Angst
Einen verängstigten Wellensittich erkennt man an der sehr angespannten Körperhaltung. Das Gefieder liegt am gesamten Körper sehr eng an, wodurch vor allem im Kopfbereich keine Federn das Blickfeld des Vogels versperren. Dies gewährleistet einen optimalen Überblick über die aus Sicht des Vogels bedrohlich wirkende Situation. Viele Wellensittiche ducken sich zudem, wenn sie Angst haben. Manchmal geben die Vögel angesichts einer Bedrohung einen kurzen, schrillen Alarmschrei von sich und verstummen dann vollständig. Sie bewegen sich nicht oder nur minimal, was damit zu erklären ist, dass ein Tier in freier Natur meist weniger auffällt, wenn es reglos auf der Stelle verharrt.
Die Pupillen eines ängstlichen Wellensittichs sind verengt und man sieht deutlich den weißen Irisring, sofern dieser beim Farbschlag des Vogels überhaupt vorhanden ist. Unter hoher Anspannung sind Atmung und Herzfrequenz stark erhöht, was man an der schnellen Bewegung des Brustkorbes sowie in manchen Fällen anhand der Atmung mit leicht geöffnetem Schnabel erkennen kann. Viele der hier beschriebenen Anzeichen für Angst sind nicht nur für Wellensittiche typisch, sondern lassen sich auch bei einer ganzen Reihe anderer Vogelarten beobachten.
Ist ein Wellensittich verängstigt, schüttet sein Organismus große Mengen Stresshormone aus (vor allem Adrenalin), die die Reaktionsschnelligkeit erhöhen. Bei einem ängstlichen Vogel sind die Muskeln angespannt, damit er innerhalb kürzester Zeit zu einer raschen Flucht bereit ist. Fällt in der Natur der Blick eines Fressfeindes auf einen still verharrenden und vor Angst wie „versteinert“ wirkenden Wellensittich, wird dieser seine Muskelspannung sofort dazu nutzen, pfeilschnell davon zu fliegen, falls sich der Feind ihm noch weiter nähert.
Auch für in Menschenobhut gehaltene Heimvögel gilt deshalb: Werden sie in einer für sie beängstigenden Situation zu sehr verunsichert, versuchen sie hastig zu fliehen. Dabei kann es zu schweren Unfällen kommen, weil die Vögel bei ihrer panischen Flucht nicht selten mit Hindernissen zusammenstoßen, die sie unter normalen Umständen kennen und umfliegen würden. Häufig geschieht es dann, dass sie zum Beispiel gegen Wände oder Glasscheiben prallen und sich dabei verletzen oder gar einen Genickbruch erleiden und daran sterben. Vögel mit Herz-Kreislauf-Schwäche können infolge des durch Angst ausgelösten massiven Stresses zudem einen Herzstillstand erleiden.
Verängstigte Vögel beruhigen
Das Wichtigste ist, die vom Vogel empfundene Gefahr zu beseitigen. Anschließend braucht der Vogel Zeit, um sich zu beruhigen. Das kann er am besten in seinem eigenen Tempo, ohne dass er vom Menschen beeinflusst wird. Falls Sie einen verängstigten Vogel dennoch beschwichtigen möchten, sollten Sie beruhigend mit ihm sprechen, wobei Sie schrille Töne vermeiden sollten. Hektische oder plötzliche Bewegungen sollten Sie ebenfalls nicht ausführen. Vor allem sollten Sie die Hände nicht empor heben, denn sogar in zahmen Heimvögeln steckt der Urinstinkt, der ihnen sagt, dass Hände potenziell gefährlich sind. Werden die Hände gehoben, könnte dies somit eine panische Flucht auslösen. Lassen Sie deshalb lieber die Arme am Körper herab hängen, während sie Ihre verängstigten Vögel beruhigen.
Und noch etwas ist sehr wichtig: Schauen Sie Ihren verängstigten Vogel nicht direkt an, blicken sie nur seitlich indirekt auf ihn. In der Natur haben jene Tiere, die Jagd auf Vögel machen, fast alle dieselbe Augenstellung wie wir Menschen – beide Augen befinden sich nebeneinander im Gesicht. Diese Augenstellung vermittelt dem Vogel, der als Fluchttier die Augen seitlich am Kopf hat, dass Gefahr in Verzug ist, wenn er direkt angeblickt wird. Nähern wir Menschen uns mit dem Gesicht einem ängstlichen Vogel und schauen ihn direkt an, kann ihn das somit zusätzlich verunsichern.