Gicht
Wie Menschen können auch Vögel an Gicht erkranken. Bei dieser Krankheit, die von Medizinern als Urikopathie bezeichnet wird, handelt es sich um eine Purin-Stoffwechselerkrankung. Purine gehören zu den Substanzen, die Nukleinsäure bilden, also eines der vier Basis-Biomoleküle im menschlichen und tierischen Organismus. Im Körper werden die aus der Nahrung stammenden Purine zu Harnsäure abgebaut und normalerweise über die Nieren ausgeschieden.
Ist der Purin-Stoffwechsel gestört, funktioniert dieser Stoffabbau nicht mehr reibungsfrei und die Harnsäure kann nicht vollständig über die Nieren ausgeschieden werden. Sie sammelt sich deshalb im Blut an. Wird eine bestimmte Konzentration überschritten, kristallisiert die Harnsäure aus – es bilden sich Harnsäurekristalle, sogenannte Urate. Diese Kristalle können sich in Gelenken und im Gewebe anlagern, daraus entstehen unterschiedliche Beschwerden und Varianten der Gicht.
Man unterscheidet bei der Gicht, die meist in Schüben auftritt, zwei verschiedene Formen: die Gelenkgicht und die Eingeweidegicht, also die Nieren- und Viszeralgicht. Welche Form vorliegt, hängt unter anderem davon ab, wo sich die Harnsäurekristalle im Einzelfall abgelagert haben. Bei Vögeln tritt meist die Gelenk- und Nierengicht in Erscheinung, häufig ruft eine Kombination aus beidem die Beschwerden hervor. Diese Stoffwechselerkrankung kann bei Vögeln akut oder chronisch auftreten. Der Unterschied ist, dass bei einem akuten Schub plötzliche Beschwerden auftreten, bei einer chronischen Form das Krankheitsbild hingegen lange Zeit konstant schlecht bleiben kann.
Symptome der Nierengicht
Meist sind bei dieser Form der Gicht zunächst keinerlei Symptome zu erkennen. In seltenen Fällen neigen betroffene Vögel zu Nierenerkrankungen wie Infektionen. Manche Tiere trinken mehr als gesunde Artgenossen und ihre Kotballen können dadurch flüssiger sein als dies normalerweise der Fall ist. Jedoch bleibt die Nierengicht häufig ohne Symptome und wird erst dann nachgewiesen, wenn ein plötzlich verstorbener Vogel obduziert wird.
Symptome der Viszeralgicht
Von dieser Form der Gicht sind sogenannte seröse Häute betroffen. Unter seröser Haut versteht man ganz stark vereinfacht formuliert jene Häute, die die inneren Organe umgeben. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Herzbeutel. Symptome sind bei der Viszeralgicht, die häufig gemeinsam mit der Nierengicht in Erscheinung tritt, in aller Regel nicht zu beobachten. Sie ist oftmals erst am toten Vogel durch eine Obduktion feststellbar.
Symptome der Gelenkgicht
Von dieser Krankheit sind bei Vögeln meist die Gelenke der Zehen betroffen. Es bilden sich Knoten unterschiedlicher Größe an und in den Gelenken. Diese Verdickungen schimmern gelblich bis weiß durch die Haut und sie heben sich vom umgrenzenden Bereich des Fußes ab. Weil sich die betroffenen Gelenke entzünden, sind die Zehen und Füße in vielen Fällen heiß, geschwollen und dunkelrot bis violett verfärbt. Es dauert für gewöhnlich einige Zeit, bis sich Gichtknoten bilden. Doch in seltenen Fällen können sie in weniger als zwei Tagen entstehen.
Gichtknoten und Entzündungen der Gelenke sind sehr schmerzhaft und die Vögel entlasten die Füße so gut es geht. Zeigt nur ein Fuß Gichtknoten an den Zehengelenken, wird er meist in Schonhaltung ins Gefieder gezogen. Sind beide Füße betroffen, legen sich die Vögel häufig bäuchlings hin und belasten so die schmerzenden Gliedmaßen nur noch dann mit ihrem Körpergewicht, wenn es sich nicht vermeiden lässt.
Im weiteren Verlauf der Erkrankung werden die Gelenke steif und es kann sogar geschehen, dass Zehen absterben und abfallen. Aufgrund einer Durchblutungsstörung und dem damit verbundenen Absterben der Nerven spüren die Vögel davon häufig kaum etwas. Dennoch sollte man einen absterbenden Zeh von einem Tierarzt behandeln lassen, denn hieraus kann sich im schlimmsten Fall eine tödliche Blutvergiftung entwickeln. Das Foto in der Nähe dieses Absatzes zeigt einen von Gelenkgicht betroffenen Fuß eines Wellensittichs. Der innere, vordere Zeh ist infolge der schweren Erkrankung bereits abgestorben und amputiert worden. Deutlich sind verschiedenfarbige Bereiche an den Zehen erkennbar und in der Fußmitte erhebt sich ein großer geschwollener Gichtknoten. Einen Erfahrungsbericht über eine plötzlich auftretende Gelenkgicht finden Sie hier.
