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Nagetrieb
Fast alle Papageienvögel, zu denen auch die Wellensittiche gehören, haben einen angeborenen Nagetrieb, der individuell recht stark ausgeprägt sein kann. Dies gilt in den meisten Fällen insbesondere bei den weiblichen Tieren. Vielen Haltern von Wellensittichen ist dieses Phänomen bekannt, weil ihre Tiere alles von der Tapete bis hin zum Türrahmen anknabbern. Einige Halter verhängen beispielsweise ihre Bücher mit Decken oder Handtüchern, um sie vor den Schnäbeln ihrer Vögel zu schützen. Andere haben den täglichen Kampf längst aufgegeben, weil die Wellensittiche stets schneller oder raffinierter waren und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen etwas zernagt haben.
Warum nagen Wellensittiche so gern?
Der für den Vogelhalter oftmals lästige Nagetrieb der Vögel ist aber keineswegs böse gemeint, sondern hat einen für das Überleben der Tiere wichtigen Grund: Er rührt daher, dass wild lebende Wellensittiche in Australien darauf angewiesen sind, vorhandene Baumhöhlen mit den Schnäbeln bei Bedarf zu vergrößern – und das ist sehr oft vonnöten.
Es sind vor allem die Weibchen, die aus zu engen Höhlen unter Zuhilfenahme ihrer Schnäbel ausreichend große Kinderstuben herstellen. Der Nagetrieb hilft diesen gefiederten Höhlenbrütern somit, ihren Fortpflanzungserfolg sicherzustellen. Denn für die Tiere gilt: Ohne einen passenden Nistplatz können sie keine Familie gründen. Demnach ist der ihnen angeborene Nagetrieb für die Wellensittiche von enormer Bedeutung.
Wie alle Triebe, dem den eigenen Überleben und dem der Art dienen, ist auch der Nagetrieb recht stark. Durch die jahrzehntelangen Zuchtbemühungen, aus denen die heutzutage vom Menschen gehaltenen, domestizierten Wellensittiche hervorgegangen sind, konnte zwar das Aussehen der Vögel stark verändert werden, nicht jedoch ihre angeborenen Triebe. Aus diesem Grunde ist es praktisch unmöglich, Wellensittichen das Nagen an Holz und anderen Gegenständen abzugewöhnen – es ist ihnen buchstäblich „in die Wiege gelegt“.
Man muss sich als Tierhalter damit abfinden, dass der Drang, alles Erdenkliche anzuknabbern, ein fester Bestandteil des Verhaltensspektrums der Wellensittiche ist. Anstatt seine Energie daran zu verschwenden, den Vögeln etwas abzugewöhnen, was ihnen nicht auszutreiben ist, sollte man also lieber Strategien finden, den Nagetrieb auf Gegenstände zu lenken, deren Beschädigung unproblematisch für Mensch und Tier ist.
Den Nagetrieb „umleiten“
Naturmaterialien zu benagen, ist bei vielen Wellensittichen besonders beliebt. Naturäste, siehe Beitrag über geeignete Holzarten, werden von ihnen normalerweise gern angenommen. Die Vögel lieben es, die Rinde von Ästen abzunagen und anschließend das Holz mit ihren Schnäbeln zu bearbeiten. Darüber hinaus bietet sich Korkeichenrinde – kurz Korkrinde genannt – an, die Wellensittiche ausgesprochen gern schreddern. Viele Tiere finden zudem großen Gefallen daran, harte Gemüsesorten wie Karotten in kleine Einzelteile zu zerbeißen und diese mit dem Schnabel umher zu schleudern. Das mag auf uns wie Verschwendung wirken, bereitet den Vögeln aber Spaß und man sollte es ihnen hin und wieder ermöglichen.
Wer ein Haus bewohnt oder eine ausreichend große Wohnung hat, kann seinen Tieren ein separates, abgesichertes Vogelzimmer einrichten. Darin können sie keinen oder nur geringen Schaden mit ihren Schnäbeln anrichten. Meine Vögel bewohnen ein solches Zimmer, in dem kaum Mobiliar aufgestellt ist. Seit ich den Tieren das Vogelzimmer zur Verfügung stellen konnte, blieben meine Bücher, Schränke, Zimmerpflanzen und andere Dinge, die in den restlichen Räumen der Wohnung untergebracht sind, vor ihren Schnäbeln verschont.
Im Vogelzimmer stehen meinen Vögeln viele natürliche Materialien zum Benagen zur Verfügung. Zudem biete ich oft Pflanzen aus der Natur zum Anknabbern und Fressen an. Trotzdem zupfen sie gern an manchen Stellen die Tapeten von der Wand. Die von den Wellensittichen verursachten Zerstörungen beim Freiflug halten sich aber für gewöhnlich in erträglichen Grenzen, wenn man den Tieren ein separates Zimmer zur Verfügung stellen kann und darin viele Beschäftigungsmöglichkeiten wie Schredderspielzeuge anbietet. Das hat noch einen weiteren Vorteil: Durch das Knabbern wird gleichzeitig auch Schnabelpflege betrieben.
Wenn der Nagetrieb zur Gefahr wird
Für uns Menschen mag der Nagetrieb der Vögel zuweilen unerfreulich sein, weil sie teure Möbel oder wertvolle Bücher beschädigen. Ihnen selbst macht das meist wenig aus. Doch es gibt Fälle, in denen Lebensgefahr besteht. Wenn sie beispielsweise Elektroleitungen anknabbern, könnten sie einen tödlichen Stromschlag erleiden. Oder aber sie fressen von einer giftigen Zimmerpflanze beziehungsweise knabbern Zigarettenstummel an – beides kann in einer tödlichen Vergiftung enden, gegen die es praktisch keinerlei Behandlungsmöglichkeiten gibt. Auch das Anknabbern von bleihaltigen Gegenständen wie Tiffanylampen oder Gardinenbändchen hat schon viele Vögel das Leben gekostet. Deshalb ist es wichtig, die Vögel entweder immer im Blick zu haben und „Knabberunfälle“ zu vermeiden oder aber die Tiere in einem abgesicherten Vogelzimmer zu halten.