- >>
- Birds Online
- >>
- Verhalten
- >>
- Partnerwahlkriterien
Partnerwahlkriterien
Ein miteinander kuschelndes Vogelpaar rührt das Herz und viele Halter wünschen sich deshalb, (mindestens) ein harmonisches Pärchen ihr Eigen zu nennen. Doch die Realität sieht manchmal ganz anders aus und man hat zwar zwei gegengeschlechtliche Tiere daheim, aber sie wollen irgendwie nicht so recht miteinander flirten. Oft liegt dies darin begründet, dass Wellensittiche eine sehr klare Vorstellung davon haben, wie ihr „Traumpartner“ auszusehen hat. Es lohnt sich für den Halter, sich mit diesem Thema einmal näher zu beschäftigen, um mit einigen grundsätzlichen Details vertraut zu werden. Allerdings kann das Wissen über die Partnerwahlkriterien der Wellensittiche trotzdem nicht garantieren, in jedem Fall den richtigen Vogel für ein verwitwetes oder einsames Tier zu „erwischen“.
Obwohl Wellensittiche gesellige Tiere sind, kann es bei der Vergesellschaftung geschehen, dass sie sich mit dem neuen Vogel nicht vertragen oder ihn zwar tolerieren, sich aber nicht auf eine innige Beziehung mit ihm einlassen. Beim Halter ist die Enttäuschung dann meist groß, wenn es zwischen den Vögeln nicht gut läuft. In den harmlosesten Fällen beachten sich die Vögel gegenseitig nicht. Unschöner ist es wenn ein Tier Angst vor dem anderen hat und sich ständig bedrängt fühlt. Ganz besonders gravierend ist es, wenn es zu blutigen Kämpfen zwischen dem alten und dem neuen Vogel kommt, was aber glücklicherweise nur sehr selten geschieht. Insbesondere auf den Menschen oder andere Vogelarten fehlgeprägte Individuen kann man oft nicht leicht von einem arteigenen Partner überzeugen, aber auch hinsichtlich ihres Sozialverhaltens normale und auf ihresgleichen geprägte Wellensittiche können ausgesprochen wählerisch sein.
Wonach suchen Wellensittiche ihre Partner aus?
Normalerweise vertragen sich Wellensittiche mit neuen Schwarm- oder Käfiggenossen nach einer mehr oder minder kurzen Eingewöhnungszeit recht gut. Sich miteinander zu vertragen, heißt aber noch lange nicht, eine feste, innige Beziehung miteinander einzugehen. Was ist es also, das Wellensittiche dazu veranlasst, sich mit einem Artgenossen des anderen Geschlechts fest verpaaren zu wollen? Nach welchen Kriterien wählen die Tiere ihren Partner aus?
Biologen und Verhaltensforscher haben in der Vergangenheit diesbezüglich stets die schwammige Vermutung geäußert, bei den Wellensittichen sei es wie bei den Menschen: Man würde nach einem passenden Partner für die Fortpflanzung suchen und außerdem würden Sympathie und Antipathie eine entscheidende Rolle bei der Partnerwahl spielen. Seit 2001 wissen es die Wissenschaftler jedoch genauer. Seinerzeit veröffentlichte eine internationale Forschergruppe ihre erstaunlichen Ergebnisse, die mithilfe von Versuchs-Wellensittichen gewonnen worden waren und die einen bemerkenswerten Zusammenhang zwischen dem Aussehen des Gefieders unter UV-Licht und der Attraktivität der einzelnen Vogelindividuen belegen, siehe Originalpublikation. Hierauf wird weiter unten noch intensiver eingegangen.
Doch das Aussehen ist nicht alles. Tatsächlich achten Wellensittiche – oder zumindest die Weibchen – auch auf „innere Werte“ oder genauer gesagt auf die Intelligenz ihres Partners. Beobachten Weibchen ein Männchen dabei, wie es auf besonders clevere Weise ein Problem löst, „fliegen“ sie eher auf ihn als auf andere Männchen, die sich weniger schlau anstellen. Demnach ist also auch eine Portion „Köpfchen“ gefragt, wie ein internationales Forscherteam an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking nachweisen konnte. Ihre Studienergebnisse veröffentlichten sie Anfang 2019 im Fachmagazin Science. Und auch der Klang der Stimme spielt offenbar eine Rolle, wenngleich Wellensittiche anders als viele Singvögel keinen typischen Reviergesang vortragen. Anfang August 2010 wurden Studienergebnisse veröffentlicht, gemäß derer Wellensittichweibchen jene Männchen bevorzugen, die ähnlich rufen wie sie selbst, siehe Originalveröffentlichung.
