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Nächtliches Geflatter
Obwohl es in dieser Rubrik von Birds-online.de vor allem um das Verhalten der Wellensittiche geht, ist das Thema dieses Kapitels auch für andere Vogelarten gültig. Deshalb kennen viele Vogelhalter das folgende Problem: Nachts beginnen die Tiere urplötzlich und oft ohne erkennbaren Grund im Käfig oder in der Zimmervoliere umher zu flattern. Sie können sich kaum beruhigen und machen einander immer nervöser. Flattert ein Vogel panisch auf, fangen seine Artgenossen kurze Zeit später meist ebenfalls damit an. Sogar dann, wenn die Tiere auf mehrere Käfige verteilt sind, kann dies geschehen. Nicht selten sieht sich der Tierhalter dann mit einem ganzen Schwarm völlig verängstigter Vögel konfrontiert, die meist auch dann nicht aufhören panisch zu flattern, wenn er das Licht einschaltet und ihnen gut zuredet. Um den Tieren in einer solchen Situation helfen zu können, ist es zunächst einmal wichtig zu verstehen, weshalb sich die Vögel so verhalten und nächtliche Panikattacken erleiden; im englischsprachigen Raum werden diese übrigens als „Night Frights“ bezeichnet.
Viele Vögel sind Fluchttiere
Biologen teilen Tiere in verschiedene Gruppen ein. Manche davon basieren auf verwandtschaftlichen Verhältnissen, andere wiederum deuten auf gemeinsame Lebens- oder Ernährungsgewohnheiten hin – oder darauf, was ihre primäre Überlebensstrategie ist. So kennen die Biologen unter anderem die Gruppe der sogenannten Fluchttiere. Hierunter sind vereinfacht gesprochen Tiere zu verstehen, die sich bei Angriffen durch Fressfeinde nicht oder nur in sehr geringem Maße gegen diese verteidigen können. Sie versuchen deshalb, ihr Überleben zu sichern, indem sie fliehen. Somit ist die Flucht für sie entscheidend, weshalb sie eine entsprechende Bezeichnung tragen. Ganz anders ist dies beispielsweise bei Löwen. Sie sind eher das Gegenteil, da sie kaum Feinde haben und selbst Angriffe ausführen. Ein weiteres Erkennungsmerkmal der Fluchttiere ist, dass ihre Augen seitlich am Kopf angeordnet sind, wohingegen die Augen der Jäger vorn im Gesicht nebeneinander liegen. Damit ist auch klar, in welche Kategorie der Mensch fällt, nämlich in die der Angreifer und Jäger.
Etliche der in Menschenobhut gehaltenen Heimvögel sind in freier Natur Schwarmtiere, so auch die Wellensittiche. Innerhalb eines Schwarms achtet jedes Individuum sehr genau darauf, wie sich seine Artgenossen verhalten. Sind sie entspannt, braucht das einzelne Individuum nicht nervös zu sein. Reagiert hingegen ein Artgenosse alarmiert oder panisch, registrieren die anderen Vögel dies sofort und wissen, dass sehr wahrscheinlich Gefahr in Verzug ist. Deshalb schließen sie sich einem flüchtenden Artgenossen augenblicklich an, ganz egal, was sie gerade getan haben. Sie „hinterfragen“ es nicht, dass einer der ihren flieht, sondern folgen augenblicklich seinem Beispiel. Sie wissen instinktiv, dass das ihre Überlebenschancen erhöht. Somit gilt für die meisten sozial, also im Schwarm lebenden Vogelarten: Hat ein Individuum plötzlich Panik und versucht zu fliehen, signalisiert dies „Gefahr für alle“, was in sehr vielen Fällen zu einem sofortigen Fluchtversuch aller Artgenossen in seiner Nähe führt. Das ist der Grund, weshalb bei einer Nachtpanik oftmals nicht nur ein Vogel herumflattert, sondern alle, weil er seine Artgenossen mit seiner Angst quasi „ansteckt“ und sie sich gegenseitig aufschaukeln.
Ihre Panik steigt oft noch, wenn sie in der Dunkelheit orientierungslos sind und beim Flattern gegen Hindernisse prallen. Dies signalisiert ihnen, dass eine Flucht nicht möglich ist. Dadurch steigt der psychische Druck enorm und die Tiere werden immer ängstlicher.
Warum flattern Vögel manchmal nachts im Käfig oder in der Voliere?
Genau wie ihre wilden Verwandten sind auch die in menschlicher Obhut lebenden Wellensittiche und zahlreiche andere Heimvögel noch immer instinktgesteuerte Lebewesen. Hunderte von Zuchtgenerationen konnten die Tatsache nicht ausmerzen, dass es sich auch bei den domestizierten Vögeln nach wie vor um Fluchttiere handelt.
