Gefahren bei der Handaufzucht

Zieht man Papageien, Sittiche oder andere Vögel von Hand groß, müssen einige grundlegende Aspekte beachtet werden, damit die Tiere keinen Schaden an Leib und Seele erleiden. Etliche Züchter weisen auf diese Aspekte jedoch nicht hin, wenn sie noch nicht futterfeste Jungvögel verkaufen. Stattdessen betonen sie nicht selten, die Fütterung sei einfach und man könne gar nichts falsch machen. Diese Aussage zeugt von grober Fahrlässigkeit gepaart mit Verantwortungslosigkeit. Kurzum liegt die Vermutung nahe, dass den Züchtern das Wohl der Tiere in keiner Weise am Herzen zu liegen scheint, sondern lediglich die Tatsache, dass sich durch den Verkauf der Vögel verdienen lässt.

Das richtige Futter

Bei der Handaufzucht werden die Jungvögel mit einem speziellen Breifutter ernährt
Bei der Handaufzucht werden die Jungvögel mit einem speziellen Breifutter ernährt

Wie es der Name bereits vermuten lässt, benötigt man im Rahmen einer Handaufzucht von Vögeln spezielles Handaufzuchtfutter. Obwohl der Name ähnlich klingt, handelt es sich hierbei nicht um Aufzuchtfutter! Letzteres wird den Altvögeln während der Jungenaufzucht gereicht und sie lagern es im Kropf zwischen, bevor sie damit ihren Nachwuchs füttern. Das heißt im Klartext, sie bereiten es quasi für ihre Jungen auf. Nicht von den Eltern „vorbehandeltes“ Aufzuchtfutter eignet sich sich für gewöhnlich nicht als Handaufzuchtfutter.

Dieses Futter ist in aller Regel ein Pulver, das mit abgekochtem Wasser zu einem Brei angerührt wird. Wenn der Züchter, der einen sehr jungen Vogel verkauft, den die neuen Halter noch füttern müssen, zumindest einen Hauch von Verantwortungsbewusstsein hat, wird er darüber aufklären. Oder aber er gibt gleich das Futter mit ab, an das der Jungvogel durch seine vorherigen Fütterungen gewöhnt ist.

Ausreichender Nährstoffgehalt

Bei einer Rachitiserkrankung sind die Füße der betroffenen Vögel oft nach innen verdreht
Bei einer Rachitiserkrankung sind die Füße der betroffenen Vögel oft nach innen verdreht

Ernährt man junge Vögel bei der Handaufzucht zu einseitig oder enthält das Futter zu wenige Nährstoffe, also Vitamine und Mineralstoffe, kann es zu schweren Mangelerscheinungen kommen. Eine typische Erkrankung, die durch einen Nährstoffmangel verursacht wird, ist die sogenannte Rachitis. Weil dem heranwachsenden Vogel Mineralstoffe, insbesondere Kalzium, fehlen, sind seine Knochen zu weich und verbiegen sich unter seinem eigenen Körpergewicht. Die Folge ist, dass das Tier zeitlebens mit verbogenen Beinen oder gar einem Wirbelsäulenschaden leben muss, denn die Rachitis ist normalerweise kaum mehr heilbar. Außer einer Rachitis können noch etliche weitere Krankheiten auftreten, die auf eine Mangelernährung während der Wachstumsphase zurückzuführen sind.

Verbrennungen durch zu heißen Futterbrei

Wird ein Jungvogel mit Futterbrei ernährt, sollte dieser nicht zu heiß sein. Ist der Brei sehr viel heißer als 40 °C, kann es zu schweren Verbrennungen der Zunge, des Rachens, der Speiseröhre und des Kropfes kommen. Hiervon betroffene Vögel leiden unter sehr starken Schmerzen und verweigern meist die Nahrungsaufnahme. Sie verhungern, wenn sie nicht umgehend von einem vogelkundigen Tierarzt behandelt werden – sofern dies im Einzelfall überhaupt noch möglich ist. Übrigens sind auch Hautverbrennungen keine Seltenheit, wenn der zu heiße Brei im Gefieder klebt und so die darunter liegende Haut benetzt.

Unterkühlung durch zu kalten Futterbrei

Ist der Futterbrei hingegen zu kalt, also kälter als etwa 30 °C, kann es leicht zu Unterkühlungen der Verdauungsorgane und dabei vor allem des Kropfes kommen. Die empfindlichen Schleimhäute werden gereizt und das Immunsystem des betroffenen Vogels angegriffen. Relativ oft entstehen hieraus schwere Folgeerkrankungen wie bakterielle Infektionen. Außerdem fühlen sich die Vögel alles andere als wohl, wenn sie durch die Fütterung innerlich auskühlen.

Innere Verletzungen durch falschen Einsatz der Kropfsonde

Wenn die Sonde richtig positioniert ist, kann die Nahrung in den Kropf gespritzt werden
Wenn die Sonde richtig positioniert ist, kann die Nahrung in den Kropf gespritzt werden

Wer eine Kropfsonde oder -kanüle zur Fütterung einsetzt, sollte genau wissen, was er tut. Mit diesem Spritzenaufsatz, der durch den Schnabel und die Speiseröhre des Vogels in dessen Kropf eingeführt wird, können Experten einem geschwächten, kranken Vogel das Leben retten. Eine solche Sonde ist ein gutes Werkzeug, um Futterbrei schnell und bei korrekter Anwendung schonend direkt in den Kropf zu verabreichen. Das Einführen der Kropfsonde birgt jedoch das Risiko, den Vogel tödlich zu verletzen, wenn man auch nur geringfügig verrutscht oder sich zu ruckartig bewegt. Der Einsatz von Kropfsonden sollte deshalb ausschließlich sehr erfahrenen Vogelhaltern und -züchtern vorbehalten bleiben!

Fehlprägung auf den Menschen

Zahme Vögel sind etwas Wunderbares, nur sollten sie auf keinen Fall auf den Menschen sexuell fehlgeprägt sein. © Ersin D/Pixabay
Zahme Vögel sind etwas Wunderbares, nur sollten sie auf keinen Fall auf den Menschen sexuell fehlgeprägt sein. © Ersin D/Pixabay

Wird eine Handaufzucht aus kommerziellen Gründen durchgeführt, dann meist deshalb, weil die Vögel dadurch an den Menschen gewöhnt werden sollen. Diese Gewöhnung fällt aber häufig so extrem aus, dass die Tiere ihresgleichen nicht mehr als Artgenossen anerkennen, sondern sich für Menschen halten – oder umgekehrt den Menschen für einen echten arteigenen Partner. Diese Fehlprägung führt zu allerlei Komplikationen, wenn die Vögel erst einmal die Geschlechtsreife erreichen. Es kann dann geschehen, dass sie schwere Verhaltensauffälligkeiten wie Federrupfen, Schreien oder Aggressivität gegenüber anderen Menschen entwickeln, die sich ihrer Bezugsperson nähern. Das kann so weit gehen, dass der Ehepartner des Halters oder dessen Kinder ständig mit schmerzhaften Beißattacken seitens des eifersüchtigen fehlgeprägten Vogels rechnen müssen.