Raclette – tödliche Gefahr für Ziervögel

Raclettepfännchen können bei Überhitzung zu einer tödlichen Gefahr für Heimvögel werden. © veve/Pixabay
Raclettepfännchen können bei Überhitzung zu einer tödlichen Gefahr für Heimvögel werden. © veve/Pixabay

Wenn die hellen Stunden des Tages weniger werden, es draußen kalt und ungemütlich ist und der Grill bis zum nächsten Sommer in der hintersten Kellerecke warten muss, beginnt für viele Menschen die Zeit der „Tischbruzzler“. Kochgerätschaften wie zum Beispiel Raclette-Pfännchen werden vor allem im Winter gern genutzt, am liebsten in geselliger Runde beim gemütlichen Beisammensein. Dass dieses für den Menschen kurzweilige und schmackhafte Vergnügen für Heimvögel sowie für etliche weitere Kleintierarten eine tödliche Gefahr darstellen kann, ist leider nicht allen Tierhaltern bewusst. Immer wieder erreichen mich im Winterhalbjahr und vor allem an Neujahrstagen E-Mails sehr verzweifelter Vogelhalter, in denen in etwa dasselbe steht: Es ist ein gemütliches Raclette-Essen veranstaltet worden, und plötzlich sind die Vögel innerhalb weniger Minuten gestorben – oftmals ganze Kleinschwärme mit bis zu zehn Mitgliedern. Viele von ihnen hatten Kreislaufprobleme und starke Atemnot, manchen rann Blut aus dem Schnabel. Was hat es damit auf sich und wieso stehen solche Unglücke in direktem Zusammenhang mit einem Raclette-Abend?

Unsichtbare Gefahr liegt in der Luft

Die Ursache für das schnelle Dahinscheiden vieler Vögel während oder kurz nach Raclette-Partys sind in aller Regel die sehr gefährlichen Ausdünstungen der Antihaftbeschichtungen in den kleinen Pfännchen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird diese Beschichtung in allen Fällen einfach als Teflon bezeichnet. Allerdings ist dies ein Handelsname der Firma DuPont und es gibt weitere Produkte, die wie Teflon aus Polytetrafluorethylen (PTFE) bestehen. Schon Anfang der 2000er Jahre habe ich auf meiner Website Birds-online.de auf diese Gefahr hingewiesen, woraufhin mir das Unternehmen DuPont untersagen ließ, den Handelsnamen des Kunststoffs in direktem Zusammenhang mit einer Vergiftungsgefahr für Ziervögel zu nennen. Der Grund: „Eine Erwähnung des Markennamens in einem negativen Zusammenhang ist nicht statthaft“, erklärte mir ein Rechtsvertreter des Unternehmens. Eine freie Berichterstattung mit öffentlicher Namensnennung ist mir somit verboten worden, was ich aber im Sinne der Pressefreiheit nicht befolge. Inzwischen haben außerdem mehrere Tierärzte zu dem Thema publiziert, zum Beispiel Dr. Norbert Kummerfeld im PAPAGEIEN-Sonderheft Ernährung, siehe Link.

Die kleinen Pfännchen der Raclette-Sets sind anit-haftbeschichtet und bergen deshalb ein hohes Sicherheitsrisiko für Kleintiere sowie Vögel. © Hans/Pixabay
Die kleinen Pfännchen der Raclette-Sets sind anit-haftbeschichtet und bergen deshalb ein hohes Sicherheitsrisiko für Kleintiere sowie Vögel. © Hans/Pixabay

Doch kehren wir zurück zum eigentlichen Thema. Es handelt sich bei diesem Kunststoff um ein fluoriertes Polymer, also eine mit Fluor versetzte chemische Verbindung, die aus Molekülketten beziehungsweise stark verzweigten Molekülen besteht. Die bekannteste Anwendung dieses Kunststoffs ist die Antihaftbeschichtung in Pfannen und auf der Innenseite anderer Kochgeräte. Nahezu alle Raclette-Pfännchen sind demnach mit Polytetrafluorethylen beschichtet, damit das Gebratene nicht haften bleibt. Dies gilt übrigens auch für Bratpfannen, Sandwichmaker, Waffeleisen und viele andere Küchengeräte.

Pfannen und Kochgeräte werden beim Gebrauch naturgemäß sehr heiß, und genau darin liegt das Problem: Unter großer Hitzeeinwirkung zersetzt sich Polytetrafluorethylen in seine chemischen Einzelteile. Bis eine komplette Beschichtung durch die Hitzeeinwirkung zerstört ist, vergehen sehr viele Jahre, sodass man sich um die Wirksamkeit der Beschichtung auch bei häufigem Gebrauch der Kochgeräte keine Sorgen zu machen braucht. Problematisch sind jedoch die Ausdünstungen (Dämpfe), die durch die chemische Zersetzung aufgrund der Hitzeeinwirkung entstehen.