Wird ein Wellensittich oder ein anderer Heimvogel im Schlaf gestört, fühlt er sich möglicherweise dermaßen bedroht, dass er instinktiv die Flucht ergreifen will und losfliegt, obwohl er im Dunkeln nichts sehen kann. In einem Käfig oder in einer Voliere kommt er nicht weit, er schlägt mit den Flügeln an und verursacht großen Lärm. Spätestens dadurch oder weil er mit schlafenden Artgenossen zusammenstößt, werden diese ebenfalls aus dem Schlaf gerissen. Wenn sie in einem anderen Käfig untergebracht sind, reicht oft der Lärm des panisch flatternden Vogels aus, um sie auch in Angst zu versetzen. Sie schrecken hoch und geben ebenfalls augenblicklich ihrem Fluchtinstinkt nach, schließlich scheint ein Artgenosse in akuter Gefahr zu sein – also nichts wie weg!
Es gibt zahlreiche mögliche Gründe für das nächtliche panische Geflatter. Viele Vögel erschrecken beispielsweise, wenn sie ein ungewöhnliches oder ihnen nicht bekanntes Geräusch hören. Hupt etwa ein Autofahrer vor dem Haus mitten in der Nacht, kann dies bei Vögeln Panik auslösen. Auch wenn in der Wohnung plötzlich etwas herunterfällt – zum Beispiel ein Bild, weil sich ein Nagel in der Wand gelöst hat -, kann dies zu einer Panikattacke bei Vögeln führen. Ebenso schrecken die Tiere auf, wenn sie nachts Lichtblitze sehen. Ein nächtliches Gewitter kann sie in panische Angst versetzen und auffliegen lassen. Besonders heftig reagieren viele Heimvögel auf Silversterfeuerwerkskörper, die zu „Unzeiten“, also nicht zum Jahreswechsel, draußen gezündet werden. Ein einzelner, etliche Tage nach Silvester in der Nähe des Hauses gezündeter Böller kann die Vögel nachts in Panik versetzen. Darüber hinaus könnten Insekten wie Mücken die Tiere nachts erschrecken. Hin und wieder kommt es sogar in Mitteleuropa zu leichten Erdbeben. Diese Erdstöße können die Vögel stark verunsichern und auffliegen lassen. Ähnlich verhält es sich mit Straßenbauarbeiten, die nachts fortgeführt werden und zu starken Erschütterungen des Bodens führen.
Neben den genannten Auslösern kommen etliche weitere Ursachen in Betracht, sodass es oft nicht ganz leicht ist, den Grund für das nächtliche Geflatter sofort zu erkennen. Jeder Halter, dessen Tiere davon betroffen sind, muss deshalb den Fall individuell betrachten und nach dem Ausschlussverfahren mögliche Ursachen bewerten, bis ein wahrscheinlicher Auslöser übrig bleibt. Im Idealfall sollte dann versucht werden, diesen störenden Faktor auszuschalten, damit die Tiere sich nicht in einer anderen Nacht erneut erschrecken.
Was tun, wenn Vögel nachts panisch flattern?
Zunächst einmal sollte der Vogelhalter für eine bessere Beleuchtung sorgen, also das Licht einschalten. Viele Vögel beruhigen sich ein wenig, wenn sie ihre Umgebung sehen können und dadurch feststellen, dass ihnen doch keine Gefahr droht.
Auf gar keinen Fall sollte der Tierhalter die im Käfig flatternden Vögel frontal anschauen. Der Grund dafür liegt in der Biologie der Fluchttiere: In ihrer Panik erkennen die Vögel den Halter womöglich nicht und nehmen sein Gesicht als Bedrohung wahr. Wie weiter oben erwähnt, sind bei Beutegreifern die Augen nebeneinander im Gesicht angeordnet. Deshalb fühlen sich im Käfig flatternde Vögel, die von einem Menschen angestarrt werden, meist instinktiv unwohl und durch ihn bedroht, obwohl sie ihn unter normalen Umständen nicht als Gefahr einstufen. Eine Gefahrensituation ist immer eine besondere Lage, die Vögel reagieren gewissermaßen „irrational“ und „kopflos“. Deshalb sollte man sie allenfalls seitlich aus dem Augenwinkel anschauen, also nur indirekt anblicken. Das verursacht in aller Regel weniger Angst bei den Tieren.
Ebenfalls nicht empfehlenswert ist es, sich über die Vögel zu beugen. Denn auch das kann bedrohlich wirken, stoßen doch in der Natur beispielsweise Greifvögel von oben auf ihre Opfer herab. Nähern Sie sich ihren ängstlichen Vögeln auf Augenhöhe oder sogar von unten, damit die Tiere auf Sie hinab schauen können. Das erhöht bei den Heimvögeln das Gefühl der Sicherheit und der Kontrolle über die Situation.
