Legenot erkennen

Dieser Bourkesittich nestelt am Gefieder, weil der Bauch wegen einer Legenot schmerzt
Dieser Bourkesittich nestelt am Gefieder, weil der Bauch wegen einer Legenot schmerzt

Unter dem Begriff Legenot versteht man Probleme bei der Eiablage. Das heißt, das Vogelweibchen gerät beim Legen in Not. In den meisten Fällen ist eine Legenot darauf zurückzuführen, dass das Ei im Körperinneren feststeckt und vom Vogelweibchen nur unter größter Anstrengung gelegt werden kann. Mitunter kommt es sogar vor, dass die Tiere die Eier gar nicht aus eigener Kraft legen können, was dann häufig mit dem Tode endet. Eine weitere Komplikation, die sich mitunter aus einer Legenot entwickelt, ist ein Legedarm- oder Kloakenvorfall. Hierbei rutscht der Legedarm mit dem daran haftenden Ei aus dem Körper, was für den betroffenen Vogel Lebensgefahr bedeutet.

Um eine Legenot so früh wie möglich zu erkennen, ist es wichtig, die Hintergründe dieser gesundheitlichen Komplikation genau zu verstehen. Vor allem Züchter sollten deshalb über das nötige Grundwissen über die Legenot verfügen. Allerdings kann sie ebenso bei Nicht-Züchtern auftreten, denn kein Vogelweibchen, das Eier legt, ist davor sicher.

Welche Vogelweibchen können eine Legenot erleiden?

Dieses Wellensittichweibchen leidet an einer Legenot und atmet schwer
Dieses Wellensittichweibchen leidet an einer Legenot und atmet schwer

Sowohl alte als auch junge beziehungsweise unerfahrene oder in Bezug auf das Eierlegen routinierte Weibchen sind potenziell in Gefahr. Jedoch ist das Risiko unter bestimmten Umständen höher. Einige typische Risikofaktoren sind:

  • vorhandene Grunderkrankungen, die zu einer allgemeinen Schwächung führen
  • vorherige Verausgabung durch das Legen zu vieler Eier
  • hohes Alter (bei Wellensittichen ist hiermit ein Alter von etwa acht Jahren und mehr gemeint)
  • starkes Übergewicht
  • unausgewogene, nicht ausreichend nährstoffhaltige Ernährung im Vorfeld der Brutperiode.

Bevor Wellensittiche zur Zucht eingesetzt werden, empfiehlt es sich deshalb, sicherheitshalber einen vogelkundigen Tierarzt aufzusuchen und die Zuchttiere durchchecken zu lassen. Eventuell vorhandene und bis dahin unentdeckte gesundheitliche Probleme werden bei einer solchen Untersuchung häufig aufgedeckt. Können sie nicht behandelt werden, wird der Tierarzt höchstwahrscheinlich empfehlen, mit den betroffenen Vögeln (vorerst) nicht zu züchten.

Indem man die Vögel untersuchen lässt, kann man manche Risikofaktoren somit im Vorfeld erkennen und möglicherweise beheben. Dennoch kann es trotzdem später zu einer Legenot kommen – in manchen Fällen tritt sie sogar bei Vögeln auf, die als kerngesund gelten. Ein gewisses Restrisiko besteht somit immer. Umso wachsamer sollten Züchter sein, wenn die Eiablage bei den Weibchen bevorsteht. Falls sich Anzeichen einer Legenot beobachten lassen, ist umgehend ein fachkundiger Tierarzt aufzusuchen.

Worin äußert sich eine Legenot?

Ein Vogel, der unter einer Legenot leidet, sitzt im Anfangsstadium meist schwer atmend, mit aufgeplustertem Gefieder und breitbeinig da. Meist verweigert das Tier die Nahrungsaufnahme und lässt sich auch nicht vom Partner füttern. Innerhalb von Stunden wird der Vogel zusehends schwächer, weil er das Ei auch durch starkes Pressen nicht aus dem Legedarm bringen. Dieses wiederholte erfolglose Pressen ist eine große Belastung für den Körper und lässt das Vogelweibchen ermüden. Damit einher geht oftmals, dass die Vögel unter starken Schwankungen ihrer Körpertemperatur leiden: Beim Pressen überhitzen sie vorübergehend, um dann kurz danach stark zu frieren.

