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Sean, adoptiert am 14. Juli ’15, † 29. Juli ’15
In manchen Fällen hat Tierschutzarbeit einen bitteren Nachgeschmack, weil es das Schicksal mit den geretteten Vögeln nicht gut meint. Kaum sind sie in ihrem neuen Zuhause angekommen, sterben sie urplötzlich. So ist es auch bei Sean gewesen. Noch während ich ihn näher kennenlernen wollte, um eine schöne Beschreibung an dieser Stelle für ihn ausarbeiten zu können, kam es zur Tragödie und er starb, obwohl er gerade erst in meine Obhut gelangt war. Es zerriss mir das Herz, zumal er in meinem Vogelschwarm seine große Liebe gefunden hatte. Doch beginnen wir am Anfang.
Der wildfarbene Wellensittich Sean stammte aus Mainz, wo er gemeinsam mit einem Partnervogel (immerhin den hatte er!) in einem winzigen Käfig sein Dasein fristen musste. Freiflug gab es wahrscheinlich nicht, nähere Informationen darüber wollte sein früherer Halter nicht preisgeben. Der Käfig stand auf einem hohen Kühlschrank und wurde jedes Mal durchgerüttelt, wenn dieser die Kühlung aktivierte. Ein tiergerechter Käfigstandort sieht anders aus …
Schließlich entschied der Vogelhalter, dass seine beiden Wellensittiche ausziehen müssten, und übergab sie Tierschützern, die die Vögel zur Weitervermittlung zunächst nach Köln brachten. Ein Tierarzt checkte die Vögel durch, wobei glücklicherweise nichts Auffälliges festgestellt wurde. Von Köln aus gelangten sie ins Ruhrgebiet und ich sagte zu, Sean aufzunehmen. Denn wie sich herausstellte, war er aufgrund einer unbekannten Ursache flugunfähig. Die Essener Tierschützerin, die den Transport von Köln ins Ruhrgebiet übernommen hatte, war ebenso wie ich völlig entsetzt darüber, wie klein und mager Sean war. Seine Statur entsprach derjenigen wilder Wellensittiche, er war also ausgesprochen klein und wog nur etwa 28 Gramm.
Am 14. Juli 2015 zog er bei mir ein und ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl, das ich aber nicht so recht an etwas Bestimmtem festmachen konnte. Also folgte noch eine intensive Untersuchung beim vogelkundigen Tierarzt, die besagte: alles in Ordnung. Nicht einmal eine Fettleber müsse ich bei diesem Vogel fürchten, so schlank wie er sei, hieß es. Die Ursache für die Flugunfähigkeit blieb ungeklärt. Und auch bei mir blieb das ungute Gefühl, dass doch nicht alles in Ordnung sei. Aber Belege dafür gab es nicht.
Da mein Vogelzimmer behindertengerecht eingerichtet ist, stellte Seans Flugunfähigkeit kein Problem dar. In seinem neuen Umfeld konnte er nach Herzenslust klettern, was er auch gleich begeistert tat. Ich hoffte derweil, vom früheren Halter noch weitere Infos zu bekommen, die er den Tierschützern bei der Abholung zugesagt hatte. Doch leider meldete er sich nicht mehr, frei nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn. Ich fand das sehr ärgerlich, hatte ich doch Rückfragen zu Sean. Schließlich wollte ich sein Leben so angenehm wie möglich für ihn gestalten. Und wer weiß, vielleicht hätte deren Beantwortung helfen können, sein Leben zu retten?
Bereits kurz nach seinem Einzug verliebte sich Sean Hals über Kopf in Fini. Sie wiederum war ihm ebenfalls zugetan, es war Liebe auf den ersten Blick bei beiden Vögeln. Ich freute mich darüber sehr, denn Fini war immer das fünfte Rad am Wagen gewesen und diverse Versuche, einen passenden Partner für sie zu finden, waren im Vorfeld kläglich gescheitert. Sean und sie gingen liebevoll miteinander um, kraulten sich gegenseitig und schmusten den ganzen Tag miteinander – bis er am 29. Juli 2015 plötzlich und unerwartet innerhalb weniger Minuten abbaute und starb. Warum, das weiß ich leider nicht, und es ging alles sehr schnell. Ich blieb bis zu seinem letzten Atemzug bei ihm, er lag in meiner Hand, als er von uns ging. Fini stand dicht in der Nähe und verabschiedete sich sehr rührend von ihm.
Sean zu verlieren, hat mich hart getroffen, obwohl ich diesen charmanten, freundlichen und sanftmütigen Vogelmann nur zwei Wochen in meiner Obhut hatte. Was ist ihm früher zugestoßen, dass er so geschwächt war und dermaßen plötzlich gestorben ist? Was hat uns der frühere Halter verschwiegen? Und warum hat er das getan? Ich wünschte, er hätte uns gesagt, was wirklich früher vorgefallen ist, denn möglicherweise hätte ich dann doch irgendetwas für Sean tun können. Ich befürchte, Sean ist das Opfer menschlicher Gleichgültigkeit geworden, was mich zutiefst beschämt, obwohl ich es nicht gewesen bin, die ihn früher vernachlässigt hat. Möge seine Seele Frieden finden. Und ich hoffe natürlich sehr, dass er die kurze Zeit in meinem Vogelschwarm und an Finis Seite genossen hat.