Erfahrungsbericht von Lunchi, 2002
Als vor circa zwölf Jahren mein Wellensittich starb, wollte ich sofort einen neuen haben, da ich einfach alles vermisste, was mit dem Haustier zu tun hatte. Wir sind zu einem Züchter gegangen und haben uns dort in der Voliere einen neuen Welli ausgesucht. Das Tier saß – wie alle Jungvögel zu dem Zeitpunkt – auf dem Volierenboden, sodass ich nicht sehen konnte, in welcher Verfassung es war. Zu Hause stellte sich schnell heraus, dass das Wellensittich-Weibchen nicht fliegen konnte. Sie machte zwar Anstalten, es endete aber immer in einem Sturzflug beziehungsweise später fiel sie dann nur noch wie ein Stein zu Boden.
Nach ein paar Wochen bemerkte ich am Schnabel des Tieres weiße Stellen und wir sind sofort zum Tierarzt gegangen. Diagnose: Räudemilben. Ich musste den Vogel dann einige Wochen lang mit einer Tinktur/Öl behandeln, die mit einem Wattestäbchen auf den Schnabel gestrichen wurde. Die Milben verschwanden daraufhin völlig. Die nächste Krankheit war eine Kropfentzündung. Als der Wellensittich auf meinem Finger saß, merkte ich, wie schwach sie war, sie konnte sich kaum am Finger festhalten und ihre Füßchen waren heiß wie im Fieber. Sie schleuderte Körner und würgte. Also gingen wir wieder zum Tierarzt. Er machte eine Kropfspülung, danach war alles wieder okay.
Nicky war – wahrscheinlich durch ihre Flugunfähigkeit – immer sehr ruhig, zurückgezogen und saß am liebsten im oder auf dem Käfig. Damals durfte ich leider nur einen einzelnen Welli halten und so schmuste sie immer mit einem Holzspielzeug. Dieses Spielzeug hatte das Weibchen irgendwann so zugeknabbert, dass es an einer Ecke eine scharfe Spitze/Kante gebildet hatte, ohne dass ich dies bemerkt hatte. Irgendwann muss der Welli beim Schmusen wohl mal abgerutscht sein und sich dabei eine schlimme Verletzung am Hals zugezogen haben, die stark blutete. (Das Spielzeug ist sofort in den Müll gewandert.) Dieses Loch ist zum Glück schon bald sehr gut verheilt.
Die nächste Sache waren Nickys Füße. Öfters mal beobachtete ich, dass Nicky beim Laufen humpelte, vor allem nach einem ihrer Abstürze von einem höheren Punkt auf den Boden, zog sie einen oder beide Füße nach und lahmte regelrecht. Wir sind dann irgendwann mit ihr deswegen zum Tierarzt gegangen. Der Tierarzt war nicht vogelkundig und verkündete, er könne die Ursache nicht feststellen, es könne Gicht sein, Rheuma oder „etwas in der Art“. Und verordnete Vitamintropfen (Vitacombex V). Die Fußsache verbesserte sich für eine Weile, trat dann aber wieder stärker auf. Außerdem ging es dem Tier augenscheinlich sehr schlecht, sie hatte Schwierigkeiten beim Kotabsetzen.
Ich machte mich dann im Internet schlau und erfuhr die Sache mit den vogelkundigen Tierärzten. Nach einem Hin und Her konnte ich meine Mutter dazu überreden, meinen Vogel und mich zu einer fachkundigen Klinik zu fahren, die am anderen Stadtende liegt. Dort wurde dann endlich die Ursache für das Lahmen festgestellt: Nicky hatte eine Zyste im Unterbauch, die auf Kloake und Beinnerven drückte. Dieser Druck auf die Nerven in den Beinen und Füßen hatte immer diese Lahmheit ausgelöst. Die Zyste wurde mit Tropfen fürs Trinkwasser behandelt, da dem Arzt erst nicht klar war, wie schwer die Krankheit sei und was genau es war. Die Tropfen schlugen leider nicht an – also fuhren wir wieder hin. Dieses Mal stellte er die Zyste und deren Größe sehr genau fest und zog mit einer Spritze Wasser heraus, „um dem Vogel Erleichterung zu verschaffen“.
