Küken ohne Augen

Bei diesem drei Tage alten Lutino-Wellensittich sind die Augen durch die geschlossenen Lider kaum zu erkennen, doch das Küken wurde sehr wohl mit intakten Augen geboren
Bei diesem drei Tage alten Lutino-Wellensittich sind die Augen durch die geschlossenen Lider kaum zu erkennen, doch das Küken wurde sehr wohl mit intakten Augen geboren

Vor allem unerfahrene Züchter, die noch nicht viele junge Vögel gesehen haben, erschrecken sehr, wenn sie im Nest frisch geschlüpfte Jungtiere vorfinden, die allem Anschein nach keine Augen haben. Leider reagieren manche Züchter in einem solchen Fall völlig überzogen und töten solche Tiere sofort, weil sie glauben, dass diese Vögel nie überlebensfähig sein können, wo sie doch vermeintlich blind zur Welt gekommen sind. Dieses vorschnelle Handeln ist in verschiedener Hinsicht falsch.

Einerseits ist es verboten, als Züchter und Nicht-Tiermediziner selbst junge Wellensittiche zu töten. Lediglich Tierärzte dürfen Wirbeltiere töten, und das auch nur aus ethisch vertretbaren Gründen. Andererseits ist das Vorgehen in der Mehrheit der Fälle völlig unbegründet. Denn glücklicherweise schlüpfen die allermeisten Jungvögel mit zwei intakten und vollständig entwickelten Augen. Bei manchen jungen Wellensittichen sind sie aber farblich dermaßen unauffällig, dass der Eindruck entstehen kann, sie wären nicht vorhanden. Doch wie kann das sein?

Drei junge Wellensittiche verschiedener Farbschläge mit unterschiedlich gefärbten Augen: Ino (rote Augen), Zimter (violette Augen) und normal (schwarze Augen)
Drei junge Wellensittiche verschiedener Farbschläge mit unterschiedlich gefärbten Augen: Ino (rote Augen), Zimter (violette Augen) und normal (schwarze Augen)

Die Augen dieser Vögel enthalten keine oder nur wenige dunkle Farbpigmente und haben deshalb unter den geschlossenen Augenlidern keine hervorstehende Farbe. Alles sieht gleichermaßen rosig-hautfarben aus. Dieses Phänomen ist bei jungen Vögeln bestimmter Farbschläge zu beobachten. Bei den Wellensittichen sind dies Inos, also Albinos oder Lutinos, sowie manche Falben und Lacewings. Bei Zimtern, also einem weiteren Wellensittich-Farbschlag, sind die dunklen Pigmente ausgedünnt und die noch geschlossenen Augen heben sich farblich nur ein wenig vom Körper ab. Sie sehen eher violett als schwarz aus. Ähnlich verhält es sich bei einigen anderen Vogelarten. Bei Katharinasittichen sind es beispielsweise Creminos, bei denen die Augen anfangs farblich kaum zu erkennen sind.

Zusammengefasst lässt sich demnach sagen: Vögeln, die den genannten Farbschlägen angehören, fehlen die dunklen Farbpigmente nicht nur im Gefieder, sondern auch in den Augen, weshalb sie rötlich oder violett gefärbt sind, sobald die Lider geöffnet sind. Dies ist bei sehr jungen Nestlingen noch anders, weil die Lider fest geschlossen sind. Betrachtet man den Kopf eines so jungen Kükens von vorn oder von oben, sind die Augäpfel als Wölbungen seitlich am Kopf zu sehen. Nur wenn diese Wölbungen bei einem Jungvogel fehlen, könnte er tatsächlich ohne Augen geboren worden sein, was jedoch extrem selten vorkommt.

Entwicklung eines jungen Lutino-Wellensittichs

Wie die Augen eines Lutinos, also eines Wellensittichs mit rein gelbem Gefieder und roten Augen, im Laufe der Entwicklung des jungen Vogels bis zu einem Alter von 15 Tagen aussehen, verdeutlicht die folgende Fotoserie:

Titelbild dieser Seite © Petra Schröder