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Spreizbeine bei Küken

Zwei junge Wellensittiche mit normaler Beinstellung
Zwei junge Wellensittiche mit normaler Beinstellung

Junge Wellensittiche und viele andere junge Heimvögel liegen in den ersten Tagen nach dem Schlüpfen meist bäuchlings im Nest. Das ist völlig normal, denn noch ist ihre Muskulatur schwach und sie können weder ihren Kopf aus eigener Kraft heben noch sind sie in der Lage zu stehen. Sie versuchen erst mit zunehmendem Alter, ihr Gewicht auf die Füße zu verlagern. Einige Tage nach dem Schlüpfen stehen Wellensittichküken häufig recht breitbeinig im Nest, wobei die Füße meist schon in der für erwachsene Vögel typischen Stellung auf dem Boden aufliegen. Der Bauch des Jungvogels liegt dabei meist zwischen den Füßen auf dem Untergrund. Ihre vier Zehen eines Fußes sind für gewöhnlich so ausgerichtet, dass zwei nach vorn und zwei nach hinten weisen – also so, wie es bei Sittichen und Papageien sein sollte. Spätestens wenn sie etwa 14 Tage alt sind, sollten junge Wellensittiche einigermaßen sicher auf ihren Beinen stehen können. Beide Füße sollten dabei unterhalb des Körpers angeordnet sein. Mit der Zeit werden die jungen Vögel zusehends geschickter und schon bald können sie sogar laufen, ohne ihr Gleichgewicht zu verlieren. So verhält es sich zumindest, wenn die Entwicklung der Jungvögel ohne Probleme vonstattengeht.

Im selben Nest haben zwei Jungvögel Spreizbeine entwickelt
Im selben Nest haben zwei Jungvögel Spreizbeine entwickelt

Bei einigen Jungvögeln ergeben sich jedoch Komplikationen: Sie entwickeln eine Beinfehlstellung – entweder einseitig oder in schweren Fällen sogar beidseitig. Dies lässt sich bei der Nistkastenkontrolle daran erkennen, dass entweder ein Bein seitlich absteht oder sogar beide Beine nicht unter dem Körper liegen. Vielmehr ruht das Jungtier auf seinem Bauch und kann die Beine nicht belasten. Charakteristisch für eine solche Beinfehlstellung ist, dass die Zehen seitlich vom Körper weg weisen. Es erinnert an die Haltung, die wir Menschen einnehmen, wenn wir einen Arm heben, diesen ausstrecken und mit dem Finger auf etwas zeigen.

Meist steckt hinter einer solchen Beinfehlstellung bei einem Jungvogel eine sogenannte Hüftluxation. Das heißt, die Hüfte ist ausgekugelt. Ein weiterer Grund für seitlich abstehende Beine ist, dass die Knochen zu weich sind und sich verbogen haben. Hat ein Küken solche Spreizbeine entwickelt und wird dem nicht entgegengewirkt, kann das Tier später weder richtig stehen noch laufen. Es ist dem Vogel anatomisch nicht möglich, sein Gewicht auf beide Füße zu verlagern.

Ursachen für Hüftluxationen bei Nestlingen

Die linke Hüfte dieses zehn Tage alten Wellensittichs ist ausgekugelt
Die linke Hüfte dieses zehn Tage alten Wellensittichs ist ausgekugelt

Die häufigste Ursache für das Auskugeln der Hüftgelenke bei sehr jungen Vögeln ist ein Unfall im Nest oder Nistkasten. Stellt sich ein Elternvogel, also der Vater oder die Mutter, bei der Fütterung des Nachwuchses versehentlich auf den Rücken eines Nestlings, können die Knochen innerhalb des Hüftgelenks des Jungvogels unter dem von oben einwirkenden Gewicht aus der anatomisch richtigen Lage rutschen – die Hüfte wird ausgekugelt. Meist ist hiervon nur ein Hüftgelenk betroffen, das andere bleibt unversehrt. Oftmals kugeln die Hüftgelenke der Jungvögel bereits in den ersten Lebenstagen aus, denn in den ersten beiden Lebenswochen reagiert Skelett der Wellensittichküken besonders empfindlich auf Druck, der auf die Gelenke ausgeübt wird.

