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Bedeutung des Gesangs der Wellensittiche
Fühlt sich ein Wellensittich wohl, plustert er sein Gefieder leicht auf, zieht eventuell darüber hinaus ein Bein unter die Federn am Bauch und stimmt das für seine Art typische Gezwitscher an, das für die meisten Menschen nicht besonders melodisch klingt. In den Ohren anderer Wellensittiche ist diese Gesangsdarbietung jedoch die reinste Musik, da das Geträller eine wichtige Bedeutung in der arteigenen Kommunikation hat: „Mir geht es bestens, hier ist alles in Ordnung.“ Um die Tragweite dieses Benehmens gänzlich zu erfassen, ist es nötig, das Verhalten der wilden Verwandten unserer domestizierten Wellensittiche zu kennen.
Überleben in der Wildnis
In ihrer australischen Heimat müssen wild lebende Wellensittiche ständig auf der Hut vor Feinden sein. Diese können sich einem Sittichschwarm schleichend am Boden nähern, ins Geäst der Bäume kriechen oder klettern beziehungsweise die fliegenden Vögel gar aus der Luft angreifen. Es verwundert also nicht, dass wilde Wellensittiche stets sehr wachsam sind. Sie bevorzugen unter anderem deshalb das Leben in großen Gruppen, weil viele Augen mehr sehen und somit Gefahrensituationen eher erkennen als einzelne Tiere. Das heißt, der Schwarm bietet den einzelnen Individuen Sicherheit.
Nähert sich ein Fressfeind und geraten Wellensittiche dadurch in Bedrängnis, hängt es von der jeweiligen Situation ab, was als nächstes geschieht. Wellensittiche, die ohne Deckung am Boden sitzen und einen fliegenden oder laufenden Fressfeind sehen, stoßen meist Warnrufe aus und fliegen augenblicklich davon. Alle anderen Vögel in der näheren Umgebung werden so durch die schrillen Alarmschreie und das Auffliegen gewarnt – sie fliegen ebenfalls auf und stoßen meist ihrerseits Alarmpfiffe aus. Ähnliches gilt für fliegende Wellensittiche. Nähert sich einem fliegenden Schwarm ein Fressfeind, warnen sich die Sittiche gegenseitig mit schrillen Rufen und vollführen gemeinsam Flugmanöver, um den Feind abzuschütteln.
Sitzen Wellensittiche in einem Baum und ruhen dort, kann es geschehen, dass sich ein fliegender Feind wie ein Greifvogel nähert. Derjenige Vogel, der den Feind als erstes sieht, stößt meist einen Alarmruf aus und die Wellensittiche sind augenblicklich ganz still. Sie bewegen sich nicht mehr, um den fliegenden Feind weder durch Laute noch durch Bewegungen auf sich aufmerksam zu machen.
Ein drittes Szenario ist, dass sich eine Schlange, ein Waran oder ein anderer kletternder Fressfeind von unten ins Geäst eines Baumes begibt, in dem Wellensittiche rasten. Einem solchen Feind müssen die Vögel ausweichen. Wer ihn als erstes wahrnimmt, stößt einen schrillen Warnschrei aus und fliegt sofort davon – meist gefolgt von allen anderen im selben Baum sitzenden Artgenossen.
Beruhigende Hintergrundmusik
Aus den drei zuvor genannten Grundsituationen lassen sich zwei Dinge ableiten: Entweder stoßen Wellensittiche, die sich in Gefahr befinden, sehr schrille Alarmrufe aus, oder aber sie sind still und verraten sich nicht durch irgendwie geartete Lautäußerungen. Gesang wird demnach in allen Gefahrensituationen nicht vorgetragen. Hört ein Wellensittich seine Artgenossen ausgiebig singen, dann signalisiert ihm dies: Es besteht keine Gefahr, alles ist gut, es kann und darf gezwitschert werden. Das bedeutet, singende Wellensittiche fühlen sich wohl, haben keine Angst und übertragen dieses Grundgefühl auf ihre Artgenossen, die dem Gesang zuhören.
Und tatsächlich singen auch wilde Wellensittiche durchaus recht oft. Zwar ist das Leben für sie in der australischen Wildnis erheblich anstrengender als der Alltag der hier zu Lande gehaltenen Heimvögel. Es gibt im Internet etliche Videos, in denen Wellensittichschwärme zu sehen sind, die in Bäumen rasten und laut zwitschern. Der typische Gesang dieser kleinen Sittiche kann ziemlich laut sein, wenn er aus hunderten Kehlen gleichzeitig kommt.
