Aditi, adoptiert am 6. Januar ’09, † 29. November ’10

Aditi war immer freundlich und sanftmütig
Aditi war immer freundlich und sanftmütig

Anfang Dezember 2008 ging eine Geschichte durch die deutschen Medien, die nicht nur Tierschützer schockierte: In Berlin halte ein Mann in seiner rund 60 Quadratmeter großen Wohnung circa 500 Wellensittiche, hieß es in den ersten Berichten. Videos waren in den diversen Nachrichten-Sendungen zu sehen, die das Chaos zeigten. Damals ahnte noch niemand, wie groß das Ausmaß der Sammelleidenschaft des Mannes tatsächlich war. Doch schon nachdem ich diese ersten Berichte im Internet gelesen und die dazugehörigen Videos betrachtet hatte, war mir klar, dass sich unter den Vögeln gehandicapte Tiere befinden würden. Deshalb sagte ich dem Verein der Wellensittich-Freunde Deutschland e. V. (VWFD), den es damals noch gab und der sich bei den entsprechenden Stellen in der Hauptstadt gleich als Helfer bei der Rettungs- und Vermittlungsaktion angeboten hatte, ich würde zwei Vögel mit Behinderung aufnehmen.

Neben dem Berliner Veterinäramt waren somit bald auch Tierschützer unter anderem aus den Reihen des VWFD involviert, um die Vögel aus der Wohnung zu holen. Die Tiere wurden einige Tage nach dem Bekanntwerden des Falls von dort abtransportiert. In unzähligen Käfigen kamen die geretteten Vögel zunächst zum überwiegenden Teil im Berliner Tierheim unter. Bei der Fangaktion stellte sich allerdings heraus, dass es sich keineswegs „nur“ um 500 Tiere handelte. Der Mann hatte mit etwas mehr als 1.700 Wellensittichen und Nymphensittichen zusammengelebt (siehe Video auf Spiegel.de), wobei Letztere nur in kleiner Zahl unter den Tieren waren.

Aditis rechtes Nasenloch war infolge einer Verletzung vergrößert
Aditis rechtes Nasenloch war infolge einer Verletzung vergrößert

Einige Wellensittiche waren schwer gehandicapt oder gar verletzt. Deshalb gelangten sie in die Obhut einer freiwilligen Helferin, die seit vielen Jahren Erfahrung in der Pflege heikler gefiederter Patienten hat. Diese Pflegerin ist mir seit einiger Zeit durch meine Aktivitäten in der Wildvogelhilfe bekannt, die Welt der Vogelpäppler ist eben doch recht überschaubar. Über den VWFD erfuhr ich, dass sie die schlimmen Fälle pflegte und ich nahm sofort Kontakt zu ihr auf, um mehr über „meine“ Vögel herauszufinden. Sie erzählte mir von Aditi und der jungen Chandra und ich fieberte mit, während sie die Tiere gegen Trichomonaden behandelte und generell medizinisch versorgte. Und Aditi hatte Pflege dringend nötig, denn sie hatte schlimme Wunden am Kopf. Was ihr zugestoßen war, wusste niemand und sie selbst konnte nur stumm leiden unter den Schmerzen, die die Verletzungen mit sich brachten. Ihr Kopf wies eine riesige Wunde auf, außerdem waren Schnabel und Wachshaut verletzt. Doch durch die gute Pflege der Vogelfreundin heilten die Wunden zum Glück rasch und komplikationslos ab.

Am 6. Januar 2009 war es dann endlich so weit und meine Vögel wurden für die Vermittlung freigegeben. Weil sich Aditi in der Zwischenzeit in einen gehandicapten Vogel verliebt hatte, der später den Namen Ravi erhielt, und ich das frisch verliebte Paar nicht trennen wollte, traten drei statt zwei Vögel die Reise von Berlin zu mir nach Düsseldorf an, wo ich damals wohnte. Sie wurden von einem Herrn mitgenommen, der per Mitfahrzentrale gefunden worden war. Das letzte Stück der Strecke absolvierten die Wellensittiche im Auto des VWFD-Mitglieds Nicole. Sie war es, die die gefiederte Fracht an jenem bitterkalten Dienstagabend zu mir brachte, wofür ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei ihr bedanken möchte.

