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Flugfaule Vögel

Hinweis: Die in diesem Kapitel erläuterten Zusammenhänge beziehen sich überwiegend auf Wellensittiche. Auf andere Vogelarten sind die Angaben nicht in jedem Fall direkt übertragbar, sie gelten aber durchaus für eine ganze Reihe anderer Heimvogelspezies.

Man sollte meinen, Vögel hätten als Wesen der Lüfte grundsätzlich Spaß am Fliegen. Dem ist aber nicht in jedem Fall so. Unter bestimmten Umständen kann es dazu kommen, dass die Vögel ihre Lust an dieser Art der Fortbewegung verlieren. Die Gründe für diese Flugunlust können vielfältig sein. Um die Tiere wieder dazu zu bringen, mehr und vor allem mit Freuden zu fliegen, muss jeder Fall individuell betrachtet werden, um die Ursache für die Unlust am Fliegen herauszufinden. Gelingt dies, kann der Halter seinen Vögeln oft dabei unterstützen, wieder aktiver zu werden. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die Vögel das Fliegen eingestellt haben, weil sie unter Schmerzen leiden. Dann muss der erste Schritt sein, die Grunderkrankung in den Griff zu bekommen, um den Tieren wieder zu mehr Lebensqualität und Freude an der Bewegung zu verhelfen. In diesem Kapitel werden einige typische Ursachen für die Flugfaulheit bei Heimvögeln vorgestellt.

Übergewicht als Auslöser

Übergewicht kann zu Flugfaulheit oder zur Flugunfähigkeit führen.
Übergewicht kann zu Flugfaulheit oder zur Flugunfähigkeit führen.

Häufig ist Übergewicht ein entscheidender Auslöser dafür, dass Vögel kaum oder gar nicht mehr fliegen möchten. Für die Tiere bedeutet es eine immense Anstrengung, sich in die Luft zu erheben, wenn sie zu schwer sind. Verschärft wird diese Situation mitunter dadurch, dass die Tiere entweder wegen des Übergewichts oder weil sie schon recht alt sind Gelenkprobleme entwickeln. Dann kommen Schmerzen hinzu, die dadurch verstärkt werden, dass mehr als das normale Körpergewicht fliegend in der Luft gehalten werden muss. Daher verwundert es nicht, dass viele übergewichtige Vögel und vor allem solche, die noch dazu unter Gelenkproblemen leiden, flugfaul werden.

Der wichtigste Schritt ist, dass übergewichtige Vögel wieder zu ihrem Normalgewicht geführt werden. Jedoch ist es nicht ratsam, eine Diät zur Gewichtsreduktion in Eigenregie und ohne Betreuung durch einen vogelkundigen Tierarzt durchzuführen. Häufig sind bei Vögeln mit Übergewicht auch die Organe durch das überschüssige Fett belastet oder gar geschädigt. Würden die Tiere einer Diät unterzogen und zu mehr Bewegung gezwungen, könnten sie im ungünstigsten Fall an Organversagen sterben. Deshalb ist es wichtig, dass ein erfahrener Tierarzt sie zunächst untersucht und dann einen sinnvollen Diät- und Bewegungsplan für die flugfaulen gefiederten „Pummelchen“ festlegt.

Krankheiten als Auslöser

Mitunter führen ernsthafte Erkrankungen dazu, dass ein Vogel faul wird. War das Tier über längere Zeit krank oder geschwächt, hat es eventuell keine Gelegenheit oder keine Kraft gehabt, sein Flugvermögen ausreichend zu trainieren. Hebt es dann nach längerer Pause wieder ab, fällt ihm selbst die kleinste Runde schwer, weil sich die Muskulatur zurückgebildet hat. Denn auch bei Vögeln gilt wie bei uns Menschen: Muskeln, die über eine gewisse Zeit nicht benutzt werden, werden deutlich schwächer, und das erschreckend schnell. Vögel gehen gern in einem solchen Fall nur allzu gern den einfachsten Weg und fliegen nach längeren Phasen krankheitsbedingter Flugunfähigkeit nur widerwillig oder gar nicht mehr. Auch hier ist nach Absprache mit dem Tierarzt meist ein sanftes Bewegungstraining hilfreich.