Wer die Wahl hat …
Werden Wellensittiche in Menschenobhut lediglich zu zweit gehalten, kann es sein, dass die Tiere einander sehr attraktiv finden und ein harmonisches Paar werden. Doch die Wahrscheinlichkeit dafür liegt nicht bei 100 %, sondern sehr viel niedriger. Es kann durchaus sein, dass sie einander zwar „ganz nett“ finden, aber eben auch nicht mehr. Manchmal bilden zwei paarweise gehaltene Wellensittiche, die einander zumindest symphathisch sind, in Ermangelung einer größeren Auswahl an potenziellen Partnern ein Paar. Die Partnerschaft wirkt ein wenig wie eine festgefahrene „alte Ehe“ bei Menschen: Sie funktioniert, aber sie ist nicht sonderlich herzlich. Die Tiere leben also somit in einer „Zweckbeziehung“. In einem Vogelschwarm mit mindestens sechs bis acht Tieren haben die Vögel hingegen eine größere Auswahl, sofern das Geschlechterverhältnis ausgewogen ist. Deshalb geschieht es auch immer wieder, dass vermeintlich harmonische Pärchen, die in einen Schwarm integriert werden, plötzlich getrennte Wege gehen. Unter den vielen Artgenossen haben die Tiere endlich eine Wahlmöglichkeit, und die nutzen sie.
Wie weiter oben erläutert, spielt offenbar das Gefieder der Wellensittiche und damit ihr äußeres Erscheinungsbild oft eine entscheidende Rolle bei der Partnerwahl. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn wer ein intaktes, gesundes und kräftiges Gefieder hat, dem stehen genügend körperliche Ressourcen zu Verfügung, um dieses überhaupt zu bilden. Und damit ist dieses Individuum sehr wahrscheinlich auch fit und kräftig genug, erfolgreich Nachwuchs großzuziehen. Da jedoch auch die Intelligenz der Männchen eine Rolle bei der Partnerwahl spielt, kann es durchaus vorkommen, dass ein besonders schlaues, aber etwas zerzaust aussehendes Männchen bei den Weibchen punkten kann. Wirklich vorhersagen lässt es sich in den allermeisten Fällen nicht, für welches andere Individuum sich ein Wellensittich entscheidet. Nur in sehr seltenen Fällen haben die Vögel offenbar ein gewisses „Beuteschema“.
Kleine grüne Männchen …
In seltenen Fällen kommt es vor, dass Wellensittichindividuen nur andere Vögel mit einer bestimmten Farbe als Partner akzeptieren. Ein Beispiel für ein derart farbfixiertes Weibchen ist mein früherer Wellensittich Fini. Sie war ohne Partner und lernte in meinem Vogelzimmer das grüne Männchen Sean kennen. Innerhalb weniger Sekunden war für sie die Sache klar und sie umgarnte den noch sehr schüchternden Vogel, der sich anfangs im Schwarm ein wenig fremd fühlte. Schnell wurden sie ein innig miteinander turtelndes Paar und es traf Fini hart, dass ihr Gefährte leider relativ bald starb. Danach trauerte sie sehr und stellte zwei anderweitig fest verpaarten grünen Männchen nach. Also versuchte ich, einen neuen grünen Partner für sie zu finden und brachte Janus mit. Die Rechnung ging auf und Fini verliebte sich sofort in ihn. Er brauchte ein paar Tage, um mit ihr anzubandeln, aber danach waren sie ein harmonisches Pärchen, bis auch er leider einige Monate später starb. Anschließend konnte ich Fini die Möglichkeit geben, in einem Vogelschwarm selbst einen Partner zu wählen. Sie entschied sich für Ole, der ebenfalls grünes Gefieder hatte und bis zu ihrem Tod ihr fester Partner war.
