Soziale Gefiederpflege

Hinweis: Die in diesem Beitrag beschriebenen Verhaltensweisen beziehen sich auf Wellensittiche. Auf andere Vogelarten sind die Angaben nicht in jedem Fall direkt übertragbar, gilt aber beispielsweise für viele andere Papageienarten.
Im Rahmen der sozialen Gefiederpflege kraulen Wellensittiche für gewöhnlich den Kopf oder den Nacken ihres Partners.
Im Rahmen der sozialen Gefiederpflege kraulen Wellensittiche für gewöhnlich den Kopf oder den Nacken ihres Partners.

Unter der Bezeichnung „soziale Gefiederpflege“ versteht man das gegenseitige Putzen und Pflegen der Federn miteinander verpaarter oder eng befreundeter Vögel. Die soziale Gefiederpflege findet normalerweise nur dann statt, wenn sich die Wellensittiche wohl und in ihrer Umgebung sicher fühlen. Vor allem während der Ruhephasen in den Mittags- oder Nachmittagsstunden kann man Wellensittiche bei der sozialen Gefiederpflege und beim Pflegen des eigenen Gefieders beobachten, doch auch zu anderen Zeiten zeigen sie hin und wieder dieses Verhalten. Werden Wellensittiche in einem Schwarm gehalten, geraten oft mehrere Tiere gleichzeitig in eine ruhige, ausgeglichene Stimmung und betreiben mit ihrem Partner die soziale Gefiederpflege.

Weshalb die soziale Gefiederpflege Vertrauen voraussetzt

Das blaue Wellensittichweibchen dreht das aufgeplusterte Kopfgefieder in Richtung seines Partners, um von ihm am Kopf gekrault zu werden.
Das blaue Wellensittichweibchen dreht das aufgeplusterte Kopfgefieder in Richtung seines Partners, um von ihm am Kopf gekrault zu werden.

Aufgrund ihrer Anatomie können Vögel ihren eigenen Kopf nicht selbst mit dem Schnabel erreichen, weshalb sie gern die Hilfe eines Artgenossen in Anspruch nehmen, mit dem sie verpaart oder eng befreundet sind. Ein Wellensittich würde niemals einen fremden Sittich an seinen Nacken lassen, da das Senken des Kopfes auch eine Unterwerfungs- und Beschwichtigungsgeste ist, die nur gegenüber vertrauten Individuen an den Tag gelegt wird. Das heißt, ein Vogel, der gekrault werden möchte, begibt sich in die Defensive. Er ist leicht angreifbar und bei einer eventuellen Attacke im Nachteil, denn er präsentiert eine äußerst verletzliche Körperpartie: den Nacken. Seine Waffe, also der Schnabel, ist nach unten gesenkt und erst dann einsetzbar, wenn der Vogel sich in die Angriffsposition aufgerichtet hat, was aber im Falle einer plötzlichen Attacke wahrscheinlich nicht schnell genug gelingen würde. Zudem bestünde die Gefahr, dass er bei einem plötzlichen Angriff schwer am Kopf oder gar an den Augen verletzt werden würde. Somit ist das Senken des Kopfes, um gekrault zu werden, ein Beweis für das große Vertrauen in den Partnervogel.

Andere Vögel, andere Sitten

Bei Wellensittichen undenkbar, bei Katharinasittichen jedoch üblich: gegenseitige Gefiederpflege in der Kloakengegend.
Bei Wellensittichen undenkbar, bei Katharinasittichen jedoch üblich: gegenseitige Gefiederpflege in der Kloakengegend.

