1. >>
  2. Birds Online
  3. >>
  4. Verhalten
  5. >>
  6. Gleichgeschlechtliche Paare und Freundschaften

Gleichgeschlechtliche Paare und Freundschaften

Hinweis
Die in diesem Beitrag beschriebenen Verhaltensweisen beziehen sich auf die Paarhaltung und gelten für sehr viele Vogelarten, darunter Wellensittiche, Nymphensittiche und Katharinasittiche. Jedoch gibt es auch Arten wie beispielsweise manche Ziertäubchen oder Finkenvögel, deren Verhalten anders ist. Erkundigen Sie sich deshalb bitte im Einzelfall bei einer erfahrenen Person, was für die von Ihnen gehaltene Vogelart gilt.

Besonders für diejenigen Vogelhalter, die zwar mit Tieren zusammenleben, aber nicht züchten möchten, stellt sich die Frage, ob sich auch gleichgeschlechtliche Individuen miteinander vertragen und sich vielleicht sogar eng miteinander anfreunden. Pauschal lässt sich dies nicht beantworten, es kommt darauf an, welche Vogelart gehalten wird und welches Geschlecht die Tiere haben. Im Folgenden werden einige grundsätzliche Aspekte dargestellt.

Beziehungen zwischen zwei Männchen

Zwei beste Freunde – diese Wellensittichmännchen sind einander sehr zugetan.
Zwei beste Freunde – diese Wellensittichmännchen sind einander sehr zugetan.

Bei vielen Vogelarten ist es so, dass sich zwei Männchen in der Paarhaltung normalerweise blendend miteinander verstehen, sofern sich die beiden Individuen grundsätzlich sympathisch sind. Zum Beispiel ist bei Wellensittichen häufig zu beobachten, dass zwei Männchen eine innige Freundschaft eingehen. Sie füttern sich gegebenenfalls sogar gegenseitig und oft kraulen sie einander das Köpfchen.

Dass sich zwei Männchen derart eng miteinander anfreunden, wenn sie nur zu zweit gehalten werden, sollte jedoch nicht mit Homosexualität verwechselt werden, also einer Bevorzugung des eigenen Geschlechts und völliges Desinteresse am Gegengeschlecht. Wenn keine Weibchen zur Auswahl stehen, gehen die Männchen oft eine „Zweckbeziehung“ ein. Außerdem ist es in freier Natur ebenfalls so, dass die Männchen außerhalb der Brutsaison eher Freundschaften untereinander pflegen und keine Paarbeziehungen mit Weibchen pflegen.

Das heißt, gleichgeschlechtliche Freundschaften unter männlichen Wellensittichen sind völlig normal. Zudem ist bei Vögeln bereits mehrfach beobachtet worden, dass zwei Männchen miteinander Nachwuchs großziehen wollten – und damit sogar erfolgreich waren. In mehreren zoologischen Einrichtungen, darunter in Australien und Deutschland, gibt es beispielsweise schwule Pinguine, die Junge großgezogen haben, siehe Beitrag in der WELT.

Wellensittichmännchen balzen einander oft intensiv an, wenn sie miteinander befreundet sind.
Wellensittichmännchen balzen einander oft intensiv an, wenn sie miteinander befreundet sind.

Werden Wellensittiche in einem gemischtgeschlechtlichen Schwarm gehalten (mehr als zwei Individuen), kann es geschehen, dass sich trotzdem zwei Männchen als Paar zusammenfinden. Dies kann entweder daran liegen, dass sie generell beide eher eine Vorliebe für Individuen ihres Geschlechts haben, oder aber die weiblichen Schwarmmitglieder sind ihnen nicht ausreichend sympathisch, um mit ihnen eine Beziehung einzugehen. Vögel können sehr wählerisch sein und anstatt sich mit dem „falschen“ Weibchen zu verpaaren, bevorzugen manche Männchen eine Beziehung zu einem ihnen sympathischen Männchen.

Beziehungen zwischen zwei Weibchen

Diese beiden Diamanttaubenweibchen sind eng befreundet und kuscheln sich in einem Nest aneinander.
Diese beiden Diamanttaubenweibchen sind eng befreundet und kuscheln sich in einem Nest aneinander.

In Bezug auf Vogelweibchen verhält es sich meist ein wenig anders als bei den Männchen. Für die meisten Vogelarten gilt, dass die Männchen aktiv um eine Partnerin werben, sofern sie ihnen gefällt. Die Weibchen nehmen somit eine eher passive Rolle ein. Werden zwei Weibchen in einer Paarhaltung miteinander vergesellschaftet, so ist es beispielsweise bei Wellensittichen häufig so, dass die Damen beide darauf warten, vom jeweils anderen Vogel umworben zu werden. Keines der Tiere macht den ersten Schritt, bei beiden wächst die Frustration und letztlich kann es dann zu Streitigkeiten kommen, obwohl sich die Tiere anfangs durchaus sympathisch fanden. Anders verhält es sich bei vielen Finkenvögeln und Ziertäubchen. Es dauert oft nicht lang, bis sich die Weibchen zusammentun und eine Freundschaft eingehen.

Je nach Temperament der Weibchen kann es aber durchaus auch sein, dass beide eher zänkisch sind und einander ständig davonjagen. Dann wird um den beliebtesten Schlafplatz ebenso gestritten wie um das Futter. Dann sind Beziehungen zwischen zwei Weibchen alles andere als harmonisch.

Auch bei Vogelweibchen kann es zu engen Freundschaften mit Artgenossinnen kommen.
Auch bei Vogelweibchen kann es zu engen Freundschaften mit Artgenossinnen kommen.

Jedoch gibt es auch gänzlich andere Fälle. So lässt sich zum Beispiel bei Wellensittichen mitunter beobachten, dass zwei Weibchen in Paarhaltung ihre anfänglichen Kommunikationshürden überwinden und sehr enge Freundinnen werden. Füttern und gegenseitiges Kraulen gehört für sie dann zum Alltag. Gelegentlich freunden sich auch Sittichweibchen in Kleinschwärmen miteinander an, obwohl es potenzielle männliche Partner gibt. Entweder werden diese nicht als passend empfunden oder aber die Weibchen haben gar jeweils einen festen Partner und pflegen trotzdem zusätzlich eine innige Freundschaft mit einer Schwarmgefährtin.

In freier Natur gibt es mehrere dokumentierte Fälle lesbischer Vogelbeziehungen, die allerdings teils offenbar aus der jeweiligen Lebenssituation heraus entstanden sind. Auf Hawaii gibt es beispielsweise eine Albatros-Brutkolonie, in der massiver Männermangel besteht. Immer wieder werden dort Weibchenpaare beobachtet, die gemeinsam brüten. Allem Anschein nach lassen sie sich von einem Männchen begatten, gehen dann aber eine Beziehung mit einem Weibchen ein und kümmern sich gemeinsam um den Nachwuchs, siehe auch Beitrag in der WELT.

Lesetipp zum Thema

In der Zeitschrift WP-Magazin aus dem Arndt-Verlag habe ich vor einiger Zeit einen Artikel über das Sozialverhalten und die Partnerwahl der Wellensittiche veröffentlicht: den Beitrag als PDF-Dokument lesen.