Jene Dämpfe sind in hohen Konzentrationen für den Menschen schädlich, sie können zu schweren Vergiftungen führen. Bei einem normalen Gebrauch der Kochgeräte gilt die freigesetzte Menge dieser Gase für den Menschen in aller Regel als unbedenklich. In Bezug auf kleine Tiere verhält es sich allerdings anders. Für sie sind die geringen Mengen des giftigen Gases, die für uns Menschen als unbedenklich gelten, extrem gefährlich. Vögel sind extrem anfällig für durch PTFE-Ausdünstungen verursachte Gasvergiftungen.

Darum reagieren Vögel so empfindlich

Während ein erwachsener Mensch in ausgeruhtem Zustand zwischen 16 und 20 Atemzüge pro Minute tätigt, atmen beispielsweise Wellensittiche in derselben Zeit zwischen 75 und 96 Mal ein und aus. Andere Vogelarten atmen ebenfalls sehr viel häufiger als Menschen. Die Atemluft gelangt bei diesen Tieren nicht nur in die Lungen, wie es beim Menschen der Fall ist. Vögel verfügen neben den Lungen über ein weitläufiges System sogenannter Luftsäcke, die wie die Lunge mit Schleimhäuten ausgekleidet sind. Somit findet sich im Körper eines Vogels eine vergleichsweise große Schleimhautfläche, über die die mit der Atemluft eingeatmeten giftigen chemischen Verbindungen mit dem Körper in direkten Kontakt kommen können.

Aufgrund ihrer hohen Atemfrequenz und der vergleichsweise großen Schleimhautfläche atmen Vögel, die sich in der Nähe erhitzter Raclette-Pfännchen aufhalten, somit gewissermaßen im Eiltempo große Mengen der für sie giftigen Chemikalien ein. Weil ihr Körper sehr klein ist, wird er binnen kurzer Zeit mit dem Gift regelrecht überflutet. Die toxische Wirkung setzt schnell ein und die zerstörerische Wirkung der Gifte im Körper schreitet rasch voran.

Symptome einer PTFE-Gasvergiftung

Erste Anzeichen einer typischen PTFE-Inhalationsvergiftung bei Vögeln sind Taumeln und Orientierungslosigkeit. Viele Vögel atmen zudem schwer. Meist stürzen die Tiere innerhalb weniger Minuten mit schweren Muskelkrämpfen – in manchen Fällen unter lautem Geschrei – von den Sitzstangen. Sie liegen schwer atmend, taumelnd und krampfend am Boden, und sehr häufig rinnt ihnen Blut aus dem Schnabel. Dies geschieht, weil die chemischen Substanzen die Schleimhäute im Atmungssystem so stark angreifen, dass diese zu bluten beginnen. Die Schleimhäute bluten nicht nur, gleichzeitig verlieren sie auch die Fähigkeit, Sauerstoff und Stickstoff auszutauschen. Das heißt, die Vögel bluten und ersticken gleichzeitig. Der Todeskampf dauert in vielen Fällen einige Minuten bis maximal Stunden. Wenn die Vögel bereits aus dem Schnabel bluten und kaum mehr atmen können, ist eine Rettung leider nur noch in seltenen Fällen möglich.

Gegenmaßnahmen

Das Allerwichtigste ist hierbei: Je früher das Problem erkannt wird, desto höher ist die Chance, dass die betroffenen Vögel mit viel Glück überleben können.

Entscheidend ist es deshalb, eine mögliche Vergiftung sehr früh zu erkennen, also am besten im Anfangsstadium, wenn der betroffene Vogel Vogel noch auf der Stange sitzt und „nur“ taumelt oder erste Anzeichen einer schweren Atmung zeigt. Das Tier sollte umgehend aus der Wohnung geschafft und nach draußen an die frische Luft gebracht werden. Man kann den Vogel in seinem Käfig entweder in einen Garten, vor die Haustür oder auf den Balkon bringen. Zumindest aber sollte man den Käfig mit dem vergifteten Vogel an ein weit geöffnetes Fenster stellen. Die reine, giftfreie Luft ist überlebenswichtig für den um sein Leben kämpfenden Vogel!

