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Flugunfähigkeit durch angeborenen Flügeldefekt (Erfahrungsbericht)
Text und Bilder von Jasmin Störk, August 2009
Seit circa fünf Monaten wohnt bei mir nun schon ein kleines einflügeliges Welli-Mädchen. Sie heißt Maja und ist am 01. Dezember 2008 geschlüpft. Der Züchter konnte nicht genau sagen, wie es dazu gekommen ist, dass sie nur einen Flügel hat. Weil er damals keine Spuren eines Unfalls entdeckt hat und auch kein Blut im Nistkasten gefunden hat, geht er davon aus, dass Maja so geboren wurde. Somit handelt es sich um einen angeborenen Flügeldefekt.
Eine Freundin von mir besuchte den Züchter und wollte sich ein paar Tiere bei ihm aussuchen. Später berichtete sie mir, sie hätte tolle Tiere gekauft und es wäre ihr doch ein kleiner Welli aufgefallen, der nur einen Flügel hatte. Dabei habe sie sofort an mich denken müssen, denn ich halte gehandicapte Vögel.
Es vergingen einige Tage, bis ich es nicht mehr aushielt. Eigentlich war die Voliere voll und es sollte kein weiterer Welli mehr einziehen, aber ich hielt den Gedanken nicht aus, was mit so einem Tier in einer großen Flugvoliere geschieht, wenn es nicht verkauft beziehungsweise vermittelt werden kann. Das arme Ding würde immer nur allein irgendwo rumhocken oder sogar Schlimmeres würde geschehen.
Da ich schon fünf Nichtflieger in meinem Schwarm habe, entschied ich mich, die Kleine bei mir aufzunehmen. Meine Freundin fuhr erneut zu dem Züchter und holte Maja für mich ab, weil ich aus Zeitgründen nicht selbst hinfahren konnte. Hier noch mal ein großes „Danke an Ute“.
Als Maja bei mir eintraf, musste ich sie mir erst einmal anschauen, denn ich hatte nur von ihr gehört, sie aber noch nicht gesehen. Och, was war sie süß! Sie war eine Standardsittich-Henne in grün/grau. Ich setzte sie in den vorbereiteten Käfig. Maja bekam sofort ihren Namen von mir, weil er einfach zu ihr passte. Sie war ganz still und schaute sich um. In dem Käfig blieb sie einige Tage, bis sie sich eingewöhnt hatte.
Nach einem Tierarztbesuch bekamen wir grünes Licht für die kleine Maus. Unsere Tierärztin stellte fest, dass Maja ihre gesamten Flügelknochen besaß, nur leider alles verstümmelt war. Nach ein paar Tagen holte ich sie aus dem Käfig und ließ sie auf ihm herumlaufen, sie fraß mit Luca, einem ebenfalls flugunfähigen Hahn, Hirse aus meiner Hand. Der Luca war ein sehr guter Helfer und nahm ihr Stück für Stück die Angst vor der Hand. Viele meiner Wellis mussten sie neugierig begutachten und sie erst einmal besuchen. Maja zeigte keine Angst und sehr viel Interesse, trotzdem ließ ich sie am Anfang immer noch in ihrem Eingewöhnungskäfig schlafen. Mir war es noch zu gefährlich, sie in die große Voliere zu setzen.
Als sie nach circa einer Woche selbstständig aus dem kleinen Käfig kletterte, wollte sie unbedingt auf die große Voliere. Da sie perfekt klettern kann, hat sie keine Probleme, die Dinge normal zu erreichen. Über Seile kann Maja zur großen Voliere und zum Spielbaum gelangen.
Nun musste sie über das große Seil laufen, leider gelang es ihr bei ersten Mal nicht, da es eine sehr wackelige Angelegenheit war. Ich beobachte oft, dass Jungtiere am Anfang Gleichgewichtsprobleme haben, wenn sie auf Schaukeln oder wackeligen Gegenständen sitzen. Es ist, als wenn wir Menschen laufen lernen. Wenn Maja stürzte, fiel mir auf, dass sie versucht zu fliegen, was natürlich zur Folge hat, dass sie sich einmal um sich selbst drehte. Maja fiel weich, da ich den Boden mit einer Wolldecke gepolstert hatte.
