Aquarium. Ein Fisch ist ähnlich klein und handlich wie ein Wellensittich, weshalb eine Kinderhand auch einem so zierlichen Vogel schwerste Verletzungen zufügen könnte.

Das ist für das betroffene Tier ohne Zweifel grauenvoll, aber auch das Kind leidet, wenn es zu einem solchen blutigen oder gar tödlichen Zwischenfall kommt. Ein zu jener Zeit etwa sechs Jahre altes Mädchen aus meinem Bekanntenkreis brachte aus Versehen den eigenen und über alles geliebten Wellensittich um.  Eigentlich wollte die Kleine dem Vogel in einer Notsituation helfen, wandte jedoch erheblich zu viel Kraft an und verletzte ihn dadurch tödlich. Der Vogel hatte sich verfangen und das Kind riss ihm bei dem Befreiungsversuch eine Gliedmaße aus. Innerhalb weniger Minuten verblutete das Tier vor Schmerz laut schreiend in den Händen des Mädchens. Im Anschluss an dieses schreckliche Erlebnis war die Kleine kaum ansprechbar und weinte stundenlang. Noch nach Wochen kamen die traumatischen Erinnerungen bei ihr hoch und sie musste dann plötzlich weinen. Den eigenen Vogel getötet zu haben, und das auf so blutige Weise, lastete schwer auf dem Gewissen des Mädchens.

Um derart tragischen Unfällen vorzubeugen, sollten verantwortungsbewusste Eltern ihren Kindern erst dann den unbeaufsichtigten Kontakt mit Wellensittichen oder vergleichbar kleinen Heimvögeln erlauben, wenn sie dafür tatsächlich reif genug sind, sprich wenn sie ein entsprechendes Alter erreicht haben und ihre Kräfte zu dosieren wissen.

Für größere Vögel wie beispielsweise Graupapageien oder Amazonen gilt, dass von ihnen erhebliche Gefahren für Kinder ausgehen können. Werden diese Vögel von einem Kind zu fest gegriffen, setzen sie sich durch kräftiges Beißen zur Wehr. Es ist in solchen Situationen leider bereits vorgekommen, dass Papageien kleinen Kindern schwere Bisswunden zugefügt oder gar einen Finger abgebissen haben.

Wenn Sie kleine Kinder haben und trotzdem Heimvögel halten möchten, sollten Sie die gefiederten Hausgenossen am besten in einer geräumigen, für die Kinder unzugänglichen Zimmervoliere unterbringen. So können sich keine gefährlichen Situationen ergeben und Ihre Kindern lernen die Verhaltensweisen der Heimvögel trotzdem kennen. Finden Ihre Kinder Gefallen an den Tieren, können sie unter Aufsicht einen direkten Kontakt erlauben und die Heranwachsenden auch in die täglichen Pflegeaufgaben mit einbinden. Ich selbst wurde in ähnlicher Weise in jungen Jahren an Wellensittiche herangeführt und übernahm relativ schnell die Pflege unserer Heimvögel, wobei meine Eltern aber immer alles im Blick hatten, damit nichts schiefgehen konnte.