Gelenkbeschwerden als Auslöser

Meist betreffen Gelenkschmerzen infolge von Verschleiß vor allem sehr alte Vögel. Leiden sie beispielsweise an Arthrose in den Schultergelenken, ist das Fliegen für die Tiere mit großen Schmerzen verbunden. Es ist wichtig, eine genaue Diagnose stellen zu lassen und nicht einfach nur zu vermuten, dass ein schon etwas älterer Vogel, der nicht mehr fliegen möchte, Gelenkschmerzen haben könnte. Vogelkundige Tierärzte können eine Arthrose in den meisten Fällen sicher nachweisen. Heilbar ist sie für gewöhnlich nicht, aber mitunter kann den betroffenen Tieren Linderung verschafft werden. Das kann so gut funktionieren, dass sie sogar wieder ein wenig fliegen möchten. So gut läuft es jedoch nicht in allen Fällen und bei gefiederten Arthrose-Patienten muss deshalb oftmals davon ausgegangen werden, dass sich nichts gegen die Flugfaulheit unternehmen lässt.

Leidet ein Vogel an Arthrose und ist er noch dazu übergewichtig, ist die Belastung der Knochen und Gelenke beim Fliegen umso größer, was mit noch stärkeren Schmerzen einhergeht. Aus diesem Grunde sollten Vögel, die an Arthrose erkrankt sind, im Idealfall nicht auch noch zu viel wiegen.

Verletzungen als Auslöser

Eine Quetschung des Nervs in der Schulter hat dazu geführt, dass diese Diamanttaube nicht mehr fliegen wollte.
Eine Quetschung des Nervs in der Schulter hat dazu geführt, dass diese Diamanttaube nicht mehr fliegen wollte.

Beim täglichen Freiflug oder im Käfig beziehungsweise in der Zimmervoliere kann sich ein Vogel eine Verletzung eines Flügels oder einer Schulter zuziehen. Diese Verletzung fällt dem Halter auf den ersten Blick nicht unbedingt auf, der Vogel spürt sie aber mehr als deutlich, denn jeder Flugversuch verursacht ihm Schmerzen. Deshalb fliegt er gar nicht oder nur widerwillig. Es ist somit sehr wichtig, einen Vogel, der plötzlich ohne sichtbaren oder bekannten Auslöser nicht mehr fliegen möchte, von einem fachkundigen Tierarzt untersuchen zu lassen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass keine Verletzung übersehen wird und unbehandelt bleibt. Gehen Sie bitte auch nicht davon aus, dass die Flügel in Ordnung sind, weil sie nicht herunter hängen. Es gibt auch Verletzungen, bei denen Flügel nicht hängen und trotzdem kaum ohne starke Schmerzen vom Vogel bewegt werden können. Das heißt: Manche Verletzungen sind von einem Laien auf den ersten Blick nicht erkennbar!

Ob und wann der Vogel wieder zum Fliegen animiert werden sollte, ist mit dem behandelnden Tierarzt zu besprechen. In einigen Fällen ist es sinnvoll, wenn die Tiere Schmerzmittel erhalten und sich weiter bewegen, in anderen ist vorübergehende absolute Schonung wichtig, damit die Heilung voranschreiten kann.

Traumatische Erfahrungen als Auslöser

Eine weitere mögliche Ursache für Flugfaulheit ist eine traumatische Erfahrung. Manche Vögel, die zuvor beim Fliegen verunglückt sind und dabei große Schmerzen erlitten haben, meiden später diese Art der Fortbewegung. Ist ein Vogel beispielsweise bei einer Bruchlandung hart aufgeschlagen, bringt er diese äußerst negative Erfahrung eventuell mit dem Fliegen in Verbindung und wird deshalb flugfaul, um sich nicht wieder in eine Situation zu bringen, in der sich das unerfreuliche Erlebnis wiederholen könnte.

Einen traumatisierten Vogel dazu zu bringen, seine Flugangst zu verlieren, ist nicht immer leicht  und erfordert sehr viel Einfühlungsvermögen. Am besten kann man zahme Vögel damit motivieren, sie mit kleinen Leckerbissen zu belohnen, wenn sie eine etwas größere Strecke geflogen sind. Generell ist es ratsam, einen Vogel, der infolge eines psychischen Traumas nicht mehr fliegen möchte, unter Anleitung eines Papageientrainers zum Fliegen zu animieren.