Für meine gefiederten Fußgänger habe ich an der großen Voliere eine Leiter angebracht, die es ihnen ermöglichen soll, nach oben zu gelangen. Da Maja dieses aber noch nicht erlernt hatte, lief sie ganz aufgeregt hin und her und versuchte mit Sprüngen nach oben zu kommen. Um es ihr einfacher zu gestalten, habe ich ein paar ihrer ebenfalls flugunfähigen Gefährten geschnappt, sie auf den Boden gesetzt und sie vor ihrer Nase die Leiter hochklettern lassen. Maja schaute es sich tatsächlich ab und machte sich auf den Weg nach oben.
Da sie viele Hindernisse der Voliere nicht sofort überwinden konnte – zum Beispiel eine Zwischenstrebe – oder weil sie noch nicht aufs Dach gelangen konnte, musste sie mehrfach Pause machen und schauen, wie sie weiter kommt. Sie schaffte es aber ganz allein. Ich habe ein Seil an der Kante vom Dach zum Seitenelement angebracht. Hier können sich die Wellis in Ruhe abseilen oder sie können problemlos aufs Dach klettern.
Weil Maja es am Anfang aber noch nicht schaffte, allein in die Voliere zu klettern, stellte ich oben immer ein Schälchen mit Wasser bereit. Einen Fressnapf haben meine Wellis sowieso immer auf der Voliere stehen. Am Tage sitzt Maja auf der Voliere und schreddert Kork oder spielt mit allem, was ich anbiete (Bälle, Glöckchen oder Spielbäume mit „Gebamsel“). Den Weg zur Korkplatte meisterte sie auch schon sehr früh.
An den ersten Abenden musste ich Maja noch in die Voliere bringen. Meine kleine Joy, die anfangs auch nicht fliegen konnte, brauchte circa vier Wochen, um allein hinein zu finden. Maja war da etwas schneller und hatte es schon nach circa zwei Wochen drauf. So etwas ist sehr unterschiedlich von Welli zu Welli.
Nach mittlerweile fünf Monaten hat sich Maja sehr gut eingelebt und auch eine Freundin gefunden. Ja, eine Freundin. Maja pflegt eine innige Freundschaft zu meiner Karla. Eine solche Beziehung zwischen zwei Weibchen ist eher selten, kommt aber mitunter trotzdem vor. Zwischen Maja und Karla geht es sehr harmonisch zu und die beiden Vögel kuscheln oft miteinander.
Maja hat durch den fehlenden Flügel keine Einschränkungen, außer dass sie nicht fliegen kann. Sie erreicht alles zu Fuß und kann jederzeit die Voliere verlassen und auch wieder nach Hause gelangen. Sie fühlt sich in meinen Scharm ausgesprochen wohl; sie hat keinerlei Schwierigkeiten mit anderen Wellis. Maja ist eher ein Welli, der sich durchsetzt. Falls es um Platzstreitigkeiten, Futterneid und ähnliche Dinge geht, lässt Maja sich nicht unterkriegen. Sie weiß genau was sie will. Maja hat sehr schnell gelernt, mit ihrer Behinderung umzugehen und ist trotzdem sehr aktiv. Zu ihren Vorlieben gehören das Baden und sich im Basilikum zu wälzen und sich damit einzureiben.
Wenn man einmal flugunfähige Wellis hatte, ist ein Welli mit nur einem Flügel keine Hürde mehr. Eigentlich ist es nicht anders als wenn die Tiere aus anderen Gründen flugunfähig wären, nur das „da“ halt etwas fehlt. Majas Flügel ist übrigens ansonsten von medizinischer Seite in Ordnung und muss nicht behandelt werden.
Ich habe Maja an meine Hand gewöhnt, was manche Dinge erleichtert. Vor kurzem brach ihr an dem kleinen Flügel ein Federkiel auf, was natürlich zur Folge hatte, dass es blutete. Als ich es entdeckte, konnte ich sie auf meiner Hand ins Badezimmer tragen und die Blutung stoppen. Ich konnte die Blutstillerwatte an den Flügel drücken und mein anderer Finger hielt sie dagegen. Maja war zwar nicht begeistert, aber sie hielt still und wartete ganz lieb ab. Für solche Fälle ist es sehr gut, wenn die gehandicapten Vögel an die Hand gewöhnt sind.
Das Buch kann für 29,90 € direkt beim Verlag bestellt werden: Web-Shop des Arndt-Verlags