Es ist zudem davon auszugehen, dass dieser Zustand sehr schmerzhaft für den betroffenen Vogel ist. Im Bauch drückt ein großer Gegenstand auf die inneren Organe und bei jeder Muskelkontraktion, also beim Zusammenziehen der Muskeln und somit beim Pressen, wird der Druck umso größer und wahrscheinlich schmerzhafter. Wir können Vögel zwar nicht danach fragen, aber vermutlich ist es mit den Wehen werdender menschlicher Mütter zu vergleichen. Ein weiterer Aspekt kommt bei den Vögeln noch hinzu: Das Ei blockiert den Darm, weshalb kein Kot abgesetzt werden kann. Somit erleiden die Vögel obendrein eine Verstopfung, die ihrerseits zu noch mehr Druck im Bauch führt.

Angesichts dieser Tatsache verwundert es nicht, dass sich viele betroffene Vogelweibchen in ihrer Verzweiflung die Federn am Bauch und rund um die Kloake ausreißen. Manche Vögel rupfen dermaßen stark, dass sie sich blutende Wunden zufügen. Zudem kann es vorkommen, dass sich die Tiere selbst beißen und so zusätzlich zu ihrer Legenot einen Blutverlust erleiden, der sie weiter schwächt.

Je länger der Zustand andauert, umso mehr wächst die Erschöpfung. An einer fortgeschrittenen Legenot leidende Vogelweibchen können sich irgendwann nicht mehr auf den Beinen halten und legen sich auf den Bauch. Einige Tiere sind dermaßen entkräftet, dass sie ihren Kopf kaum noch heben können. Er liegt auf dem Boden, die Flügel sacken seitlich weg und das Atmen fällt zunehmend schwerer. Hierdurch sinkt die Sauerstoffsättigung im Blut, was den gesamten Körper und vor allem das Herz-Kreislauf-System massiv belastet. Das bedeutet, der Allgemeinzustand verschlechtert sich dann rapide.

Videobeispiel

Im folgenden Videobeispiel ist ein Katharinasittichweibchen zu sehen, das an einer Legenot litt. Deshalb musste ich (die Autorin von Birds-online.de) eingreifen und ich habe zum besseren Gleiten ein wenig Öl in die Kloake eingeträufelt und einmassiert, siehe auch weiter unten. Danach habe ich es einwirken lassen, um anschließend den Vogel beim natürlichen Pressen durch eine vorsichtige Massage zu unterstützen. So konnte das Ei letztlich zum Glück legen.

Kurz nach dem Eingeben des Öls habe ich den Vogel einige Minuten in Ruhe gelassen, weil sich die Flüssigkeit im Darm verteilen musste. Diese Zeit habe ich genutzt, um das Video anzufertigen. Weil wir gerade warten mussten und nichts weiter tun konnten, musste das Vogelweibchen nicht zusätzlich oder unnötig leiden, damit der Film entstehen konnte. Das zu betonen, ist mir sehr wichtig.

Woran ist im Video die Legenot zu erkennen? Das sind die Symptome:

  • Der Vogel kneift vor lauter Erschöpfung ihre Augenlider zusammen.
  • Das Tier atmet schwer (erkennbar an der pumpenden Körperbewegung).
  • Das Weibchen  macht einen „Buckel“ und sträubt die Federn am unteren Rücken, weil sie Schmerzen hat.
  • Der Bauch ist sichtbar geschwollen.
  • Weil sie sich unwohl fühlt und vermutlich so etwas wie stechende Wehenschmerzen empfunden hat, hat sie ihren Schwanz aufgefächert. Das ist für Katharinasittiche in solchen Situationen typisch, aber nicht unbedingt für andere Vogelarten.
  • Der Vogel gibt leise „Jammerlaute“ von sich.
An einer Legenot leidendes Katharinasittichweibchen

Was im Falle einer Legenot zu tun ist

Das Ei im Bauch dieses Wellensittichs konnte nicht gelegt werden
Das Ei im Bauch dieses Wellensittichs konnte nicht gelegt werden

Werden die Symptome einer Legenot beobachtet, hat man es mit einem akuten Notfall zu tun. Exakte Zeitangaben, wie lang ein Vogel durchhält, gibt es nicht. Jedoch gab es schon mehrere Fälle, in denen die Tiere innerhalb von zwölf Stunden gestorben sind, in Extremfällen sogar noch deutlich früher.

