Gewöhnung an Futter

Wichtige Anmerkung vorweg
Mich erreichen immer wieder E-Mails, in denen mich Vogelhalter fragen, ob ich noch mehr Tipps zum Thema „Gewöhnen an Frischkost“ geben könnte, die über das hinausgehen, was in diesem Kapitel zu lesen ist. Weitere Tipps habe ich jedoch nicht. Auf dieser Seite finden Sie alle Hinweise, die ich geben kann. Weitere „Zaubertricks“ habe ich leider nicht parat.
Frisches Obst und Gemüse für Wellensittiche.
Frisches Obst und Gemüse für Wellensittiche.

Viele Heimvögel, darunter vor allem Wellensittiche, können ausgesprochen stur sein, wenn es um ihre Ernährungsgewohnheiten geht. Man meint es als Vogelhalter in aller Regel gut mit ihnen, wenn man den Tieren frisches Obst, Gemüse oder ein anderes, für sie bis dahin unbekanntes Futtermittel serviert. Könnten die Vögel ihre Wachshaut kräuseln, würden viele von ihnen vermutlich wie wir Menschen angesichts des unbekannten Futters erst einmal kräftig die Nase rümpfen. Denn für viele Heimvögel gilt: Was sie nicht kennen, das fressen sie nicht. Und diesem Motto sind sie überaus treu.

Was aber kann man als Vogelhalter unternehmen, um die Vögel auf den Geschmack und damit dazu zu bringen, die für sie äußerst gesunde Kost nicht weiter zu verschmähen? Vorweg sei gesagt: Ein ultimatives Patentrezept, mit dem man jeden Vogel zum Frischkost-Fan werden lässt, existiert leider nicht. Aber ich möchte Ihnen einige Tipps geben, mit deren Hilfe Sie Ihre gefiederten „Frischkostverweigerer“ hoffentlich rasch in begeisterte „Grünschnäbel“ verwandeln.

Bevor ich auf die eigentlichen Tipps eingehe, möchte ich einige Hintergrundinformationen zur Ernährungsweise wilder Wellensittiche erläutern. Diese Einblicke verdeutlichen, weshalb viele der in Menschenobhut gehaltenen Wellensittiche auf Frischkost – zumindest anfangs – mit großem Argwohn reagieren oder sie hartnäckig ignorieren. Bei einigen anderen Vogelarten verhält es sich übrigens ganz ähnlich.

Der Speisezettel wilder Wellensittiche

Wilde Wellensittiche in Australien.
Wilde Wellensittiche in Australien.

Die Landschaft in den Teilen Australiens, in denen wilde Wellensittiche leben, ist zwar faszinierend, aber durchaus auch rau und somit nur etwas für Überlebenskünstler. Wer sich dem Outback nicht anpasst, wird dort nicht überleben können. Weite Bereiche sind fast immer sehr trocken und es gibt nur wenig Vegetation. Regen fällt in unregelmäßigen Abständen und es ist nicht vorhersehbar, wo es regnen wird. Wilde Wellensittiche durchstreifen das Land stets auf der Suche nach ergiebigen Futter- und Wasserquellen. Das heißt, sie suchen nach Gebieten, in denen es kurz zuvor geregnet hat. Ihr Gespür dafür, die richtigen Stellen in der weiten Landschaft zu finden, ist legendär. Niemand weiß bisher, wie die Vögel es anstellen, über sehr große Distanzen die Regenfälle zu erspüren.

Spinifexgras in Australien.
Spinifexgras in Australien.

Fällt in Australien Regen auf den trockenen Boden, keimen innerhalb kürzester Zeit die Samen, die darin teils viele Jahre überdauert haben. Es wachsen schnell dichte Bestände unterschiedlicher Gräser heran, deren halb reife und reife Samenstände die hauptsächliche Nahrung der wilden Wellensittiche bilden. Hin und wieder fressen sie auch kleine Insekten wie Blattläuse oder Insektenlarven, die sich an den Gräsern und in deren Samenständen befinden. Gelegentlich fressen sie auch feine Blättchen bestimmter Wildkräuter. Früchte und Gemüse stehen wilden Wellensittichen hingegen in der australischen Natur normalerweise nicht zur Verfügung, weshalb diese Nahrungsmittel für sie keine Rolle spielen.