Wochen nach dem Angriff durch einen Artgenossen war Aditi noch immer schwer gezeichnet
Wochen nach dem Angriff durch einen Artgenossen war Aditi noch immer schwer gezeichnet

Bis zu jenem Abend hatte ich von meinen drei Vögeln nur Ravi auf einem Foto gesehen, und das war sehr klein, wodurch mir kaum Details bekannt waren. Über Aditi wusste ich bis dahin nur, dass sie eine schwere Kopfverletzung erlitten hatte und dass sie möglicherweise auf ihrem rechten Auge blind sein könnte – was sich zum Glück nicht als wahr herausgestellte. Zwar war sie sehbehindert, aber nicht vollständig blind. Weil ich die Vögel noch nicht gesehen hatte, war ich entsprechend aufgeregt, als ich gemeinsam mit Nicole die dicke wärmende Decke entfernte, die den Transportkäfig umgab. Endlich waren die drei Neuzugänge in ihrem neuen Zuhause angekommen und es ging ihnen gut, sie hatten die lange Fahrt bestens überstanden. Während die beiden anderen Vögel recht neugierig dreinblickten, wirkte Aditi zunächst verstört und verängstigt. Sie tat mir sehr leid, denn offenkundig fürchtete sie sich vor der neuen Umgebung. Glücklicherweise legte sich das schnell.

Weil sie bereits eine Quarantäne durchlaufen hatten und von einer fachkundigen Vogel-Tierärztin behandelt worden waren, durften die drei neuen Wellensittiche gleich am nächsten Morgen zu meinen Vögeln ziehen. Sofort zeigte Aditi, zu welchen Flugkünsten sie in der Lage war. Sie konnte perfekt manövrieren, auch auf engstem Raum. In der überfüllten Berliner Wohnung hatte sie dies vermutlich ständig tun müssen und beherrschte diese Kunst deshalb so gut. Doch noch immer war zu sehen, wie schlimm sie einige Wochen zuvor verletzt worden war. Die Verteilung der Wunden an ihrem Kopf war dafür typisch dafür, dass Aditi von einem anderen Vogel angegriffen worden ist. Vielleicht hat sie sich einer brütenden Artgenossin versehentlich zu weit genähert und ist daraufhin mit einer Beißattacke in die Flucht geschlagen worden.

Aditi und ihr Kumpel Ravi
Aditi und ihr Kumpel Ravi

Für die Männerwelt hat sich die ruhige und ein wenig schüchterne Wellensittichdame zeitlebens nicht besonders interessiert. Seit ihrem Einzug war sie eng mit der ebenfalls aus Berlin stammenden Chandra befreundet, mit der sie häufig kuschelte. Glücklicherweise war Aditi, deren Farbschlag sich Opalin in hellgrün nennt, nicht eifersüchtig, denn Chandra pflegte außerdem eine intensive Freundschaft mit dem Katharinasittich-Weibchen Kimmy und flirtete oft mit anderen Wellensittichen. Ravi, mit dem Aditi in Berlin geflirtet hatte, war hier nie mehr als ein guter Freund für sie.

Ende November 2010 fiel mir auf, dass Aditi sehr schwer atmete. Schnellstmöglich brachte ich sie zum Tierarzt, um sie untersuchen zu lassen, damit wir die Ursache für die Atemprobleme feststellen würden. Doch Aditi überlebte die Untersuchung leider nicht. Es geschah das, wovor sich so viele Vogelhalter fürchten: Die sehr seltene Komplikation eines Schocks trat ein, Aditi krampfte unmittelbar nach der Untersuchung und starb innerhalb weniger Sekunden. Ich war völlig entsetzt, hatte ich ihr doch helfen wollen. Ihr Herz-Kreislaufsystem muss sehr schwach gewesen sein, sonst wäre ihr Ende nicht so schnell gekommen. Wer weiß, was sie in Berlin bereits durchgemacht hatte und welche Vorschädigungen des Körpers in ihr versteckt gewesen sind. Gern hätte ich ihr geholfen, aber das Schicksal hatte offenkundig andere Pläne für die zauberhafte Vogeldame, die ich sehr vermisse.

Bedeutung des Namens

Mir haben es schon immer astronomische Namen angetan, also die Namen von Planeten und Monden des Sonnensystems; auch Sternnamen finde ich sehr schön. Da ich aber inzwischen schon viele gängige Namen an Vögel vergeben habe, musste ich den Horizont erweitern und ich bin beim indischen Kulturkreis gelandet. Dort ist Aditi in der Hindu-Mythologie die Mutter der Himmelsgötter und die Personifizierung des Unendlichen. Außerdem ist Aditi die Tagesgottheit. Nach dieser Göttin benannte ich meinen Wellensittich.