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Verkauf nicht futterfester Vögel
Schon seit 1997 gibt es diese Website und ich berate Vogelhalter. Von Beginn an waren es vor allem Fragen rund um die Gesundheit und die Ernährung der Vögel, die mich erreichten. Doch dem Jahr 2004 ist etwas anders geworden: Ich verzeichne seitdem einen Anstieg der Hilferufe von Vogelhaltern, die einen nestjungen Wellensittich gekauft haben und deren Tiere im neuen Zuhause nichts fressen. Kennzeichnend ist zudem, dass die Vögel schwächer und schwächer werden. Oft liegen sie nach ein bis zwei Tagen völlig entkräftet am Boden. Das ist dann oft der Moment, in dem sich die neuen Vogelhalter zu fragen beginnen, ob etwas mit dem Wellensittich nicht stimmen könnte – leider wird zuvor nur in wenigen Fällen daran gedacht, einen Tierarzt zu kontaktieren. Lieber suchen die Menschen im Internet nach Informationen, weil das bequemer ist. Je nachdem, was sie dabei finden, kann das gut oder schlecht für die betroffenen Vögel sein.
Oftmals werde ich in solchen Fällen kontaktiert. Stelle ich dabei gezielte Fragen, stellt sich sehr häufig heraus, dass die betroffenen Jungtiere nicht krank im eigentlichen Sinne sind. Vielmehr sind sie noch nicht futterfest, denn sie wurden zu früh von den Eltern getrennt und können sich noch nicht selbst ernähren. Normalerweise würden sie es in diesem Alter erlernen, hätte aber als Sicherung noch ihre Eltern im Hintergrund, die sie während dieser kritischen Phase ihres Lebens mit Nahrung versorgen. Abgeschnitten von dieser Futterzufuhr, bauen die Jungvögel schnell ab und verhungern innerhalb kürzester Zeit – sofern der neue Halter nicht eingreift. Es ist wichtig, sofort mit einer auf die Bedürfnisse der Vögel zugeschnittenen Zufütterung zu beginnen. Das setzt jedoch voraus, dass die Notlage erkannt wird. Vor allem unerfahrenen Vogelhalter wissen oft nicht, was vor sich geht. Dann verhungern die betroffenen Jungvögel unter Qualen, und das alles, weil ein skrupelloser oder unaufmerksamer Züchter sie zu früh aus dem Familienverband gerissen und sie obendrein an nicht fachkundige Menschen verkauft hat.
Gelangen noch nicht futterfeste junge Vögel nicht direkt vom Züchter zum Halter, sondern bildet eine Zoohandlung eine Zwischenstation, stehen ihre Chancen oftmals ebenfalls schlecht. In solchen Geschäften ist oft viel zu tun, so dass nicht auf jedes einzelne Tier geachtet werden kann. Noch dazu ist meine Erfahrung, dass das Personal sich häufig nicht intensiv mit der Pflege – und erst recht nicht mit der Notfallversorgung – von Vögeln auskennt. Aus diesen Gründen geschieht es leicht, dass die Not noch nicht futterfester Jungvögel übersehen wird. Oder dass niemand im entsprechenden Zoogeschäft weiß, wie zielgerichtete Hilfe geleistet werden könnte.
Durch Zufall sah ich selbst am 18. Mai 2006 in einem Zooladen, in dem ich eigentlich nur eine Schlafhöhle für meine Katharinasittiche kaufen wollte, einen entkräfteten jungen Wellensittich auf dem Boden eines Verkaufskäfigs liegen. Das Personal des Geschäftes reagierte in diesem Fall vorbildlich, als ich auf den schlechten Zustand des Vogels aufmerksam machte. In einem sehr guten Gespräch suchten wir gemeinsam nach einer Lösung und die Filialleitung erkannte rasch, dass die Handaufzucht eines Vogels im Laden nicht möglich sein würde. Um das Leben des jungen Wellensittichs zu retten, überließ man mir den Vogel. Außerdem wurde der Züchter, von dem der Vogel stammte, mit dem unschönen Sachverhalt konfrontiert.