Viele Tierhalter versuchen, ihre verängstigten Vögel mit Zischlauten wie „Ssssch“ zu beruhigen. Dieser Klang versetzt panische Vögel jedoch häufig noch mehr in Angst. Wilde Vögel werden mitunter von Schlangen erbeutet, die manchmal raschelnde und zischende Geräusche von sich geben. Aus diesem Grund haben die Vögel instinktiv Angst vor zischenden Klängen, was sich in Paniksituationen besonders verheerend auswirken kann. Anstatt durch die Geräusche ruhiger zu werden, geraten die Vögel zusätzlich in Aufregung. Das geschieht sogar dann, wenn die Tiere im normalen Alltag Zischgeräusche wie diese kennen und sich unter anderen Umständen nicht davor fürchten. Am besten schaltet der Tierhalter beruhigende, leise Musik ein. Diese Hintergrundbeschallung wirkt oft positiv und hilft den Vögeln dabei, ihre Panik zu überwinden.
Aus dem Käfig lassen sollte man panische Vögel nur im äußersten Notfall, denn im Zimmer würden sie weiter ängstlich umherflattern. Dabei würden sie Hindernisse, die sie normalerweise kennen, möglicherweise nicht wahrnehmen oder ihnen nicht ausweichen. Die Unfallgefahr wäre somit enorm groß; in solchen Fällen kommt es dann leider oft zu schweren Kollisionsunfällen. Wenn man versucht, die Vögel wieder in den Käfig oder in die Voliere zu setzen, obwohl sie sich noch nicht ganz beruhigt haben, reagieren manche von ihnen erneut mit Panikattacken und flattern wild umher.
Nächtliche Panikattacken möglichst verhindern
Damit Vögel nachts ohne Störung schlafen können, sollte ihr Käfig oder die Voliere an einem ruhigen Ort stehen. Es sollte nach Möglichkeit kein Licht von draußen auf den Käfig fallen können, also beispielsweise Licht von vorbeifahrenden Autos. Gerade im Sommer, wenn es häufig zu Gewittern kommt, sollten keine Blitze für die Vögel direkt sichtbar sein, denn die plötzliche Helligkeit versetzt sie unter Umständen in Panik.
Der Käfig oder die Voliere sollte möglichst erschütterungsfrei aufgestellt sein und es sollte sich in der Wohnung oder im Haus nachts niemand an den Tieren vorbeischleichen – das könnte die Vögel in große Angst versetzen.
Viele Tiere schlafen ruhiger, wenn sich in der Nähe ihres Käfigs ein Nachtlicht für Kinder befindet. Die Vögel können dank einer solchen Lampe ihre Umgebung schemenhaft erkennen und sich besser orientieren. Falls sie durch ein Geräusch oder eine Erschütterung aufgeschreckt werden, sehen sie gleich, dass in der Nähe keine Gefahr droht. Deshalb flattern Vögel seltener auf, wenn ihnen eine solche Lampe ein wenig Licht spendet. Der Fachhandel bietet Nachtlampen mit LEDs an, die kaum Strom verbrauchen und die einfach in einer Steckdose montiert werden können. Einige Modelle dieser Lampen verfügen über einen integrierten Helligkeitssensor. Sobald eine bestimmte Umgebungshelligkeit überschritten wird, schalten sich diese Lampen automatisch ab, sodass tagsüber keine Energie verbraucht wird. Diese Lampen müssen somit tagsüber nicht ausgeschaltet oder aus der Steckdose entfernt werden.
Ganz verhindern lassen sich die nächtlichen Panikattacken mit solchen Lampen jedoch nicht, es kann trotz der schwachen Beleuchtung hin und wieder zu einer Nachtpanik kommen. Vorsicht ist also dennoch geboten und der Halter sollte am besten Türen so weit geöffnet lassen, dass das panische Flattern im Schlafzimmer hörbar ist, um den Tieren zur Hilfe eilen zu können, wenn es denn doch passiert.
Was tun bei Verletzungen?
Bedauerlicherweise kann es während einer Panikattacke zu schweren Verletzungen kommen. Knochenbrüche, Platzwunden und Gehirnerschütterungen sind keine Seltenheit, weil die Vögel mit dem Käfiggitter und -inventar zusammenstoßen. Der Vogelhalter sollte für einen solchen Notfall immer einen Blutstiller in seiner Hausapotheke griffbereit haben und zur Not auch nachts rasch mit einem Taxi oder dem eigenen Pkw eine Tierklinik mit nächtlichem Notdienst (Telefonnummer notieren!) aufsuchen können.