Erfahrungsbericht neurologische Störungen

Text und Bilder von Andrea Möschler, Juli 2009

Das Wellensittichweibchen Fipsy litt an einer neurologischen Störung
Das Wellensittichweibchen Fipsy litt an einer neurologischen Störung

Am 26. Mai 2009 kam die kleine Wellensittich-Henne Fipsy im Alter von sechs Monaten von der Züchterin zu uns. Die Züchterin erzählte uns, dass die Kleine unter einem Gen-Defekt leidet. Der Vogel bekommt in unregelmäßigen Abständen so etwas wie epileptische Anfälle. Man sieht nach außen nur eine Gehbehinderung und eine Lähmung.

Bei der Züchterin saß die kleine Henne mit ihren auch betroffenen Geschwistern zusammen; insgesamt waren es vier Vögel. Fipsy war als erstes geschlüpft. Ihre Schwester war zuerst bei uns, leider nur eine Woche. Sie verstarb an Krämpfen. Während der zwei Besuche bei der Züchterin sah man von der Krankheit nicht so viel, das Weibchen Fipsy saß mit den anderen Vögeln auf einer Schaukel.

Bei uns zu Hause bekam Fipsy erst einmal einen eigenen Käfig, ganz auf ihre Behinderung abgestimmt.

Fipsys behindertengerechter Käfig
Fipsys behindertengerechter Käfig

Eingerichtet haben wir ihn wie folgt:

  • Nagerkäfig zum Klettern, der nicht so hoch ist (wegen des Fallens), der ist Boden dick gepolstert mit Gästehandtüchern, darüber Küchentücher
  • Holzplattform überzogen mit einer Hängematte aus Plüsch zum Laufen
  • Plüschrolle zum Verstecken und Liegen
  • Hängebrücke, Naturäste, Holzleiter
  • Metallnäpfe zum Sitzen beim Futtern
  • Mineralsteine
  • Grit
Sehr gern saß Fipsy in ihrem Metall-Fressnapf, dessen Wände ihr Halt boten
Sehr gern saß Fipsy in ihrem Metall-Fressnapf, dessen Wände ihr Halt boten

Die Eingewöhnung war eine Zeit des Bangens. Wir kannten unsere Süße nicht und beobachteten jeden Schritt mit Angst vor dem nächsten Anfall. Zwei Tage blieben die Anfälle aus. Dann kam der Schreckensmoment: Plötzlich krümmte sich Fipsy einmal um sich selbst. Sie hatte den Kopf auf den Rücken gedreht und bewegte sich rudernd im Kreis. Die Augen waren ganz starr und sie zwitscherte. Es war ein Bild des Grauens. Es tat uns in der Seele weh. So ganz ohne Erfahrung fühlte man sich sehr hilflos.

Dann haben wir natürlich angefangen, uns zu informieren. Wir lasen Erfahrungsberichte von betroffenen Menschen, über Tiere gab es leider keine Berichte. Aber im Internet gab es wenige Hinweise für Vögel mit dieser Erkrankung.

Fipsy auf einem ihrer Sitzäste
Fipsy auf einem ihrer Sitzäste

Die Anfälle kamen immer häufiger. Insgesamt haben wir acht Anfälle miterlebt, und einen vermuten wir. Es war so unerträglich, dass wir beschlossen, in eine Tierklinik zu gehen. Dort wurde Fipsy abgetastet und geröntgt. Auch während der Untersuchung stellte sich ein Anfall ein. Die Tierärztin spritzte sofort Diazepam und gab zusätzlich noch Valium. Aber Fipsy sprach darauf nicht an. Deshalb legte uns die Ärztin nahe, unser Vögelchen zu erlösen. Sie meinte, einen anderen Weg gäbe es nicht.

Ich hatte aber durchs Internet erfahren, dass es homöopathische Medikamente gibt, die eventuell Linderung bringen könnten. Die Ärztin meinte, sie könnten auch nicht schaden. Drei Wochen versuchten wir Vitamin B12, Zinkum metallicum, Frubiase Calcium, Cerebrum compositum, Korvimin und Traumeel. Zuerst stellte sich eine Besserung ein. Bewusst erlebten wir 20 Tage keinen Anfall.

Dann, während meines Urlaubs, hatte unsere Kleine fast jeden Tag einen Krampf. Wir fuhren mit ihr zu einer Tierklinik. Leider krampfte Fipsy auch dort. Sie muss für eine Woche in der Klinik bleiben, um zu sehen, wie stabil sie ist. Die Ärzte wollten überprüfen, ob sich auch weiterhin wieder Anfälle einstellen und ob sie auf das Epilepsie-Medikament Luminal anspricht. Nach sieben Tagen holten wir unsere Kleine nach Haus. Sie bekommt seitdem drei bis vier Mal am Tag das neue Medikament. Bislang geht es gut, schon in der Klinik hatte sie keinen Krampf mehr. Das ist alles, war wir erwarten können.

Sie hat sich so gefreut ihre Freunde wieder zu hören, ihren für sie speziell eingerichteten Käfig wieder zu haben. So lange es ihr so gut geht, freuen wir uns auf jeden neuen Tag. Wenn es sich irgendwann ändert, müssen wir neu entscheiden, war das Beste für unsere süße Fipsy ist.

Vögel, die wie Fipsy an einer neurologischen Störung leiden, stehen oft sehr breitbeinig
Vögel, die wie Fipsy an einer neurologischen Störung leiden, stehen oft sehr breitbeinig
Fipsy und ihr Schwarm
Fipsy und ihr Schwarm
Buchtipp
Cover des Buches 'Vogelhaltung mit Handicap'Weil mir, der Betreiberin von Birds-online.de, gehandicapte Vögel so sehr am Herzen liegen, habe ich gemeinsam mit der erfahrenen Vogelhalterin Sigrid März ein Buch geschrieben. Darin werden die häufigsten Handicaps vorgestellt, Herausforderungen im Alltag beschrieben und natürlich Lösungen aufgezeigt. Von Amputationen über Blindheit bis hin zu altersbedingten Einschränkungen wie Arthrose reicht die Themenpalette. Ergänzend gibt es ein paar Einrichtungstipps, um gehandicapten Vögeln ein angenehmes und sicheres Umfeld bieten zu können. Wir haben den Inhalt bewusst so gestaltet, dass er sich nicht nur um kleine Sittiche dreht. Kanarienvögel, Täubchen und größere Vogelarten wie Graupapageien und Co. wurden von uns gleichermaßen mit einbezogen.

Das Buch kann für 29,90 € direkt beim Verlag bestellt werden: Web-Shop des Arndt-Verlags