Merlin, aufgenommen am 24. Dezember ’02, † 18. August ’07

Merlin im Porträt.
Merlin im Porträt.

Als er zu mir gelangte, war der wildfarbene Katharinasittichmann völlig verstört und er reagierte geradezu panisch, wenn sich ihm ein Mensch auf weniger als zwei Meter näherte. Was ihm in der Obhut seines ehemaligen Halters Schreckliches widerfahren war, konnte er mir leider nicht mitteilen. Sein geradezu panisches Verhalten, welches er in der ersten drei Jahren in meinem Vogelzimmer an den Tag legte, sprach jedoch Bände. Es zeugte von viel Leid und Angst. Merlin scheint in der Vergangenheit bedauerlicherweise furchtbare Dinge erlebt zu haben, die ihn und seine damalige Partnerin Nimue gleichermaßen betroffen hatten. So, wie er beispielsweise auf schnell nach oben gehobene Hände reagierte, vermute ich, dass beispielsweise nach ihm geschlagen worden ist. Auch scheint er oft gegen seinen Willen gegriffen und festgehalten worden zu sein, was seine sehr große Angst vor Händen erklären würde. Mit der Zeit lernte er jedoch, dass von mir keine Gefahr ausging. Er wurde zusehends gelassener, wenn ich mich im Vogelzimmer aufhielt. Nach drei Jahren war es so, dass ich mich ihm bis auf wenige Zentimeter nähern konnte. Er blieb ruhig und entspannt, sofern ich mich langsam bewegte und meine Hände nicht in seine Nähe hielt. Das versetzte ihn leider nach wie vor in Angst und Schrecken.

Merlin (rechts) und seine blinde Gefährtin Nimue kurz nach ihrem Einzug in mein Vogelzimmer.
Merlin (rechts) und seine blinde Gefährtin Nimue kurz nach ihrem Einzug in mein Vogelzimmer.

Sein seelisches Leid schrie er seit seinem Einzug buchstäblich aus sich heraus. Er war das, was in der Fachsprache als „Schreier“ bezeichnet wird. Viele Papageienvögel, die traumatische Erlebnisse durchlebt haben, entwickeln typische Verhaltensauffälligkeiten. Eine davon ist permanentes monotones Schreien. Leider legte Merlin dieses Verhalten auch nach seiner Eingewöhnung in meinem Vogelzimmer gelegentlich an den Tag. Bis an sein Lebensende hat er nie ganz damit aufgehört, obwohl er in meiner Obhut ein sorgenfreies Leben in einem kleinen Katharinasittichschwarm hatte führen können. Die seelischen Wunden müssen sehr tief gewesen sein … Wer einmal gehört hat, wie laut Katharinasittiche trotz ihrer vergleichsweise geringen Körpergröße schreien können, der weiß sicher, wie wenig begeistert ich von seinem Gekreische war, wenn er seine „dollen fünf Minuten“ hatte. Noch dazu waren seine Rufe in diesen Phasen besonders schrill. Selbst seine Artgenossen wichen ihm aus, wenn er wieder einmal einen seiner „Kreischanfälle“ bekam. Oft schüttelten sie sich sogar, weil ihnen das Geschrei offenkundig auch nicht behagte.

Ein wenig unschlüssig, was er als nächstes tun sollte, hockte Merlin auf dem Ast.
Ein wenig unschlüssig, was er als nächstes tun sollte, hockte Merlin auf dem Ast.

Aber Merlin wurde glücklicherweise alles in allem sehr viel zugänglicher und ließ später außer mir auch fremde Menschen bis zu einem bestimmten Punkt an sich heran. Besonders spannend schien er es zu finden, wenn ich seine normalen, arttypischen Lautäußerungen nachahmte. Dann schaute er mich mit seinen großen dunklen Augen neugierig an und kam an guten Tagen manchmal sogar aus freien Stücken ein wenig näher.

Es gab jedoch auch viele Tage, an denen ihm meine Anwesenheit schnell unangenehm wurde. Anfangs flog er noch panisch davon, wurde aber mit der Zeit selbstbewusster und behauptete seine Position. Dann drohte er mir, indem er mit dem Schnabel knirschte und dabei mit den Schwanzfedern fächerte. Zwar stimmte es mich traurig, dass ihm Menschen nach wie vor nicht ganz geheuer zu sein schienen. Aber dass er zumindest genügend Mut hatte, mir zu drohen, war an sich ein gutes Zeichen. In unserem Miteinander ließ ich immer Merlin entscheiden, wie nah ich an ihn herankommen durfte und wann es Zeit war, dass ich mich zurückzog. Indem ich auf die Signale achte, die er mir sendete, konnte ich ihm vermitteln, dass ich ihn respektierte und gegebenenfalls auch zurückwich, wenn er es wünschte.

Kopfüber hängend zu duschen, machte Merlin großen Spaß.
Kopfüber hängend zu duschen, machte Merlin großen Spaß.

In Bezug auf den Umgang mit den anderen Vögeln meines Schwarms war aus dem verstörten Federbündel relativ bald ein selbstbewusster, munterer Geselle geworden, der seine Lebensfreude von morgens bis abends auslebte. Er kletterte gern und hing dann oft minutenlang kopfüber von einer Schaukel. Zu duschen, war für ihn mit das Größte. Und wenn es Apfel gab, war er sofort zur Stelle. Anderes Grünfutter mochte er ebenfalls sehr gern. Überhaupt war Merlin ein ausgesprochen unkomplizierter Esser. Was auch immer man ihm anbot, er probierte es und die meisten Snacks schmeckten ihm. Am allerliebsten jedoch verbrachte er seine Zeit mit Kuscheln, wofür häufig seine Artgenossen herhalten mussten. Mitunter ärgerte er auch die Wellensittiche, oder besser gesagt manche von ihnen. Unter den kleinen australischen Sittichen hatte er einige mehr oder minder enge Freunde gefunden. Die waren davor sicher, von Merlin geärgert zu werden.

