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Bitte nicht anfassen!

Hinweis: Die in diesem Kapitel erläuterten Zusammenhänge beziehen sich überwiegend auf Wellensittiche. Auf andere Vogelarten sind die Angaben nicht in jedem Fall direkt übertragbar, sie gelten aber durchaus für eine ganze Reihe anderer Heimvogelspezies.
Nur wenige Wellensittiche mögen es, in die Hand genommen und gestreichelt zu werden.
Nur wenige Wellensittiche mögen es, in die Hand genommen und gestreichelt zu werden.

Die meisten Halter sind regelrecht verliebt in ihre Vögel. Vor allem dann, wenn die Tiere zufrieden ihr Gefieder aufplustern, würden viele Halter sie am liebsten knuddeln. Oder aber wenn ein neuer Vogel eingezogen ist und gezähmt wird, juckt es dem Halter buchstäblich in den Fingern und er fasst seinen Vogel an, um ihm seine Zuneigung zu zeigen oder ihn dazu zu bewegen, auf die Hand zu steigen. Das heißt, Menschen fassen Vögel mitunter an, wobei die Berührungen von sanftem Streifen des Bauchgefieders mit nur einem Finger bis hin zum Streicheln über den Rücken mit der ganzen Hand oder gar bis zum Umschließen des Vogels mit der Hand reichen.

Während wir Menschen es gut meinen und den Tieren durch das Streicheln oder die Kraulversuche zeigen möchten, wie gern wir sie haben, sind diese Berührungen für die Vögel aber oft alles andere als angenehm. Zwar bleiben etliche Tiere scheinbar ruhig sitzen und rühren sich nicht, was oft so gedeutet wird, dass sie keine Angst haben – das stimmt aber meist nicht. Einige Vögel geben leise gurrende Laute von sich, wenn sie berührt werden. Diese werden von vielen Tierhaltern fälschlicherweise als Lautäußerungen gedeutet, die mit einer angenehmen Empfindung in Zusammenhang stehen, genau wie das Schnurren einer Katze. Dem ist aber leider in den meisten Fällen nicht so.

Dieser Katharinasittich möchte gerade nicht gekrault werden und versucht, sich von der Berührung weg zu bewegen.
Dieser Katharinasittich möchte gerade nicht gekrault werden und versucht, sich von der Berührung weg zu bewegen.

Aus Sicht des Vogels stellt sich die Situation so dar: Die Hand nähert sich ihm auf unangenehme Weise und berührt ihn gar. Er hat große Angst und erstarrt deshalb buchstäblich. Das heißt, er hält nicht einfach still, weil er die Berührung mag, sondern weil er großes Unbehagen verspürt. Gibt er leise, gurrende Laute von sich, ist dies ein akustisches Signal, das in die menschliche Sprache übersetzt so viel bedeutet wie: „Nimm sofort die Finger weg, du machst mir Angst und ich mag nicht, was du tust und werde dich gleich beißen, wenn du mich nicht sofort in Ruhe lässt!“

Ignoriert der Halter diese akustische Warnung, bleibt den Vögeln aus ihrer Sicht keine andere Wahl. Weil die Situation sehr bedrohlich für sie ist und sie um ihr Leben fürchten, beißen sie kräftig zu. Außerdem verbinden sie ähnliche Situationen künftig mit etwas Negativem und lernen eventuell mit der Zeit sogar, dass der Mensch nicht auf ihre Drohgebärden reagiert und sie weiter bedrängt. Daraus kann sich ergeben, dass sie ohne Vorwarnung zubeißen, siehe auch Kapitel über bissige Vögel. Oder aber die Tiere suchen ihr Heil in der Flucht. Wer sich ihnen mit der Hand nähert, verjagt sie und sie verlieren ihr Vertrauen in den Menschen.

Woher kommt das Unwohlsein bei Berührungen?

Vom Menschen am Kopf gekrault zu werden, lassen sich nicht alle Vögel gefallen.
Vom Menschen am Kopf gekrault zu werden, lassen sich nicht alle Vögel gefallen.

Nun stellt sich die Frage, weshalb Vögel häufig so ablehnend und ängstlich auf Berührungen mit der Hand reagieren. Hierzu muss man einen Blick auf die Lebensweise von Vögeln in freier Natur werfen. Dort werden die meisten Vogelarten nur dann am Bauch oder gar am Rücken berührt, wenn sie von einem Fressfeind erbeutet werden. Ihre Artgenossen berühren sie an diesen Stellen eher selten, und wenn sie es doch tun, dann fühlt es sich für die Vögel anders an und sie empfinden ihre Artgenossen meist nicht als bedrohlich. Alle anderen Wesen, die sie berühren und keine Artgenossen sind, werden hingegen als Bedrohung empfunden – die Vögel haben Angst um ihr Leben. Deshalb sollte der Mensch unbedingt bedenken, dass Vögel keine Streichel- und Kuscheltiere sind.

Einige wenige Ausnahmen gibt es freilich von dieser Regel. Manche Vögel vertrauen ihren Bezugspersonen so sehr, dass sie sich bereitwillig in deren Hand kuscheln und keine Angst empfinden, wenn sie sanft berührt werden. Einige Vögel lieben es, wenn sie am Kopf und im Nacken vorsichtig mit dem Finger gekrault werden, wie es unter ihresgleichen üblich ist. Den Bauch oder den Rücken kraulen Vogelarten wie Wellensittiche einander nie, weshalb auch der Mensch diese Berührungen vermeiden sollte. Nur sehr, sehr wenige Wellensittiche mögen es, am Bauch und an der Brust gekrault zu werden. Die Wahrscheinlichkeit, an einen solchen Vogel zu geraten, ist verschwindend gering. Deshalb sollte sich ein liebevoller Tierhalter darauf beschränken, die Kopfregion eines Wellensittichs zu liebkosen.

Um zu erkennen, ob ein Vogel die Berührung akzeptiert, braucht nur seine Körpersprache genau beobachtet zu werden. Stellt er das Kopfgefieder auf und schließt er die Augen oder dreht er gar eine bestimmte Stelle des Kopfes zum kraulenden Finger hin, dann mag er, was der Mensch tut. Aber liegt das Gefieder eng an und ist der Kopf hoch aufgerichtet bei weit geöffneten Augen, dann fühlt sich das Tier unwohl. Das sollte man respektieren und das Tier nicht dazu zwingen, sich kraulen zu lassen.

Hinweis
Vermeiden Sie außerdem bei männlichen Vögeln das Kraulen seitlich am Körper unter den Flügeln, auch wenn die Vögel dies zu mögen scheinen und Sie regelrecht dazu auffordern, sie dort zu kraulen. In dieser Körperregion liegen bei männlichen Vögeln die Hoden. Es stimuliert die Tiere sexuell, wenn sie dort gekrault werden.