Spring

Spring am Tag seiner Ankunft bei mir.
Spring am Tag seiner Ankunft bei mir.

Im zeitigen Frühling 2016 schlüpfte bei meiner Freundin ein kleiner Wellensittich aus seinem Ei, der passend zur Jahreszeit benannt wurde: Spring – das englische Wort für Frühling. Normalerweise wachsen Wellensittiche mit Geschwistern auf, doch in diesem Fall war es anders. Eine Fügung des Schicksals hatte es so gewollt, dass Spring der einzige Jungvogel im Nest bleiben sollte. Mitunter sind Eier nicht befruchtet oder es gibt andere Komplikationen, wodurch dann eine solche Situation entstehen kann. Springs Eltern waren sehr gewissenhaft und fürsorglich, das galt vor allem für seinen Vater. Er fütterte seinen Sohn regelmäßig und reichlich. So wuchs der kleine Vogel zu einem echten Wonneproppen heran.

Der Bauch war so dick, dass Spring eine regelrechte Fettschürze hatte.
Der Bauch war so dick, dass Spring eine regelrechte Fettschürze hatte.

Als er das Nest im Alter von etwas mehr als vier Wochen verließ, war Spring bereits etwas schwerer, als er es in diesem Alter eigentlich hätte sein sollen. Seinerzeit war meine Freundin noch davon ausgegangen, dass der „Babyspeck“ verschwinden würde, sobald Spring die Selbstständigkeit erreichen würde. Sie hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass der Vater seinen Sohn auch weiterhin mehr als reichlich füttern würden, obwohl er längst nicht mehr auf dessen Hilfe angewiesen war. In den kommenden Wochen und Monaten wurde Spring immer dicker, bis er schließlich dermaßen übergewichtig war, dass er kaum noch atmen und fliegen konnte.

Meine Freundin entschied, dass es das Beste für Spring sein würde, in ein neues Zuhause umzusiedeln. Bei einer gemeinsamen Freundin in Süddeutschland sollte dies sein, Spring sollte in die „Villa Luna“ einziehen, wie die Vogelfreundin ihre Voliere liebevoll nennt. Weil aber die Urlaubszeit kurz bevorstand, konnte erst für September 2016 ein Termin für Springs Umzug vom Ruhrgebiet in den Süden Deutschlands vereinbart werden. Bis dahin sollte der junge Wellensittich noch in seinem gewohnten Umfeld und somit bei seinen Eltern bleiben dürfen. Also weiterhin in der Schnabelreichweite des dauerfütternden Vaters …

Bauch und Brust des Vogels sind auf dem Röntgenbild grau vom vielen in den Körper eingelagerten Fett.
Bauch und Brust des Vogels sind auf dem Röntgenbild grau vom vielen in den Körper eingelagerten Fett.

Anfang August stürzte der unglaublich dicke Spring mehrmals heftig ab und hatte immer stärkere Atembeschwerden. Deshalb wurde er von einem vogelkundigen Tierarzt untersucht. Dabei wurden Röntgenbilder angefertigt, die eine sehr deutliche Sprache sprachen … Der besorgte Arzt sagte meiner Freundin völlig unverblümt: „Wenn der Vogel bis September weiterhin von seinem Vater dermaßen gemästet wird, dann wird er den Umzug nicht mehr erleben.“ Sein Rat war, Spring zu seiner eigenen Sicherheit sofort aus dem Vogelschwarm und dem Einflussbereich seines Vaters zu entfernen.

Noch im Behandlungsraum stehend, rief mich meine Freundin an und fragte, ob sie Spring in meine Obhut geben dürfe, bis er ein paar Wochen später seine Reise nach Süddeutschland antreten könne. Ich sagte zu und fragte, wann sie ihn denn bringen wolle. Ihre Antwort lautete „jetzt“, was mich ehrlich gesagt dann doch etwas erstaunte. Nachdem sie mir etwas später dann erklärt hatte, wie schwer der kleine Vogelmann bereits durch sein extremes Übergewicht angeschlagen war, verstand ich diesen übereilten Umzug natürlich.

Spring (links) saß gern mit Sunny zusammen.
Spring (links) saß gern mit Sunny zusammen.

Am 11. August 2016 traf Spring also bei mir ein und ich muss gestehen, dass ich selten einen Vogel mit einem dickeren Bauch gesehen habe. Er war ein richtiger kleiner „Hängebauchsittich“. Sein Schnabel war vom Sauerstoffmangel aschfahl, denn die im Körper eingelagerten Fettpolster drückten auf seine Atmungsorgane. Außerdem hatte Springs Leber bereits Schaden genommen, was an Einblutungen im Schnabel zu erkennen war. Deshalb musste er in den kommenden Wochen täglich Medikamente zur Unterstützung der Leberfunktion einnehmen. Uns stand eine etwas unerfreuliche Zeit bevor, denn dafür musste ich ihn einfangen und ich rechnete damit, dass er Angst haben würde. Die hatte er zum Glück nicht, aber es war für ihn sicher trotzdem nicht allzu angenehm, so abrupt von seinen Eltern und all seinen anderen gefiederten Freunden getrennt zu werden.

Leider starb der zauberhaften Spring im Alter von nur 2,5 Jahren - wahrscheinlich an den Folgen seines extremen Übergewichts.
Leider starb der zauberhaften Spring im Alter von nur 2,5 Jahren – wahrscheinlich an den Folgen seines extremen Übergewichts.

Weil Spring ein sehr ruhiger, aber freundlicher Vogel war, knüpfte er in meinem Vogelschwarm zaghaft einige Kontakte und lebte sich schnell ein. Vor allem mit den flugunfähigen Vögeln saß er gern beisammen. Das war allerdings nicht ganz so gewollt, hatten wir doch gehofft, dass er fliegen und so ein wenig Fett abtrainieren würde. Bis er am 21. September 2016 abgeholt wurde, um endlich gen Süden in sein neues Zuhause gebracht zu werden, hatte er trotzdem deutlich abgenommen, war aber nach wie vor zu dick. Sein Gewicht normalisierte sich auch bei Barbara in den folgenden Monaten nie vollständig, er blieb immer etwas pummelig. Seiner Gesundheit war das bedauerlicherweise nicht zuträglich. Am 30. August 2018 fand Barbara morgens Springs sterblichen Überreste auf dem Boden der Voliere vor.

Er war nur zweieinhalb Jahre alt geworden und dann ganz plötzlich gestorben. Vielleicht war es das Herz, das durch das Übergewicht zu stark belastet worden war. Genauer untersuchen ließ sie es nicht, denn es hätte den zauberhaften kleinen Kerl nicht wieder lebendig gemacht. Auch mich bestürzte die Nachricht von Springs früher Tod damals sehr, hatte ich ihn doch während der Wochen, die er bei mir verbracht hat, sehr lieb gewonnen.