Für den Vogelhalter heißt dies demnach, schon beim geringsten Verdacht auf eine Legenot umgehend einen nach Möglichkeit vogelkundigen Tierarzt aufzusuchen, der dem betroffenen Vogelweibchen helfen kann. Dies gilt auch dann, wenn die Legenot am Wochenende, an einem Feiertag oder spät am Abend eintritt. Häufig überleben die Vogelweibchen diesen ernsten Zustand nicht bis zum nächsten Morgen oder bis zu einem späteren Zeitpunkt, an dem Tierarztpraxen wieder geöffnet sind. Es ist also unbedingt erforderlich, außerhalb der regulären Öffnungszeiten den tierärztlichen Notdienst oder eine Tierklinik aufzusuchen, obwohl dies meist heißt, dass man nicht unbedingt einen vogelkundigen Tierarzt antrifft. In einem solchen Notfall gilt die Devise: Ein nicht vogelkundiger Tierarzt ist besser als gar keiner – so hat der Vogel zumindest eine kleine Chance, die für ihn belastende Situation zu überleben.

Halten Sie das Vogelweibchen während des Transports zum Arzt unbedingt möglichst warm, aber nicht zu warm. Denn auch auf dem Weg zum Arzt kann es vorkommen, dass die Tiere weiterhin zu pressen versuchen und vorübergehend überhitzen, nur um danach wieder zu frieren. Außerdem ist es für die Tiere hilfreich, wenn sie möglichst erschütterungsarm transportiert werden. Jede stärkere Vibration des Untergrundes überträgt sich auf den Vogel – und wer schon einmal mit Bauchschmerzen über eine holprige Straße gefahren ist, wird sich vermutlich ausmalen können, was das für an einer Legenot leidende Vogelweibchen bedeutet.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Der Bauch und die Kloakengegend dieses Katharinasittichs sind wegen einer Legenot geschwollen und gerötet
Der Bauch und die Kloakengegend dieses Katharinasittichs sind wegen einer Legenot geschwollen und gerötet

Wird eine Legenot rechtzeitig erkannt, kann der Tierarzt den Vogel in den meisten Fällen retten, indem er das Ei fachkundig entfernt – zum Beispiel mit Gleitmittel wie zum Beispiel Speiseöl und einer Massage sowie der Verabreichung von Kalzium. In manchen Fällen ist das Entfernen des Eis jedoch nur durch eine Notoperation möglich. Diese erfolgt unter Vollnarkose. Dafür ist es hilfreich, wenn der Allgemeinzustand des Vogels noch einigermaßen stabil ist. Liegen bereits schwere Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems vor, geht von der Narkose ein hohes Risiko aus. Doch ohne Operation überleben viele Vögel mit schwerer Legenot nicht, weshalb dieser Versuch trotz aller Gefahren unternommen werden sollte, falls der behandelnde Tierarzt es für nötig erachtet.

Ganz wichtig ist, dass Vogelhalter niemals selbst versuchen sollten, ein Ei aus dem Körper eines Vogelweibchens zu massieren. Das Ei könnte bei unsachgemäßer Behandlung im Legedarm zerbrechen und dabei die empfindlichen Schleimhäute verletzen. Dies könnte nicht nur zu einer schweren inneren Blutung, sondern obendrein zu einer lebensbedrohlichen Infektion führen.

Wie geht es nach der Legenot weiter?

Meist produzieren Vogelweibchen nach einer Legenot weitere Eier, die häufig normal gelegt werden können. Sollten sich jedoch auch beim nächsten Ei Schwierigkeiten ergeben, kann der Tierarzt eine Hormonbehandlung durchführen, um das Tier zur Ruhe zu bringen und die weitere Bildung von Eiern zu unterdrücken. Allerdings ist diese Hormonbehandlung nicht ohne Nebenwirkungen. Deshalb ist es ratsam, ein Weibchen, das unter Problemen bei der Eiablage gelitten hat, nicht mit Dingen zu konfrontieren, die den Bruttrieb steigern könnten.

Vogelhaltern steht darüber hinaus eine weitere Option zur Verfügung: Ein Vogelweibchen, das unter schweren Komplikationen beim Eierlegen gelitten hat, kann unter Umständen vom Tierarzt kastriert werden, indem der Legedarm entfernt wird. Das mit einem solchen Eingriff einhergehende Risiko muss im Einzelfall abgewogen werden.

Titelbild dieser Seite © Marion Biallowons