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Nein zu kommerzieller Handaufzucht
Mit dem Verkauf von Vögeln lässt sich je nach Papageienart mehr oder weniger viel Geld verdienen. Fakt ist: Durch den Verkauf von Wellensittichen, die aus Naturbruten stammen und nicht gerade zu besonderen und seltenen Farbschlägen gehören, wird wohl kaum ein Züchter reich. Doch es gibt eine Möglichkeit für Papageienzüchter, den finanziellen „Wert“ der jungen Vögel und damit ihren eigenen Profit deutlich zu erhöhen: Sind die Jungtiere sehr zahm, dann sind viele Käufer dazu bereit, höhere Preise zu bezahlen. Denn viele Ziervogelhalter wünschen sich möglichst zutrauliche Tiere, die sich am besten von Anfang an ihren neuen Bezugspersonen anschließen. Vögel selbst zu zähmen, kann ein langwieriger Prozess sein, was den meisten Menschen durchaus bewusst ist. Vor allem dann, wenn die Tiere schon etwas älter sind, ist es nicht immer ganz so einfach, ihr Vertrauen zu gewinnen. Aus diesem Grunde sind vor allem Vögel bei den Käufern begehrt, weil sich die Jungtiere leichter zu dem machen lassen, was sich etliche Kunden wünschen: Ein gefiedertes, allzeit gut aufgelegtes, sehr anhängliches Heimtier, das sich vielleicht sogar kraulen und streicheln lässt.
Werden Wellensittiche oder andere Heimvögel von ihren Eltern aufgezogen und durch den Züchter verkauft, solange sie noch möglichst jung sind, aber bereits selbstständig fressen können, ist gegen den Verkauft nestjunger Vögel nicht unbedingt etwas einzuwenden. Wellensittiche sollten jedoch mindestens sechs bis acht Wochen alt sein, wenn sie den Besitzer wechseln, damit sie sich ganz sicher selbstständig ernähren können. Und sie sollten anschließend selbstverständlich tiergerecht, also auf keinen Fall einzeln gehalten werden. Denn auch paarweise oder im Schwarm gehaltene Vögel können entgegen anderslautender Aussagen sehr zutraulich werden! Doch im Alter von sechs bis acht Wochen sind die Wellensittiche so manchem Vogelhalter schon zu „alt“, denn es ist tatsächlich so, dass die Vögel dann bereits auf ihre Artgenossen geprägt sein können und nur mit ein wenig Mühe zu zähmen sind.
Um dem zu begegnen, gibt es Lösungsmöglichkeiten, die zwar oft zu einem hohen Maß an Zutraulichkeit führen, dabei aber gleichzeitig das Leben junger Wellensittiche gefährden können. Manche Züchter geben ihre Jungvögel sehr früh ab, damit sie sich ganz besonders leicht zähmen lassen. Doch nicht immer sind die Vögel dann schon futterfest, sprich sie können sich nicht selbstständig ernähren. Beim neuen Halter verhungern die Vögel dann unter Umständen qualvoll. Da dies ein schlechtes Licht auf den Züchter werfen würde, weil sicherlich kaum ein Halter seinen frisch erworbenen Vogel so bald sterben sehen möchte, gibt es eine zweite „Lösung“: Manche Züchter trennen junge Wellensittiche im Alter von nur etwa zwei Wochen oder gar noch früher von ihren Eltern, obwohl hierfür kein zwingender Grund vorliegt, weil die Altvögel ihren Nachwuchs problemlos selbst weiter großziehen könnten. Diese Züchter füttern die Jungtiere dann selbst mehrere Wochen lang von Hand, um sie auf diese Weise an den Menschen zu gewöhnen. So können sie später „superzahme“ Jungtiere verkaufen, und das zu teils hohen Preisen.
Handelt ein Züchter so, ist dies ganz klar eine Handaufzucht zu kommerziellen Zwecken. Sie wird allein deshalb durchgeführt, um die Bedürfnisse der zukünftigen Besitzer der Tiere zu bedienen, was beklagenswert ist. Hierbei geht es ausschließlich darum, die nicht am Tierwohl orientierten Bedürfnisse der künftigen Halter und den Wunsch der Züchter nach höherem Profit zu erfüllen. Mit einer verantwortungsbewussten Zucht hat dieses Vorgehen demnach nichts zu tun.