Einzelhaltung als Auslöser

Etliche einzeln gehaltene Vögel ziehen es oft vor, nicht viel zu fliegen, weil sie aufgrund der fehlenden sozialen Kontakte zu Artgenossen unter chronischer Langeweile leiden und oft nur wenige Anreize zum Fliegen haben. Sind sie stark auf den Menschen fixiert und sitzen sie ständig auf seinem Arm oder seiner Schulter, brauchen sie gar nicht zu fliegen und werden allein dadurch schon flugfaul.

Außerdem kann es geschehen, dass einzeln gehaltene Vögel Verhaltensauffälligkeiten entwickeln. Eine solche Verhaltensauffälligkeit kann eine überdurchschnittlich stark ausgeprägte Teilnahmslosigkeit sein, die sich unter anderem in mangelnder Fluglust äußert. Nicht zuletzt aufgrund dieser Tatsache gilt die Einzelhaltung von Vögeln als nicht tiergerecht, siehe dazu auch die entsprechende Rubrik von Birds-online.de.

Vögel, die infolge fehlender Anreize durch Artgenossen flugfaul geworden sind, kann man oft helfen, indem man sie vergesellschaftet. Sind die Tiere jedoch extrem stark auf den Menschen fehlgeprägt, ist eine Vergesellschaftung mit Artgenossen mitunter schwierig. Am besten zieht man in einem solchen Fall einen Experten für das Verhalten von Papageien, zum Beispiel einen Papageientrainer, zurate.

Mangelnde Anreize als Auslöser

Spannendes Kletterspielzeug, auf das gleich mehrere Wellensittiche passen, ist oft ein guter Anreiz für Flüge durch das Freiflugzimmer.
Spannendes Kletterspielzeug, auf das gleich mehrere Wellensittiche passen, ist oft ein guter Anreiz für Flüge durch das Freiflugzimmer.

Auch paarweise gehaltene oder in einem Kleinschwarm von vier bis sechs Individuen lebende Vögel können flugfaul werden, weil ihre Umgebung aus ihrem Blickwinkel betrachtet zu langweilig ist und zu wenige Anreize für das Fliegen bietet. Leben sie in einem Käfig oder einer Voliere, haben sie dort ihre Artgenossen um sich und so durchaus ein wenig Abwechslung. Aus ihrer Sicht lohnt es da nicht, die Behausung zu verlassen und zu fliegen – sie werden also nicht nur flugfaul, sondern auch zu regelrechten Stubenhockern.

Es empfiehlt sich, außerhalb des Käfigs oder der Voliere attraktive Landeplätze wie Kletterbäume und Schaukeln anzubieten. Außerdem kann interessantes Spielzeug an verschiedenen Orten im Freiflugzimmer verteilt werden. Sind diese Landeplätze und Spielzeuge nur fliegend zu erreichen, haben die Vögel Anreize, um ihre Flügel zu nutzen. Damit man die Tiere damit tatsächlich motivieren kann, ist es sinnvoll, hierbei ein wenig zu variieren und verschiedene Spielzeuge, Schaukeln und Seile auszuprobieren, denn nicht alle Vögel mögen dieselben Spielzeuge und Landeplätze.

Darum ist das Fliegen so wichtig für Vögel

Nun haben Sie einige der häufig auftretenden Ursachen für Flugfaulheit kennengelernt und im Idealfall erkannt, worin bei Ihren Vögeln das Problem liegt. Nun sollten Sie am Ball bleiben und Ihre Tiere – gegebenenfalls in Absprache mit Ihrem Tierarzt oder einem Papageientrainer – wieder an das Fliegen gewöhnen. Die Mühe lohnt sich, denn Fliegen ist für Vögel überaus gesund. Durch die beschleunigte Atmung werden die Lungen und Luftsäcke ideal belüftet und die Anstrengung steigert die Durchblutung in den großen Muskeln, ferner wird der Kreislauf gestärkt. Außerdem wird das Immunsystem angekurbelt.

Bloß kein Zwang!

Sanftes Training ist wichtig, um ehemals faule Tiere wieder ans Fliegen zu gewöhnen.
Sanftes Training ist wichtig, um ehemals faule Tiere wieder ans Fliegen zu gewöhnen.