Zu einer beidseitigen Hüftluxation kommt es recht häufig dann, wenn der Nistkasten keine Nistmulde aufweist. Ohne eine solche Mulde liegt die Vogelmutter beim Wärmen des Nachwuchses direkt auf ihren Küken, die wiederum auf dem ebenen Boden liegen. Das Gewicht der Vogelmutter erzeugt Druck auf die Körper ihrer Jungen, und dieser Druck kann sich ohne eine Nistmulde weniger gut verteilen. Liegt nun ein Küken direkt unter dem Körperschwerpunkt der Mutter und damit auch an genau jener Stelle, an der ein besonders hoher Druck aufgrund des Körpergewichts des Altvogels herrscht, kann es geschehen, dass seine Gelenke dem nicht standhalten können. Das empfindliche Knochengerüst des Jungvogels ist auf diese enorme Belastung nicht ausgelegt und an der verletzlichsten Stelle gibt der Körper nach: Die Hüften kugeln aus, und das häufig beidseitig und zur selben Zeit. Weil sich die Mutter und auch die Küken bewegen, ist oft nicht nur ein Jungtier betroffen. Nach und nach rutschen verschiedene Küken unter den Körperschwerpunkt der Mutter, sodass im ungünstigsten Fall alle Jungtiere eines Geleges Beinfehlstellungen entwickeln können.

Grundsätzlich kann diese Komplikation zwar auch in einem Nistkasten mit Nistmulde auftreten. Doch die Gefahr, dass es bei den Küken zu Hüftproblemen kommt, ist bei fehlenden Nistmulden umso größer. Deshalb sollte man sicherheitshalber keine Nistkästen ohne Nistmulden zur Jungenaufzucht verwenden.

Ursachen für verbogene Beinknochen bei Nestlingen

Der junge grüne Mönchsittich trägt eine Fixierung an den Beinen, um seine Beinfehlstellung zu richten
Der junge grüne Mönchsittich trägt eine Fixierung an den Beinen, um seine Beinfehlstellung zu richten

Beim Wärmen ihres Nachwuchses übt die Vogelmutter mit ihrem Körper wie bereits zuvor erläutert Druck aus. Hat ein Jungtier zu weiche Knochen, kann es geschehen, dass diese sich verbiegen, wenn das Gewicht der Mutter von oben auf den Körper drückt. Weil Jungvögel sehr schnell wachsen, wird diese Biegung in den Knochen innerhalb weniger Tage oft sehr gravierend und es entstehen Spreizbeine – nicht selten beidseitig. In weniger schweren Fällen verdrehen sich lediglich die Füße nach innen, siehe Text über verdrehte Beine. Dass die Knochen zu weich sind, liegt häufig an einem Vitamin-D-Mangel, und fehlt dann obendrein Kalzium, kann die Knochendeformation umso gravierender werden. Bei Menschen tritt sie auch auf, sie kann zu X- oder O-Beinen führen und man bezeichnet diese Erkrankung als Rachitis. Die seitlich abgespreizten Beine der Jungvögel sind gewissermaßen eine sehr extreme Form dieser Erkrankung.

Gefördert wird sie durch eine zu nährstoffarme Ernährung während der Jungenaufzucht. Wenn überdies im Nistkasten eine Nistmulde fehlt, kann dies durch die oben beschriebene Druckeinwirkung beim Wärmen durch die Mutter den Druck auf die zu weichen Knochen erhöhen und somit die Entstehung der Beinfehlstellung verstärken. Demnach ist es von hoher Wichtigkeit, dass vor und während der Jungenaufzucht das richtige Futter gereicht wird. Mehr zu diesem Thema finden Sie hier.