Für die als Heimvögel gehaltenen Wellensittiche bedeutet das: Ihnen ist das Wissen darüber, dass Obst und Gemüse gut schmecken, nicht angeboren. Sie wissen damit nichts anzufangen, weil diese Futtermittel nicht dem natürlichen Nahrungsspektrum ihrer wilden Vorfahren entsprechen. Deshalb ignorieren viele Wellensittiche dieses Futter, wenngleich es durchaus auch neugierige Individuen gibt, die grundsätzlich alles probieren, was ihnen vor den Schnabel gerät.

Darum ist Frischkost so wichtig

Kolbenhirse ist bei fast allen Wellensittichen beliebt, dagegen wird Frischkost oft verschmäht.
Kolbenhirse ist bei fast allen Wellensittichen beliebt, dagegen wird Frischkost oft verschmäht.

Man mag nun meinen, dass es nicht schlimm ist, wenn in menschlicher Obhut gehaltene Wellensittiche keine Frischkost zu sich nehmen – schließlich fressen ihre wilden Verwandten auch nichts dergleichen. Doch das wäre ein falscher Denkansatz, denn die wilden Wellensittiche verzehren im Unterschied zu unseren Ziervögeln überwiegend halb reife Sämereien, die eine andere und viel günstigere Nähr- und Mineralstoffzusammensetzung haben als reife Samen, wie wir sie unseren domestizierten Vögeln in Form von Saatenmischungen oder Kolbenhirse anbieten.

Das heißt: Viele in Menschenobhut gehaltene Wellensittiche werden tagtäglich mit einer Standard-Körnermischung oder Hirsekolben ernährt, bei der es sich ausschließlich um reife Samen handelt. Damit lässt sich zwar das Überleben der Vögel sichern, doch verglichen mit den nährstoffreichen halb reifen Pflanzensamen, die wilde Wellensittiche fressen, sind reife Körner- und Saatenmischungen sowie Kolbenhirse weniger wertvoll für die Gesundheit der Tiere. Einige Vitamine können dem Körper der Vögel so nur unzureichend zugeführt werden. Deshalb ist es wichtig, Wellensittiche und andere Heimvögel an Frischkost zu gewöhnen, um sie mit ausreichend Vitaminen und Mineralstoffen sowie mit sekundären Pflanzenstoffen zu versorgen. Vogelhalter sollten geduldig und erfinderisch sein, damit die Tiere sich letztlich doch an Frischkost gewöhnen – zumindest an Wild- und Küchenkräuter sowie einheimische Wildgräser. Wenn es mit dem Obst und Gemüse nicht klappt, dafür aber die zuvor genannten grünen Futtermittel angenommen werden, ist schon viel gewonnen.

Den Spieltrieb ansprechen

Nasse Salatblätter laden zum Baden ein und werden oft auch benagt.
Nasse Salatblätter laden zum Baden ein und werden oft auch benagt.

Wie verspielt und neugierig Wellensittiche ebenso wie viele andere Papageienarten sind, hat wohl jeder Besitzer solcher Vögel irgendwann einmal bemerkt. Diese beiden Eigenschaften lassen sich beim Gewöhnen an neue Nahrungsmittel hervorragend nutzen. Machen Sie die Nahrungsaufnahme für Ihre Vögel zum echten Erlebnis, dann werden die Tiere vermutlich schon bald auf den Geschmack kommen.