Sie haben die Ursache für die Flugunlust Ihrer Vögel erkannt und möchten nun für Abhilfe sorgen – das ist gut so. Was Sie jedoch auf keinen Fall tun sollten, ist Ihre Tiere zu jagen oder gar zu erschrecken, um sie zum Fliegen zu bringen. Auch das Ausüben von Zwang, also die Vögel mutwillig zum Fliegen zu bringen, verbietet sich. Damit erreichen Sie letztlich nur Negatives, denn Ihre Tiere verbinden dann mit Fliegen immer nur Panik und mit Ihnen den Schrecken, der von Ihnen ausgeht. Das Resultat sind im schlimmsten Fall flugfaule, verängstigte und nicht mehr zutrauliche Vögel.

Gehen Sie stets mit der nötigen Portion Einfühlungsvermögen an die Sache heran. Ihre Tiere sollten von selbst wieder Freude am Fliegen entwickeln, Sie können dabei lediglich mehr oder minder gute Hilfestellungen leisten und die Vögel beispielsweise durch gutes Zureden (die Tiere nehmen den positiven Tonfall wahr) und das Reichen von Leckerbissen animieren. Unter Umständen dauert das Vorhaben „Flugfaulheit besiegen“ deutlich länger, als Sie es sich zuvor erhofft hatten. Aber es ist sinnvoll, grundsätzlich ohne Druck zu arbeiten.

Leckereien als Motivation

Für ein wenig Kolbenhirse oder ein saftiges Stück Apfel tun die meisten Vögel so ziemlich alles – auch fliegen. Platzieren Sie das Lieblingsfutter Ihrer Tiere an einer Stelle, die die Vögel nur fliegend erreichen können. Die Flugverweigerer werden sich sehr wahrscheinlich bald vom Anblick des begehrten Leckerbissens zum Fliegen verleiten lassen. Auch können Sie zahme Vögel zu sich locken und dann mit einem Leckerbissen belohnen, wenn sie zu Ihnen geflogen sind. Ebenso können Sie Vögel, die zu einem Sitzplatz außerhalb des Käfigs oder der Voliere geflogen sind, dort mit einem Leckerli belohnen. Vermeiden Sie es aber, die Vögel mit den Leckerbissen zu sehr zu verwöhnen, damit sie davon nicht übergewichtig werden.

Zu mehreren fliegt es sich besser

Alles andere als flugfaul: Dieser Wellensittich setzt zum Start an.
Alles andere als flugfaul: Dieser Wellensittich setzt zum Start an.

Wie bereits weiter oben erwähnt, sind es oft einzeln gehaltene Heimvögel, die nicht gern fliegen. Falls Sie nur einen Vogel halten, versetzen Sie sich bitte in seine Lage: Er ist allein und niemand macht ihm vor, dass Fliegen Spaß macht – Sie können das ja nicht! Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass Ihr gefiederter Freund nicht fliegen möchte. Oder würden Sie gern mutterseelenallein ohne andere Menschen in einem großen Saal tanzen? Mit anderen macht es doch viel mehr Spaß, oder?

Der Vergleich mag zwar hinken, aber halten Sie sich unbedingt vor Augen, wie sehr Vögel arteigene Gesellschaft lieben. Auch wenn Sie immer für Ihren Vogel da sind, können Sie beim besten Willen nicht mit ihm durchs Haus fliegen. Mindestens ein weiterer Artgenosse täte Ihrem flugfaulen gefiederten Freund gut, denn die Tiere animieren einander meist gegenseitig zum Fliegen.

Ausnahmesituation Mauser

Manche Vögel verlieren durch die Mauser die Lust am Fliegen. Zwar läuft die normaler Mauser bei Wellensittichen so ab, dass die Vögel grundsätzlich immer flugfähig bleiben, weil nie zu viele der langen Federn an den Flügeln gleichzeitig ausfallen. Trotzdem kann das Gefiederwachstum die Tiere so viel Kraft kosten, dass sie vorübergehend flugfaul werden. Dies gilt insbesondere für ältere Tiere oder Wellensittiche mit Vorerkrankungen, die generell etwas schwächer sind als gesunde, junge Artgenossen. Mit dem Ende der Mauser sollte die Flugfaulheit dann aber vorüber sein. Ist sie es nicht, sollte nach einer anderen Ursache gesucht werden.