Nachweis der Gicht
Mittels einer Blutuntersuchung lässt sich der Nierengicht auf die Spur kommen, denn bei erkrankten Vögeln ist der Harnsäurespiegel in dieser Körperflüssigkeit erhöht. Dies ist allerdings erst dann der Fall, wenn die Krankheit bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ist. Die Gelenkgicht ist hingegen meist mit dem bloßen Auge zu erkennen, weil die Gelenke typische Schwellungen und Knoten aufweisen. Auf Röntgenaufnahmen kann man in manchen Fällen die Eingeweidegicht erkennen; immer funktioniert diese Nachweismethode jedoch nicht.
Behandlung
Leider sind sämtliche Formen der Gicht bei Vögeln nicht heilbar. Sofern man den Ausbruch der Krankheit erkennt, was vor allem bei der Gelenkgicht relativ leicht möglich ist, kann man versuchen, den Verlauf positiv zu beeinflussen und eine Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes hinauszuzögern.
Oft wirkt sich die Gabe von Flüssigkeit, zum Beispiel in Form einer Infusion (Kochsalzlösung), bei einem akuten Schub positiv auf den Gesundheitszustand des betroffenen Vogels aus, weil die Nieren durchgespült werden. Auch die Verabreichung von Vitamin A kann im Einzelfall helfen. Ferner hat es sich bewährt, den gefiederten Patienten Tyrodelösung anstelle von Trinkwasser anzubieten. Wichtig ist, dass die Vögel die Lösung tatsächlich zu sich nehmen, worauf der Halter sehr genau achten muss. Denn oftmals schreckt der Geschmack die Tiere ab.
Manchen Vögeln, die an Gelenkgicht leiden, hat Blutreinigungstee geholfen, er ist in Apotheken und Drogeriemärkten erhältlich. Diese Therapiemaßnahme sollte allerdings unbedingt mit dem behandelnden Tierarzt besprochen und niemals in Eigenregie angewandt werden. Mitunter ist der Einsatz des Medikamentes Allopurinol sinnvoll, die Dosierung muss von einem fachkundigen Tierarzt im Einzelfall festgelegt werden.
Leiden die Patienten unter starken Schmerzen, ist oft eine vorübergehende Schmerztherapie angeraten. Tierärzten stehen einige Präparate zur Verfügung, die sie bei Vögeln einsetzen können.
Mit homöopathischen Mitteln sollen sich ebenfalls in einigen Fällen positive Effekte erzielen lassen. Hierzu sollten Sie sich von einem fachkundigen Tierheilpraktiker beraten lassen, weil mit der Homöopathie keine Krankheitsbilder behandelt werden. Viel mehr geht es darum, jedes Individuum mit den im Einzelfall idealen Wirkstoffen zu versorgen.
Bei Gelenkgicht kann es zu heftigen Schmerzen in den Gelenken kommen. Traumeel-Salbe, die in der Apotheke frei verkäuflich ist, kann hier unter Umständen Abhilfe schaffen. Im weitesten Sinne betrachtet, handelt es sich bei dieser Salbe um ein homöopathisches Mischpräparat. Sie kann ein- bis zweimal täglich dünn auf die betroffenen Gelenke aufgetragen werden, sofern der Vogel nicht übermäßig ängstlich ist und Berührungen zulässt, ohne in Panik zu geraten.
Ernährung bei Gicht
Um den Körper zu entlasten und die Wirkung der Medikamente zu unterstützen, muss ein gefiederter Gichtpatient eine bestimmte Diät einhalten, die eiweißarm ist. Im entsprechenden Kapitel der Ernährungsrubrik erfahren Sie weitere Details zur Gicht-Diät.
Was Sie sonst noch tun können
Weil Vögel, die an Gelenkgicht leiden, mit der Zeit immer stärker in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind, sollten Umbaumaßnahmen an der Volieren- oder Käfigeinrichtung erfolgen. Aufgrund steifer Zehen können sich die Patienten ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr auf Sitzstangen halten und benötigen Sitzbrettchen. Auch gepolsterte Stangen und weiche Vogelliegen nehmen viele der betroffenen Tiere gern an. Bitte denken Sie ferner daran, den Käfigboden zu polstern, falls Ihr Patient beim Klettern abstürzt. Achten Sie außerdem darauf, dass sich keine Druckstellen oder -geschwüre unter den Füßen oder Liegegeschwüre am Bauch des erkrankten Vogels bilden.
Wenn keine Hilfe mehr möglich ist …
Ab einem gewissen Stadium verursacht eine Gelenkgicht den betroffenen Vögeln permanent große Schmerzen. Sie verschwinden nicht mehr und es ist zudem nicht ratsam, die Vögel ständig mit hoch dosiertem Schmerzmitteln zu versorgen. Ist die Bewegungsfähigkeit sehr stark eingeschränkt und leidet ein Vogel nur noch, ist der Zeitpunkt gekommen, sich Gedanken über das Einschläfern zu machen. So hart diese Entscheidung auch sein mag, weil man sein Tier liebt, umso wichtiger ist es, einen Vogel nicht unnötig leiden zu lassen, nur weil man selbst nicht loslassen kann. Wann der richtige Zeitpunkt für diesen schweren Schritt gekommen ist, können Vogelhalter mit dem behandelnden Tierarzt gemeinsam entscheiden. Außerdem finden Sie im Kapitel „Entscheidungshilfe“ Hinweise, die Ihnen hoffentlich in der schwierigen Situation helfen.