Eule †

Eule, adoptiert am 16. August ’02, † 8. November ’02

Mitte August 2002 bat mich eine Vogelhalterin um Hilfe. Bereits seit vielen Jahren war sie begeistert von ihren Wellensittichen gewesen, aber einige Monate zuvor war ihre junge Tochter an schwerem Asthma erkrankt, das leider nachweislich durch die beiden Vögel verursacht worden war. Da es der Tochter immer schlechter ging, mussten die Vögel aus dem Haus, obwohl es der Vogelfreundin schwerfiel, ihr hübsches Wellensittichpärchen wegzugeben. Die mindestens neun Jahre alte Eule war noch dazu ein echter Problemvogel, den die vorherige Halterin in besten Händen wissen wollte, denn Eule war nahezu vollständig blind. Mich schreckte dieser Umstand nicht, da ich schon damals über eine langjährige Erfahrung mit gehandicapten Sittichen verfügte und mit den speziellen Anforderungen an ihre Unterbringung vertraut war. Am 16. August 2002 zog Eule gemeinsam mit ihrem damaligen Partner Max in mein Vogelzimmer ein.

Direkt nach ihrer Ankunft in meinem Vogelzimmer ließ ich Eule erst einmal in Ruhe, damit sie sich ein wenig orientieren konnte. Am nächsten Morgen zeigte ich ihr die Stellen, an denen ich meinen Vögeln stets ihre heiß geliebte Frischkost servierte. Möglich war das, weil sie Menschen gegenüber großes Vertrauen hatte und zutraulich war. Zwar war sie noch keine 24 Stunden im Vogelzimmer, aber Eule ließ sich nicht lange bitten und schlug sich am „Büffet“ mit Möhre, Paprika und Salatgurke kräftig den Bauch voll. Danach standen Keimfutter und Apfel auf dem Speiseplan – die Dame war offenkundig keine Kostverächterin und mochte es gerne saftig und frisch. Es freute mich sehr, dass sie die Futterplätze so schnell für sich entdeckte. Trotz ihrer Behinderung war sie ein lebensfroher Vogel, und wie jedes Wellensittichweibchen wusste sie sehr genau, was sie wollte.

Es dauerte nicht einmal drei Tage, bis sich Eule von Max abwandte, weil sie sich in den charmanten Rudi verliebt hatte. Dieser war seinerzeit allerdings bereits mit zwei (!) weiteren Vogeldamen liiert. Gegen Eules Charme-Offensive war er machtlos und er verlor sein Herz ebenso rasch an sie wie sie das ihre an ihn. Nach kurzer Zeit war alles geklärt und wich er ihr nicht mehr von der Seite, die beiden anderen „Mädels“ waren vergessen. Rudi war kaum wiederzuerkennen: Aus dem einstmals bei jeder Gelegenheit mit einem anderen Weibchen flirtenden Vogelmann war ein fürsorglicher, treuer Ehemann geworden – zumindest vorübergehend. In Eule hatte Rudi offenbar seine echte Traumfrau gefunden.

Leider wurde Eule bereits im September 2002 schwer krank, also relativ kurz, nachdem sie bei mir eingezogen war. Ich suchte einen auf die Behandlung von Vögeln spezialisierten Tierarzt mit ihr auf, aber auch er konnte ihr nicht helfen, denn sie litt an einem inoperablen Eierstocktumor. Nachdem ihre Krankheit über einen Zeitraum von einigen Wochen nicht schlimmer geworden war, weil der Tumor sein Wachstum vorübergehend eingestellt hatte, verschlechterte sich ihr Zustand Anfang November binnen weniger Stunden dramatisch. Schweren Herzens entschied ich mich gemeinsam mit meinem Tierarzt dazu, sie einschläfern zu lassen. Am 8. November 2002 wurde der arme Rudi also Witwer. Obwohl Eule nicht lange bei mir gelebt hatte, hatte ich sie in mein Herz geschlossen und ich vermisse die blinde Wellensittichdame sehr.

Bedauerlicherweise weiß ich nicht ganz genau, wie alt Eule gewesen ist, als sie starb. Bevor sie zu mir gekommen ist, hatte sie bereits etliche Jahre bei ihrer früheren Halterin gelebt, die den Vogel einst auf draußen auf einer Straße gefunden hatte. Eule war ein Grauflügel in hellem Mauve, sie hatte demnach einen hellvioletten Körper, weshalb sie wohl auch als zarter „Milkasittich“ hätte durchgehen können.