Meist ist es ein Sittich, der zu singen beginnt. Rasch stimmen viele seiner Schwarmgenossen in den Gesang mit ein, sodass das kollektive Geträller zu einem lauten Lied anschwillt – die richtige Hintergrundmusik zum Entspannen für jeden Wellensittich. Das ist bei wilden und domestizierten Wellensittichen gleich.
Wann singen als Heimvögel gehaltene Wellensittiche?
Domestizierte Wellensittiche, also als Haustiere gehaltene Vögel, singen in aller Regel häufig, da sie in Menschenobhut praktisch keine Angriffe durch Fressfeinde zu fürchten haben, Attacken durch Katzen oder andere Haustiere einmal ausgenommen. Typische Tageszeiten für lautstarke Gesangsstunden sind der späte Vormittag, der Nachmittag sowie der Abend. In der Mittagszeit werden Wellensittiche meist ein wenig ruhiger, nachdem sie den gesamten Morgen über sehr aktiv waren. Nach ihrer kurzen „Siesta“, die bei den meisten Tieren zwischen 13 und 16 Uhr stattfindet, beginnen viele Wellensittiche wieder zu singen. In den frühen Abendstunden werden die Vögel noch einmal verstärkt aktiv, fressen, fliegen und putzen sich. Anschließend bereiten sie sich langsam auf die Nachtruhe vor und beginnen dann manchmal vor dem Schlafengehen ihre letzte ausgiebige Gesangsdarbietung des Tages. Dieser Gesang ist häufig etwas leiser als der, den sie tagsüber erklingen lassen.
Sich in den Schlaf zwitschern: gibt es das?
Als Vogelhalter hat man hin und wieder den Eindruck, die Tiere würden sich gegenseitig in den Schlaf singen. Diese Beobachtung entspricht der Wahrheit. Insbesondere in den Abendstunden ebbt der Gesang einer Wellensittichgruppe oft stetig ab, den Tieren fallen buchstäblich die Augen zu. Doch nicht nur abends ist dieses Phänomen zu beobachten, sondern auch mittags mit dem Beginn der Mittagsruhe. An sehr heißen Sommertagen kann man es vergleichsweise oft beobachten, dass die Vögel zunächst noch munter singen, sich dann immer weniger bewegen, leiser zwitschern und dabei die Augen schließen. Nach und nach verstummen die Tiere einer Gruppe und schlafen ein.
Singen für den Partner
Vor allem männliche Wellensittiche tragen im Rahmen der Partnerwerbung ihren für das andere Geschlecht bestimmten Gesang vor und zeigen dabei meist eine typische Gefiederstellung sowie Körperhaltung. Je aufgeregter das singende Männchen ist, desto lauter sind häufig seine Lieder. Diese Darbietungen werden nur kurzzeitig unterbrochen, wenn ein Männchen seine Angebetete füttert. Anschließend trällert er weiter, um das Weibchen von seinen Qualitäten zu überzeugen. Sehr oft singen Wellensittichmännchen sogar während der Paarung, und den Damen scheint dieses aufgeregte Liebesgezwitscher durchaus zu gefallen.
Nicht nur Männchen singen
Immer wieder reagieren Wellensittichhalter verblüfft, wenn sie feststellen, dass ihr vermeintliches Männchen – die Geschlechtsbestimmung wurde am Gesang festgemacht – tatsächlich doch ein Weibchen ist. Dann ist häufig zu hören: „Ja, aber Weibchen singen doch eigentlich gar nicht!“ Das ist ein Irrglaube, der vermutlich daher rührt, dass das Verhalten vieler unserer heimischer Singvögel auf Wellensittiche übertragen wird. Bei unseren heimischen Vogelarten ist es so, dass bei den meisten von ihnen nur die Männchen singen. Doch das ist keineswegs eine allgemeingültige Regel. Sogar unter unseren heimischen Arten gibt es solche, bei denen auch der Weibchengesang vorkommt – zum Beispiel bei den Heckenbraunellen. Wellensittichweibchen gehören somit ebenfalls zu den Vogeldamen, die singen können und es durchaus auch recht häufig tun.