Katharinasittich Merlin (rechts) und Wellensittich Max verband eine besondere und intensive Freundschaft.Als Merlin gemeinsam mit seiner damaligen Partnerin Nimue ins Vogelzimmer einzog, musste er sich erst einmal langsam an die Freiheit gewöhnen. Er war so viel Platz nicht gewohnt und reagierte darauf anfangs etwas eingeschüchtert. Einige Monate später starb seine Partnerin leider und er war allein unter Wellensittichen. Das gefiel weder ihm noch mir. Zwar hatte er sich schon vor Nimues Tod sehr eng mit dem Wellensittichmännchen Max angefreundet. Aber ich merkte, dass ihm etwas im Leben fehlte und wollte deshalb unbedingt eine neue Frau für Merlin finden.

Zu ihren Lebzeiten waren Bianca (links) und Merlin ein echtes Traumpaar.
Zu ihren Lebzeiten waren Bianca (links) und Merlin ein echtes Traumpaar.

Einen Katharinasittich aufzutreiben, der wie er ein Abgabevogel aus dem Tierschutz sein sollte, war damals jedoch ausgesprochen schwierig – diese Vögel fanden sich noch nicht allzu häufig in der Privathaltung. Obwohl ich alle Hebel in Bewegung setzte, fand ich keine Partnerin für ihn. Aber dann kam mir die zündende Idee: Ich habe eine Kontaktanzeige für den Vogelmann verfasst und im Internet veröffentlicht, darunter in verschiedenen Foren. Sie brachte letztlich den lang ersehnten Erfolg – wenn auch mit tatkräftiger Unterstützung einiger lieber Leute aus dem damals noch existierenden Forum von Katharinasittiche.de. Diesen lieben Menschen habe ich es zu verdanken, dass Anfang Februar 2004 die zauberhafte Bianca bei uns einzog. Sehr schnell wurde sie Merlins Gefährtin – ausgiebiges Kuscheln inklusive. Einige Zeit später zogen dann noch Costa und Rica ins Vogelzimmer ein, mit denen sich Merlin ebenfalls blendend verstand.

Die Katharinasittiche Bianca (li.) und Merlin (re.) kraulen ihren Freund Max.
Die Katharinasittiche Bianca (li.) und Merlin (re.) kraulen ihren Freund Max.

Gemeinsam mit seinen drei Artgenossen belagerte Merlin seinen nach wie vor treuen Freund Max. Die Vögel kraulten einander sehr häufig und ich wunderte mich immer wieder aufs Neue darüber, wie sehr der Wellensittich in das Sozialgefüge der Katharinasittiche integriert wurde. Das Ganze geschah auf völlig freiwilliger Basis, denn jede der beiden Vogelarten war umgeben von mehreren Artgenossen. Vor allem Merlin, Bianca und Max schmusten sehr ausdauernd miteinander, weshalb ich die drei Vögel oft scherzhaft meine „Kuschelkommune“ nannte. In Heft 05/2006 des WP-Magazins habe ich einen Artikel veröffentlicht, der von den drei ungleichen Freunden erzählt („Eine wunderbare Freundschaft: Drei schräge Vögel“). Leider starb Max im Herbst 2006 und ließ seinen traurigen Freund Merlin zurück. Glücklicherweise war er mit den anderen Katharinasittichen eng befreundet, wie es für diese Vogelart üblich ist. Die arteigenen Gefährten gaben ihm Halt und Trost, als er diese Zuwendung besonders nötig hatte.

Infolge einer Mycoplasmen-Infektion hatte Merlin leider massive Atembeschwerden.
Infolge einer Mycoplasmen-Infektion hatte Merlin leider massive Atembeschwerden.

Im Sommer 2007 erkrankte Merlin sehr schwer. Bereits im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Mein Tierarzt, der auf die Behandlung von Vögeln spezialisiert ist, stellte Merlin regelrecht auf den Kopf und tippte zunächst auf eine Aspergillose als Auslöser für die gelegentlichen Atemprobleme. Diese nahmen Mitte 2007 so extreme Ausmaße an, dass Merlin erneut sehr umfangreich untersucht wurde. Mykoplasmen wurden dabei letztlich als Auslöser für seine Atemnot dingfest gemacht und wir starteten mehrere Therapieversuche. Leider scheiterten sie alle, weshalb ich Merlin am 18.08.2007 schweren Herzens gehen lassen musste, weil er kaum noch atmen konnte. Obwohl er mich nie wirklich gemocht hat, habe ich dieses kleine Energiebündel umso mehr geliebt – für das, was er war und bei mir sein durfte: ein fröhlicher Katharinasittich. Danke für die schöne gemeinsame Zeit, lieber Merlin.

Mit Merlin saß Rica (links) gern auf einer der Schaukeln der Wellensittiche.
Mit Merlin saß Rica (links) gern auf einer der Schaukeln der Wellensittiche.
Merlin hatte sehr breite dunkle Schulterflecken.
Merlin hatte sehr breite dunkle Schulterflecken.
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