Falls sich der Giftunfall im Winter ereignet hat, sollte das Tier durch eine Decke vor allzu großer Kälte geschützt werden. Oder aber man stellt den Käfig so ans geöffnete Fenster, dass man ihn zeitgleich wärmen kann, zum Beispiel mit einem Infrarot-Dunkelstrahler oder einer medizinischen Rotlichtlampe. Das Haus oder die Wohnung sollte währenddessen kräftig durchgelüftet werden, und das am besten für mindestens eine Stunde.

Sind mehrere in einer Voliere lebende Tiere gleichzeitig betroffen, kann diese unter Umständen nicht schnell genug nach draußen geschafft werden. Es ist dann umgehend für Durchzug in der Wohnung zu sorgen, damit die gifthaltige Luft so schnell wie möglich abzieht. Außerdem kann es ratsam sein, die Vögel aus der Voliere zu fangen und in einem Krankenkäfig ins Freie zu bringen. Das stresst die geschwächten Tiere zwar, doch giftfreie und sauerstoffreiche Atemluft sind in dieser Situation extrem wichtig.

Nehmen Sie nach dem Durchführen dieser Erste-Hilfe-Maßnahmen umgehend Kontakt zu einem Tierarzt oder tierärztlichen Notdienst auf, um weitere Behandlungsschritte zu besprechen. Falls von Ihnen kontaktierte Praxis oder Klinik mit einem Sauerstoffzelt ausgerüstet ist, sollten Sie Ihre Tiere umgehend dorthin bringen, damit sie sich erholen können. Es ist wichtig, dass Vögel mit Atemnot infolge einer PTFE-Vergiftung möglichst viel Sauerstoff erhalten, weil ihre Schleimhäute durch den Kontakt mit dem Gift nur noch eingeschränkt arbeiten. Der dadurch verursachte Sauerstoffmangel im Körper belastet Herz und Kreislauf, auch Hirnschäden können entstehen. Deshalb ist der Gang zum Tierarzt im Falle einer PTFE-Vergiftung unumgänglich, auch wenn die Vögel nach den Erste-Hilfe-Maßnahmen wieder einigermaßen fit wirken sollten.

PTFE-Vergiftungen vorbeugen

Es dürfte angesichts der fatalen Folgen einer PTFE-Vergiftung offensichtlich sein, dass Vorbeugung das beste Mittel ist. Wer also eine Raclette-Party veranstalten möchte und seine Vögel vor einer Vergiftung bewahren will, der sollte die Tiere aus der Wohnung bringen. Ganz recht, die gefährlichen Gase sind so flüchtig, dass sie problemlos durch die gesamte Wohnung oder gar ein Einfamilienhaus ziehen können und so andere Zimmer erreichen. Demnach ist es nicht ausreichend sicher, Ihre Vögel in einem anderen Zimmer unterzubringen, die Tür zu schließen und das Fenster zum Lüften zu öffnen. Im ungünstigsten Fall kann es trotzdem zu einer Vergiftung bei Ihren Vögeln kommen.

Der Raum, in dem die Raclette-Party stattfindet, sollte möglichst weit von dem Raum entfernt sein, in dem sich die Vögel aufhalten. Außerdem sollte im Raum, in dem gegessen wird, regelmäßig gelüftet werden. Darüber hinaus empfiehlt es sich, sämtliche Türen, die zwischen dem „Raclette-Raum“ und dem Aufenthaltsort der Vögel liegen, ebenfalls zu schließen. Wer all diese Vorsichtsmaßnahmen ergreift, sollte ohne Sorgen um seine Tiere einen geselligen Abend mit leckerem Essen genießen können.

Weitere Gefahren bei der Nutzung von Pfannen

Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung im Jahr 2013 hat sich gezeigt, dass durch starkes Erhitzen aus Antihaftbeschichtungen große Mengen Benzol in die Raumluft entweichen können. Dies ist in der Studie zwar nur bei einem Pfannenmodell geschehen, aber Vogelhalter sollten dennoch Vorsicht walten lassen. Dieser Giftstoff ist nicht nur für Vögel gefährlich, sondern auch für uns Menschen. Hier geht es zu einem Bericht über die Veröffentlichung.

Ebenfalls gefährlich

Nicht nur Raclette-Pfannen können bei Überhitzung PTFE-Dämpfe ausdünsten. Dies gilt für viele weitere Küchengeräte, darunter Bratpfannen, Grillschalen, Dauerbackfolie, Fondue-Behälter und sogar für Bügeleisen. Prüfen Sie alle Geräte, die Sie benutzen, unbedingt darauf, ob sie eine Anti-Haftbeschichtung enthalten.