Behandlungsmöglichkeiten

Links ist eine beidseitige Abspreizung der Beine zu sehen, rechts dasselbe Küken mit Bandage zum Richten der Auskugelungen
Links ist eine beidseitige Abspreizung der Beine zu sehen, rechts dasselbe Küken mit Bandage zum Richten der Auskugelungen

Sind die Knochen eines Jungvogels zu weich und deshalb verbogen, ist eine Behandlung relativ schwierig. Sie wieder in die richtige Form zu biegen, ohne sie zu brechen, ist kaum möglich. Ein erfahrener Vogel-Tierarzt kann allenfalls versuchen, durch das Anlegen von Bandagen einen Teil der Verformung rückgängig zu machen. Je weniger stark sie ausgeprägt ist, desto größer ist die Chance für den Vogel, später doch einigermaßen gut stehen und laufen zu können. Je früher das Problem erkannt und behandelt wird, umso besser.

Dasselbe gilt bei ausgekugelten Hüften. Wird diese Verletzung erkannt, noch während der Vogel sich im Wachstum befindet, ist das Skelett noch einigermaßen weich und kann durch wieder in die richtige Position gebracht werden. Die Behandlung schlägt deshalb bei sehr jungen Nestlingen in aller Regel besser an, weil ihr Knochengerüst noch weicher und flexibler ist als das fast flügger und somit viel älterer Jungvögel. Haben Wellensittiche erst einmal ein Alter von etwa vier bis fünf Wochen erreicht, lässt sich gegen eine Hüftluxation häufig nichts mehr unternehmen; sie ist dann dauerhaft.

Noch kann dieser zwei Wochen alte Wellensittich nicht stehen, seine Beine sind aber wegen einer ausgekugelten Hüfte fixiert und die Verletzung konnte heilen
Noch kann dieser zwei Wochen alte Wellensittich nicht stehen, seine Beine sind aber wegen einer ausgekugelten Hüfte fixiert und die Verletzung konnte heilen

Jene Tiere, bei denen Aussicht auf eine Heilung besteht, erhalten vom Tierarzt für einige Tage bis Wochen eine spezielle Bandage. Diese bindet die Beine so zusammen, dass sie im richtigen Abstand zu einander unter dem Körper platziert sind. In dieser Position bleiben sie für eine Weile, während ihre Hüftgelenke sich nun wieder an die normale anatomische Ausrichtung „gewöhnen“. Beim Anlegen der Bandage ist Erfahrung wichtig, denn wird eine ausgekugelte Hüfte falsch fixiert, ist die daraus entstehende Behinderung zeitlebens nicht mehr zu beheben. Deshalb sollte man als tiermedizinischer Laie niemals in Eigenregie diese Bandagen anlegen, weil man denkt, es könne ja nicht so schwer sein. Vogelkundige Tierärzte wissen in aller Regel, was sie tun, und in schwierigen Fällen fertigen sie sicherheitshalber Röntgenbilder an, um die korrekte Positionierung der fixierten Beine zu überprüfen.

In den meisten Fällen ist es außerdem sinnvoll, ein Leinentuch (kein Tuch mit Stoffschlingen, das Küken könnte darin mit den Krallen hängen bleiben) in den Nistkasten zu legen, damit das erkrankte und bandagierte Jungtier Halt auf dem relativ glatten Holzboden findet. Auf dem geschliffenen Holz kann es schlecht das Laufen erlernen, weil es durch die Bandage in seiner Bewegungsfreiheit enorm eingeschränkt ist. Allerdings könnte es seine Beine ohne die Bandage niemals normal verwenden, weshalb diese auf den ersten Blick grausam wirkende Therapie dringend erforderlich ist, um dem Vogel später ein weitestgehend normales Leben zu ermöglichen. Es wäre also falsch, aus reinem Mitleid die Bandage zu lösen, weil man das Gefühl hat, das Küken leidet unter der Einschränkung seiner Beweglichkeit. Damit würde man dem Jungtier langfristig keinen Gefallen tun.

