Übergewicht
Es gibt eine traurige Tatsache, die vielen Vogelhaltern Kopfzerbrechen bereitet oder die etliche von ihnen nicht wahrhaben wollen: Schätzungen zufolge ist über die Hälfte der in Deutschland als Haustiere gehaltenen Wellensittiche zu dick – oft mit allen negativen Konsequenzen für seine Gesundheit. Für andere Heimvogelarten gilt Ähnliches. In diesem Kapitel erfahren Sie, weshalb Übergewicht für die Vögel sehr gefährlich ist und keineswegs verharmlost werden sollte. Denn es hat nicht nur etwas damit zu tun, dass die Vögel rund aussehen. Viel gravierender ist, was die Fettansammlungen mit ihrem Körper und ihren Organen anstellen und wie sie sich auf die allgemeine Fitness der Tiere auswirken.
Zunächst einmal gilt es zu klären, weshalb so viele Vögel übergewichtig sind. Hierbei soll der Wellensittich als Beispiel dienen. Die beiden bedeutendsten Gründe dafür, dass bei im Haus gehaltenen Wellensittichen häufig Übergewicht auftritt, sind das permanent in sehr großen Mengen verfügbare und erheblich zu energiereiche Futter sowie in vielen Fällen Bewegungsmangel. Die Kombination dieser beiden Faktoren führt nicht selten dazu, dass Wellensittiche sehr rasch zu dick werden. Mitunter ist es zudem dem übertriebenen Fütterungstrieb eines Männchens zu verdanken, dass seine Partnerin immer schwerer wird.
Tierärzte sprechen übrigens von adipösen Vögeln, was nichts anderes heißt, als dass die Vögel in einem hohen Maß übergewichtig sind. Wie beim Menschen, bezeichnet man die Fettleibigkeit in der tiermedizinischen Fachsprache auch als Adipositas.
Normalgewichtige und übergewichtige Wellensittiche erkennen
Bei einem normalgewichtigen Wellensittich sollte in der Mitte der Brust und des Bauches ein feiner Streifen im Gefieder sichtbar sein, hier zeichnet sich das sogenannte Brustbein ab. Vor allem wenn man die Federn vorsichtig zur Seite schiebt, sollte man es erkennen können. Rechts und links vom Brustbein befindet sich die Brustmuskulatur, die im Idealfall kräftig ausgebildet sein sollte. Doch bei übergewichtigen Vögeln liegen hier Fettdepots, die zu deutlich sichtbaren Rundungen führen, siehe Foto in diesem Absatz. Die Einkerbung des Brustbeins ist nur ansatzweise zu erkennen, weil dieses Wellensittich-Männchen einige Gramm zu viel auf den Rippen hat. Das Tier ist zwar nicht stark übergewichtig, doch man kann es auch nicht als normalgewichtig bezeichnen – dafür wölbt sich zu viel Fett an der unteren Brust.
Welches Gewicht für einen Wellensittich normal ist, hängt von seiner Statur ab. Normale Stubenvögel („Hansi-Bubis“) sollten etwa 35 bis 40 g wiegen, Standardsittiche dürfen etwas mehr auf die Waage bringen, siehe auch das Kapitel über Normalgewicht. Was gesund und zu den jeweiligen Körperproportionen passend ist, muss demnach im Einzelfall entschieden werden, eine pauschale Regel existiert nicht. Dafür unterscheiden sich Größe und Körperbau der heute in menschlicher Obhut gehaltenen Wellensittiche zu sehr. An den oben genannten Gewichtsangaben sollten Sie sich dennoch grob orientieren. Möchten Sie in Erfahrung bringen, wie viel Ihr Vogel wiegt, verwenden Sie am besten eine Brief- oder Küchenwaage, die auf ein Gramm genau misst. Bestreuen Sie diese mit einigen Körnern. Dann stellen Sie die Waage auf Null und lassen den Sittich hinauf klettern, damit er die Körner fressen kann. So können Sie bequem sein Gewicht ablesen, ohne den Vogel zu verängstigen oder gar einfangen zu müssen. Sollten Sie trotzdem nicht sicher sein, ob der Sittich zu den Schwergewichten gehört, wird Sie Ihr Tierarzt sicher gern beraten.
Darum ist Übergewicht für Wellensittiche so gefährlich
Stellen Sie bei Ihrem Vogel Übergewicht fest, sollten Sie umgehend etwas dagegen unternehmen. Dicke Vögel sehen zwar auf den ersten Blick oft niedlich aus, aber ihre Gesundheit leidet extrem unter den Fettpolstern. Viele betroffene Vögeln haben wunde Stellen oder Geschwüre unter den Füßen, sogenannte Sohlengeschwüre. Vor allem an Brust und Bauch, mitunter aber auch an anderen Körperstellen bilden sich bei vielen Wellensittichen Lipome, deren Auftreten durch Übergewicht häufig begünstigt wird. Dabei handelt es sich um gutartige Fettgeschwülste, die jedoch so groß werden können, dass sie den Vogel qualvoll und langsam umbringen oder aufgrund ihres hohen Gewichts in seiner Beweglichkeit einschränken.
Noch gefährlicher als diese von außen sichtbaren „Rettungsringe“ ist die Organverfettung, weil sie auf den ersten Blick vom Laien praktisch nicht zu erkennen ist. Lagert sich beispielsweise Fett in der Leber ein, arbeitet sie nicht mehr ordnungsgemäß und kann den Vogelkörper nicht mehr ausreichend entgiften. Der Vogel erkrankt schwer (zum Beispiel Leberstörung, Herzschwäche etc.) und stirbt sehr wahrscheinlich nach einiger Zeit an den Folgen des Übergewichts.
Übergewicht bei Vögeln sanft reduzieren
Um einem Wellensittich oder anderen Ziervogel zu seinem Normalgewicht zu verhelfen, ist es mit einer Umstellung seiner Ernährung allein oft nicht getan. Das Tier benötigt dringend Bewegung, anderenfalls kann der Körper das in seinem Inneren eingelagerte Fett meist nicht abbauen. Aber bitte beachten Sie: Sowohl die Diät als auch ein eventuelles Bewegungstraining müssen unbedingt mit einem fachkundigen Tierarzt abgestimmt werden, niemals sollte eine Gewichtsreduktion in Eigenregie durchgeführt werden! Denn oftmals ist der allgemeine Gesundheitszustand eines übergewichtigen Vogels nicht optimal und es muss von einem Experten ein individueller Ernährungs- und Bewegungsplan für ihn aufgestellt werden.
Ganz so leicht ist das Abspecken allerdings nicht. Wer glaubt, mit dem im Zoofachhandel angebotenen Diätfutter könnten Vögel ihr Gewicht reduzieren, der irrt. Viele diese Futtermischungen sind nicht empfehlenswert. Tierärzte können sinnvolle Ernährungsratschläge geben oder gegebenenfalls die Umstellung auf spezielle nährstoffreiche Kost, sogenannte Extrudate, anordnen. In vielen Fällen ist somit eine Umstellung auf eine ausgewogene Ernährung das Mittel der Wahl, um einen übergewichtigen Vogel langsam und vor allem langfristig abspecken zu lassen. Informieren Sie sich zu diesem Thema bitte in der Ernährungsrubrik, in der Sie viele Tipps finden, unter anderem auch ein Kapitel über gesundes Diätfutter.