Tagelang kämpfte ich um das Leben des Vogels, den ich anfangs per Kropfsonde ernähren musste, weil er zu schwach war, um Futterbrei zu schlucken. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn dieses Tier, dessen Leben zu jener Zeit buchstäblich am seidenen Faden hing, im Laden übersehen oder gar in unerfahrene Hände geraten wäre! Rohanna, so nannte ich die Vogeldame, hatte Glück. Sie überlebte und wuchs zu einem kerngesunden Altvogel heran. Sie durfte bei mir bleiben, und sogar das Verkaufspersonal des Zooladens nahm Anteil an ihrem Schicksal. Die Freude war groß, als man dort von mir erfuhr, dass der Vogel überlebt hatte.
Leider ist ein so positiver Ausgang jedoch nicht die Regel. Viele Jungtiere, die derart ausgehungert sind, sterben in den folgenden Tagen oder Wochen, obwohl sie gerettet und mit arttypischem Handaufzuchtfutter versorgt wurden. Unter den Opfern solcher Umstände war auch der junge Wellensittich Serenio, der am 12. Dezember 2004 in meine Obhut gelangte und der leider am 5. Februar 2005 starb. Serenio schied im Alter von nur etwa drei Monaten aus dem Leben, weil er während der langen Hungerperiode, die er in einem Zooladen erlitten hatte, Organschäden davongetragen hatte. Seine Nieren versagten an jenem Februarmorgen und damit zu einer Zeit, als der arme kleine Kerl eigentlich sein ganzes Leben noch hätte vor sich haben sollen.
Das ist jedoch nicht alles, was jungen Vögeln an Unrecht angetan wird. Es häufen sich die Fälle, in denen in Inseraten Wellensittiche angeboten werden, die nestjung sind und von Hand weiter großgezogen werden müssen. Bei genauer Nachfrage stellt sich häufig heraus, dass die Vögel noch nicht einmal voll befiedert sind und im Alter von weniger als vier Wochen verkauft werden. „Die werden besonders zahm und die Aufzucht ist gar nicht schwer. Und diese Vögel können Sie später ohne Probleme einzeln halten.“ – So in etwa lauten die Aussagen mancher Züchter, wenn man sie fragt, ob die Vögel nicht ein wenig zu jung sind, um verkauft zu werden. Dass dann ganz nebenbei obendrein der explizite Hinweis auf die leichte Zähmbarkeit und eine Rechtfertigung für eine absolut nicht artgerechte Einzelhaltung des Vogels hinterher geschoben wird, schlägt dem Fass den Boden aus.
Bei diesem Vorgehen wird der Halter gewissermaßen zum Mittäter, denn die Handaufzucht junger Wellensittiche ist keineswegs so leicht, wie man es sich vorstellt. Mögen erfahrene Züchter es vielleicht gut bewerkstelligen, die Vögel durchzubringen, doch wer es noch nie versucht hat und den neu erworbenen Wellensittich quasi als „Versuchsobjekt“ nutzt, dem unterlaufen oft Fehler. Diese Fehler bezahlen sehr viele Vögel mit dem Leben. Dann wird zur Beruhigung des eigenen Gewissens oft argumentiert, in der Natur würden ja auch nicht alle Jungvögel überleben oder es wird angenommen, der Jungvogel sei wohl „irgendwie krank gewesen“ – was auch immer das heißen mag.
Meiner Meinung nach liegt der Großteil der Verantwortung hier bei den Züchtern. Sie sollten keine Vögel zu früh verkaufen, und falls Kunden dies fordern, sollten sie Aufklärung betreiben. Ich bin sogar dafür, dass bei Bekanntwerden eines solchen Vorgehens durch das Veterinäramt ein Halteverbot gegen die jeweiligen Züchter ausgesprochen werden sollte.
Damit in Zukunft nicht noch mehr viel zu junge Vögel verkauft werden, muss zudem ein Umdenken beim „Verbraucher“, sprich bei den Vogelkäufern stattfinden. Auch Wellensittiche, die acht Wochen alt sind, lassen sich leicht zähmen, und das sogar dann, wenn man sie mindestens paarweise hält. Der Wahnsinn, dass Jungvögel skrupellos von ihren Eltern getrennt werden, um sie gewinnbringend verkaufen zu können, sollte nicht weiter fortgesetzt werden. Ihn zu stoppen, dürfte vor allem dann gelingen, wenn es keinen Markt mehr für nicht futterfeste Jungvögel gibt.