Das junge Rosenköpfchen Luna hatte Spreizbeinchen, die mit Hilfe eines Verbandes in die anatomisch korrekte Position gebracht wurden. Luna konnte damit gut stehen
Das junge Rosenköpfchen Luna hatte Spreizbeinchen, die mit Hilfe eines Verbandes in die anatomisch korrekte Position gebracht wurden. Luna konnte damit gut stehen
Einige Tage musste das junge Rosenköpfchen die Fixierung tragen, damit sich die Beinhaltung normalisiert – das Stehen klappte schon recht gut
Einige Tage musste das junge Rosenköpfchen die Fixierung tragen, damit sich die Beinhaltung normalisiert – das Stehen klappte schon recht gut

Übrigens: Wer Angst hat, die Jungtiere könnten mit zusammengebundenen Beinen nicht stehen, dem sei das Gegenteil versichert. Mit der Zeit lernen sie es, sich hinzustellen. Gelingt es ihnen, ist das ein sehr gutes Zeichen. Denn das bedeutet, ihre Hüften schmerzen nicht mehr – wer einmal ein Gelenk verdreht hatte, der kann sich sicherlich vorstellen, wie extrem schmerzhaft ausgekugelte Hüften für die Jungvögel sein dürften.

Wenn eine Beinfehlstellung eines Kükens unbehandelt bleibt …

Bei diesem bereits flügge gewordenen Wellensittich ist das Richten der Hüftluxationen versäumt worden und der Vogel war zeitlebens schwer gehandicapt
Bei diesem bereits flügge gewordenen Wellensittich ist das Richten der Hüftluxationen versäumt worden und der Vogel war zeitlebens schwer gehandicapt

Ausgekugelte Hüften bei einem Jungvogel oder verbogene Knochen unbehandelt zu lassen, wäre unverantwortlich. Ist nur ein Bein betroffen, kann das Jungtier mit viel Glück zwar einigermaßen gesund heranwachsen, aber es wird zeitlebens schwer gehandicapt sein. Der Vogel wird nicht nur eine besondere Pflege benötigen, sondern auch eine spezielle Käfig- oder Volierenausstattung. Weitere Informationen über diese Art der Behinderung, die zum Beispiel aufgrund von Unfällen auch Altvögel treffen kann, finden Sie im Kapitel über Hüftschäden.

Sind beide Beine verbogen oder beide Hüften ausgekugelt und wird eine Behandlung unterlassen, bedeutet dies eine extreme körperliche Behinderung für den Vogel – zeitlebens, versteht sich. Zudem kann es geschehen, dass die Küken infolge dieser massiven Beinfehlstellung noch im Nest sterben. Dadurch, dass sie nur auf dem Bauch liegen können, wird der Bauchraum gestaucht, die Atmung wird eingeschränkt und die inneren Organe können in manchen Fällen nicht normal wachsen oder sie werden permanent gequetscht. Weil die Atmung eingeschränkt ist, werden die Atmungsorgane nicht ausreichend belüftet, Infektionen können sich festsetzen oder Flüssigkeit kann sich in der Lunge stauen. Die empfindliche Haut am Bauch wird mit der Zeit aufgescheuert, die Folge sind extrem schmerzhafte, meist stark eiternde Liegegeschwüre. Diese Geschwüre, die Organdefekte und die mehr oder minder stark ausgeprägte Atemnot führen häufig dazu, dass ein betroffenes Jungtier meist im Alter weniger Wochen unter Qualen stirbt.

Falls ein hiervon betroffener Vogel nicht stirbt und flügge wird, sind die körperlichen Einschränkungen, mit denen er danach zurechtkommen muss, sehr gravierend. Eine beidseitige extreme Beinfehlstellung gehört zu den schwersten und folgenreichsten körperlichen Behinderungen, die bei Vögeln auftreten können. Das folgende Video zeigt, wie mühsam sich ein erwachsener Wellensittich mit massiven Spreizbeinen fortbewegt:

Linktipp
Auf Youtube gibt es ein Video, das die Geschichte eines jungen Unzertrennlichen zeigt, der mit Spreizbeinen zu kämpfen hatte. Benny hatte Glück und es konnten nicht nur seine Beine gerichtet werden, er wurde schließlich auch von seinen Eltern akzeptiert, die ihn zuvor verstoßen hatten. Hier geht es zu dem Film: Disabled Lovebird Benny ( agapornis ) recovers from „splayed legs“.

Titelbild dieser Seite © Gabi Hoensch