Er besprach mit uns die Möglichkeit einer eventuellen Operation, wenn es dem Vogel gesundheitlich und kräftemäßig besser gehen würde, sagte aber auch klipp und klar, dass die Chancen einer solchen Operation allerhöchstens bei 50 Prozent liegen würden. Er sagte dann noch, dem Vogel müsse es nach dem Abziehen der Flüssigkeit aus der Zyste noch am selben Tag wesentlich besser gehen. In der Nacht starb das Tier leider. Ich nehme an, der Schock mit der Spritze war zu groß gewesen und die Zyste war vielleicht schon zu weit fortgeschritten, sodass die Medikamente und Spritze nicht mehr helfen konnten.
Was ich damals alles tat, um dem gehandicapten Vogel seinen Alltag ein wenig interessanter zu gestalten: Nicky habe ich oft mit in die übrigen Räume des Hauses mitgenommen. Sie war oft beim Frühstück in der Küche dabei, probierte auch gelegentlich von den Cornflakes oder lief einfach auf dem Tisch rum. Sie war im Sommer auch mit im Garten, lief durchs Gras oder saß unter der Liege oder dem Gartentisch und schaute sich um. Der Vogel hat schnell gelernt, herbeizulaufen, wenn ich sie rief, wie ein Hund und kam dann immer angerannt und ließ sich hochnehmen.
Nicky war ein Lutino und hatte eine extreme Lichtempfindlichkeit, bei Zimmerlicht saß sie oft auf meiner Brille und steckte den Kopf unter meinen Pony, weil es ihr zu hell war, draußen in der Sonne rannte sie stets zum nächstgelegenen Schattenplatz. Das Tier wurde nur sechs Jahre alt und ich nehme an, dass sie weil sie stets krank oder verletzt war, allgemein ein sehr schlechtes Immunsystem hatte oder die Zucht bei ihr nicht so ganz optimal gelaufen war (Inzucht oder Ähnliches). Seit dieser schlechten Erfahrung mit Inos meide ich Wellensittiche mit roten Augen, da ich dies als unnatürlich empfinde.
Was ich heute anders machen würde: Sollte ich noch einmal einen behinderten Vogel bekommen, würde ich dafür sorgen, dass das Tier einen ebenfalls behinderten Artgenossen bekommt (das Thema war ewiger Streitfall bei mir und meinen Eltern; auch für meinen jetzigen Vogel musste ich urlange kämpfen, damit er einen Partner bekam). Ich würde kein Tier mehr bei einem mir nicht persönlich bekannten Züchter kaufen, nur noch bei mir bekannten (ein paar kenne ich mittlerweile) oder in einer gut geführten Zoohandlung (habe mit Zoohandlungen bisher immer sehr gute Erfahrungen gemacht). Ich würde mich bei einer Krankheit des Tiers im Internet und in Büchern schlau machen und nur noch zu einem vogelkundigen Tierarzt gehen. Lutinos und Albinos kommen mir nicht mehr ins Haus.
Ich würde den Vogel vor dem Kauf lange beobachten, ob er gesund ist, fliegen kann, munter ist, wie das Gefieder aussieht und so weiter. Damals war ich einen Tag nach dem Tod meines ersten Wellensittichs so aufgelöst, ich konnte nur heulen und habe mich wahrscheinlich viel zu schnell für einen Vogel entschieden. Beim jetzigen Partner für meinen Welli habe ich mich fast eine Stunde in der Zoohandlung aufgehalten und die Tiere einzeln sehr lange beobachtet, bevor ich mich entschieden hab.
Mir konnte übrigens letztendlich kein Arzt sagen, worin Nickys Flugunfähigkeit begründet lag, die Flügel waren beide normal, mit vollen Federn, keine Verkrüppelung, Schiefhaltung oder Hängenlassen war vorhanden, äußerlich sah das Tier ganz normal aus.