Zwar geht es in diesem Kapitel primär um Wellensittiche, doch ein Blick auf andere Vogelarten ist durchaus interessant. Das gegenseitige Kraulen des Kopfes sowie des Nackens ist bei Wellensittichen der zentrale Bestandteil der sozialen Gefiederpflege. Andere Vogelarten, zum Beispiel Katharinasittiche, gehen sehr viel weiter und pflegen das Gefieder am gesamten Körper ihres vertrauten Artgenossen. Sogar die Füße oder die Kloakenregion werden dabei nicht ausgespart. Das Kraulen anderer Körperpartien als Kopf und Nacken, wie es beispielsweise unter Katharinasittichen üblich ist, lassen Wellensittiche jedoch für gewöhnlich nicht zu. Wenn ein anderer Vogel versucht, sie mit dem Schnabel beispielsweise am Rücken zu berühren, schreien sie meist empört auf und hacken mit dem Schnabel in Richtung desjenigen Vogels, der sie auf für sie unangenehme Weise berührt hat.

Mehr als nur Gefiederpflege

Die soziale Gefiederpflege dient nicht nur dazu, das Federkleid in Ordnung zu bringen, sondern auch dazu, die Paarbindung zu festigen.
Die soziale Gefiederpflege dient nicht nur dazu, das Federkleid in Ordnung zu bringen, sondern auch dazu, die Paarbindung zu festigen.

Mit dem Schnabel bringt der kraulende Vogel die Federn seines Partners in Ordnung, denn durch mechanische Einflüsse können die feinen Gebilde zerzausen. Außerdem öffnen Wellensittiche vorsichtig die dünnen silbrigen Häutchen (Federscheiden), die die während der Mauser nachwachsenden neuen Federn anfangs noch umgeben. Krault ein Wellensittich seinen Partner am Kopf, dient diese innige Zuwendung aber nicht allein der Gefiederpflege. Es ist eine selbstlose Handlung, die in diesem Moment nur dem Vogel guttut, der gekrault wird. Das wiederum festigt die Bindung der beiden Tiere, denn derjenige Vogel, der gekrault wird, merkt sich, dass ihm der Partner wohlgesonnen ist. Er wird ihn sehr wahrscheinlich auch bei nächster Gelegenheit kraulen, weshalb letztlich beide Tiere etwas davon haben und ihre Beziehung gepflegt wird. Übrigens kraulen sich nicht nur Vögel gegenseitig, die ein unterschiedliches Geschlecht haben. Es ist bei den Wellensittichen und auch bei einigen anderen Vogelarten durchaus üblich, dass sich zwei gleichgeschlechtliche Individuen kraulen, wenn sie eng miteinander befreundet sind.

Auch der Nachwuchs wird gekrault

Schon bei sehr jungen Wellensittichen ist die soziale Gefiederpflege zu beobachten, wie beispielsweise bei diesen Vögeln, die erst kurz zuvor das elterliche Nest verlassen haben.
Schon bei sehr jungen Wellensittichen ist die soziale Gefiederpflege zu beobachten, wie beispielsweise bei diesen Vögeln, die erst kurz zuvor das elterliche Nest verlassen haben.

Schon sehr früh in ihrem Leben kommen junge Wellensittiche in den Genuss der sozialen Gefiederpflege. Im Nistkasten kraulen die Eltern ihre Jungen, wenn die Federn beim Nachwuchs zu wachsen beginnen. Die Nestlinge kraulen später auch ihre Geschwister, sobald sie alt genug sind und ihren Kopf ausreichend lange aus einer Kraft heben können. Aufgrund der Enge des Nistkastens hat die soziale Gefiederpflege bei den einzelnen Familienmitgliedern auch eine beschwichtigende Funktion, weil es ohne solche gegenseitigen Freundschaftsdienste und Besänftigungen in dem engen Nest rasch zu Streitereien und vermehrten Aggressionen kommen könnte. Für gewöhnlich hören die Geschwister erst einige Wochen nach dem Verlassen des Nistkastens damit auf, einander zu kraulen, sofern sie dann überhaupt noch gemeinsam gehalten werden. Sofern sie nicht getrennt werden, kann es jedoch auch sein, dass Geschwistervögel auch dann noch eine innige Beziehung inklusive Kraulen miteinander pflegen, wenn sie längst selbst geschlechtsreif und damit erwachsen sind.

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