Wer einen neuen Partner für einen einzelnen verwitweten Vogel sucht, damit wieder ein Pärchen gehalten werden kann, sollte sich deshalb aber trotzdem nicht unbedingt darauf versteifen, wieder einen Vogel in derselben Farbe finden zu müssen. Tatsächlich habe ich solche Farbvorlieben in mehreren Jahrzehnten der Wellensittichhaltung nur bei zwei Individuen beobachtet: bei der zuvor erwähnten Fini und beim Männchen Orion, das ausschließlich Weibchen mit weißem Federkleid attraktiv fand.
Schönheit unter UV-Licht
So, wie wir Wellensittiche sehen, nehmen die Vögel einander nicht wahr. Ihr Sehvermögen unterscheidet sich deutlich von dem der Menschen: Die Augen der Wellensittiche sowie vieler weiterer Vogelarten können einen größeren Bereich elektromagnetischer Wellen wahrnehmen als das menschliche Auge. Deshalb sind Wellensittiche anders als wir dazu in der Lage, ultraviolettes Licht zu sehen. Die Sonne strahlt in diesem Bereich ebenso wie im infraroten oder für uns sichtbaren Teil des Spektrums. Im direkten Sonnenschein betrachtet, bietet das Gefieder eines Wellensittichs einem Artgenossen demnach einen Farbenrausch, den der Mensch nicht wahrnehmen kann, da seinen Augen die Empfindlichkeit für den UV-Bereich fehlt.
Vögel, deren Gefieder besonders stark fluoresziert, stehen laut Aussage der schottischen Biologin Kathryn E. Arnold von der Universität Glasgow sowie einiger australischer Kollegen besonders hoch in der Gunst ihrer Artgenossen. Im US-Wissenschaftsjournal Science, siehe Link, berichtete das Team über die Erkenntnisse, die Versuche an Wellensittichen erbracht haben. Man wollte klären, ob die im ultravioletten Licht fluoreszierenden Federn auf dem Kopf sowie an den Wangen der Wellensittiche zufällig diese Eigenschaft aufweisen oder aufgrund einer gezielten Auslese im Sinne der Evolutionstheorie von Charles Darwin entstanden sein könnten. In diesen Federn eingelagerte Pigmente leuchten auf, sobald sie ultraviolette Strahlung absorbieren.
In ihren Versuchen cremten die Forscher die normalerweise fluoreszierenden Federn einiger Männchen und Weibchen mit Sonnenmilch ein. Das Sonnenschutzmittel verhinderte die Absorption des UV-Lichts, sodass die Farbpigmente in den Federn nicht aufleuchten konnten. Da die Forscher die Creme äußerst sparsam aufgetragen hatten, sah das Gefieder der mit den Kosmetika behandelten Vögel im für uns Menschen sichtbaren Licht genauso wie nicht eingecremtes Gefieder aus. Im UV-Bereich war die Leuchtkraft der Federn hingegen stark eingeschränkt beziehungsweise gänzlich unterbunden. Ein Großteil der am Test beteiligten Vögel wählte einen Partner aus, der nicht eingecremt war und somit fluoreszierendes Kopfgefieder aufwies. Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass sich die Fluoreszenz der Wellensittichfedern als evolutionäres Merkmal bei den Vögeln herausgebildet hat und dass ein stärkeres Leuchten eine höhere Chance bei der Partnerwahl verspricht.
Für die meisten im Haus gehaltenen Wellensittiche ist dieses visuelle Signal jedoch eher unbedeutend, da sie meist unter Kunstlichtbeleuchtung leben. Gewöhnliche künstliche Lichtquellen wie LEDs und andere gängige Leuchtmittel strahlen im Unterschied zur Sonne ein UV-armes Licht ab beziehungsweise ihr Licht enthält überhaupt keinen UV-Anteil. Weil das UV-Licht für die Vitaminbildung im Körper der Vögel von großer Bedeutung ist und ihnen zudem offenbar auch bei der Partnerwahl hilft, sollten spezielle Vogellampen mit UV-Licht-Anteil installiert werden.