Zwar mögen Wellensittiche vergleichsweise selten unter den handaufgezogenen Papageien zu finden sein, weil es meist eher größere Arten wie Amazonen, Kakadus und Co. betrifft. Nichtsdestotrotz gibt es viele Fälle, denn die Verbraucher fordern möglichst anhängliche „Kuscheltiere“. Erschwerend kommt hinzu, dass Wellensittiche als Allerweltsvögel gelten und es für einen Züchter kaum einen schweren finanziellen Verlust bedeutet, wenn bei der Handaufzucht etwas schiefgeht. Mitunter wagen sich wenig erfahrene Züchter an das Projekt „Handaufzucht“, weshalb die Sterberate unter den jungen Wellensittichen teils erschreckend hoch ist.
Völlig anders ist es hingegen zu bewerten, wenn junge Vögel vom Menschen aufgezogen werden, um ihr Leben zu retten, weil beispielsweise die Eltern erkrankt oder gestorben sind. Auch kann es vorkommen, dass die Eltern die Fütterung eingestellt haben oder nicht mehr zuverlässig füttern, bevor sich der Nachwuchs selbstständig ernähren kann. Gegen eine verantwortungsvolle Handaufzucht als lebensrettende Maßnahme ist in solchen Situationen nichts einzuwenden. Ebenso ist die Handaufzucht durch Experten nicht zu verurteilen, wenn sie der Arterhaltungszucht dient. Bei rein kommerziellen Handaufzuchten von Wellensittichen spielen diese Aspekte jedoch in aller Regel keine Rolle. Es geht nur darum, die Vögel an den Menschen zu gewöhnen, gefügig zu machen und oft deutlich mehr Geld damit verdienen zu können, als der Verkauf von Wellensittichen aus Naturbruten einbringen würde.
Leider existiert in Deutschland bislang kein Gesetz, das diese häufig allein auf Profit ausgerichtete Handaufzucht von Wellensittichen und anderen Vögeln verbietet und somit die wehrlosen Jungtiere schützen würde. Jeder Züchter, und sei er noch so unerfahren, kann theoretisch versuchen, seine Vögel von Hand aufzuziehen. Zwar mag die Handaufzucht ein schönes Erlebnis sein, weil der Züchter sehr intensiv miterlebt, wie die Jungvögel heranwachsen. Aber man darf sich nichts vormachen: Die Handaufzucht ist ein „harter Job“, bei dem nach Möglichkeit keine Fehler unterlaufen sollten, denn diese führen nur allzu leicht zum Tod der jungen Vögel! Es gibt bei der Handaufzucht sehr viele Details zu beachten, damit die Tiere keine Langzeitschäden davontragen.
Bedauerlicherweise fehlt bei vielen Menschen das Verständnis für die Tragweite dessen, welches Leid den Vögeln unter Umständen angetan wird, wenn während der Handaufzucht ein Fehler unterläuft. Abgesehen davon, dass sie vom Menschen ernährt werden, kann das ständige Hantieren mit den Jungtieren, um sie gefügig zu machen, deren seelische Entwicklung maßgeblich beeinflussen. Eine falsche Futterzusammensetzung kann zudem zu schweren körperlichen Erkrankungen wie Rachitis oder Organschädigungen führen.
Weil immer wieder von Hand aufgezogene Wellensittiche zum Kauf angeboten werden und die Dunkelziffer der Jungtiere, die aufgrund mangelnder Kenntnisse ihrer Züchter ihr Leben lassen müssen, kaum abzuschätzen ist, beschäftigt sich diese Rubrik von Birds-online.de mit der kommerziellen Handaufzucht sowie dem Verkauf noch nicht futterfester Jungtiere. Da sich durch das Aufziehen von Sittichen und Papageien von Hand auch Jahre später noch massive Probleme wie beispielsweise intensives Federrupfen oder eine sexuelle Fehlprägung ergeben können, ist es sinnvoll, sich als verantwortungsbewusster Vogelhalter mit diesem Thema vertraut zu machen. Im Idealfall entscheiden sich zukünftige Tierhalter dagegen, Vögel aus kommerzieller Handaufzucht zu kaufen. Dann heißt es zwar, mit den neu erworbenen Vögeln intensiv und behutsam die Zutraulichkeit zu trainieren. Doch glückt dies, ist die Freundschaft auf „ehrlichem Wege“ entstanden, indem die Bezugspersonen mit ihren Tieren gearbeitet und ihr Vertrauen gewonnen haben.
Das sind die Themen dieser Unterrubrik
Negative Folgen der Handaufzucht
Verhaltensauffälligkeiten nach Handaufzucht
Verkauf nicht futterfester Vögel
Titelbild dieser Seite © Petra Schröder