Haben Sie Ihren Vögeln bislang Blattgemüse und Salat nur abgetrocknet und in kleinen Stücken angeboten und die Tiere haben dieses Grünfutter verschmäht, sollten Sie Ihre Strategie ändern. Ein ganzes Salatblatt, das beispielsweise oben auf dem Käfigdach befestigt ist und zudem von Ihnen kräftig angefeuchtet wurde, lädt fast jeden Sittich zu einem ungestümen Bad ein, bei dem die grüne „Badewanne“ garantiert irgendwann angeknabbert wird. Anfangs geschieht dies vielleicht nur zaghaft, doch mit der Zeit nehmen viele Vögel immer größere Bissen und lernen das knackige Blattgemüse als leckere Frischkost kennen.

Wildgräser werden meist auch von kritischen Wellensittichen gern gefressen.
Wildgräser werden meist auch von kritischen Wellensittichen gern gefressen.

Karotten und anderes Gemüse oder Obst sowie Wildgräser eignen sich hervorragend dazu, frei schwingend befestigt zu werden. Umwickeln Sie eine Möhre oder andere Frischkost mit einem Stück Jutegarn (in Bastelläden erhältlich) und befestigen Sie das lose Ende des Bandes so, dass das damit fixierte Futter in Schnabelreichweite Ihrer Vögel baumelt. Die neugierigen Tiere werden mit etwas Glück rasch damit beginnen, mit ihrem Futter zu spielen und dabei mit großer Wahrscheinlichkeit hinein beißen, um es festzuhalten. Auf diese Weise lernen sie den Geschmack kennen und freunden sich in vielen Fällen ganz nebenbei mit ihm an.

Hinweis: Für Vögel mit Handicap sollte die Frischkost so serviert werden, dass sie sie trotz ihrer körperlichen Gebrechen erreichen können. Flugunfähige Vögel beispielsweise freuen sich, wenn Wildgräser oder andere frische Leckereien an einem Kletterspielzeug befestigt werden.

Futterneid ausnutzen

Wellensittichmännchen bei einer Karottenmahlzeit – im Hintergrund schaut schon eine Artgenossin, was er da Gutes knabbert.
Wellensittichmännchen bei einer Karottenmahlzeit – im Hintergrund schaut schon eine Artgenossin, was er da Gutes knabbert.

In besonders schwierigen Fällen helfen selbst die oben erwähnten Maßnahmen nicht, um den Tieren Frischkost oder ungewohntes Futter mittels ihres Spieltriebes schmackhaft zu machen. Doch als Vogelhalter haben Sie einen weiteren Trumpf im Ärmel: Vögel können einen sehr großen Futterneid an den Tag legen. Um sich das zu Nutze zu machen, muss ein gefiederter Vorkoster her. Sehen Wellensittiche einen Artgenossen oder einen anderen Vogel, den sie gut kennen, genüsslich an etwas knabbern, werden einstmals uninteressante Futtermittel oder Frischkost plötzlich äußerst begehrenswert und es kommt Futterneid auf. Meist vergehen nur wenige Minuten, bis es andere Vögel dem gefiederten Vorkoster nachmachen und sich an dem Futter gütlich tut, das zuvor lange Zeit ignoriert worden ist. Frei nach dem Motto: Was der frisst, will ich auch haben!

Sollte keiner Ihrer Vögel als ein solcher Vorkoster dienen können, weil sie allesamt keine Frischkost anrühren, könnte eventuell ein Artgenosse für Abhilfe sorgen, den Sie während des Urlaubs seines Halters bei sich aufnehmen.

Geduld ist besonders wichtig

Küchenkräuter wie Basilikum gehören zu derjenigen Frischkost, die viele Wellensittiche gern fressen.
Küchenkräuter wie Basilikum gehören zu derjenigen Frischkost, die viele Wellensittiche gern fressen.

Wenn all das dennoch nicht helfen sollte, bewahren Sie die Ruhe. In freier Wildbahn fressen Wellensittiche wie bereits erwähnt auch keine Äpfel oder Tomaten, da diese im australischen Outback nicht wachsen. Haben Sie Geduld mit Ihren Tieren und bleiben Sie hartnäckig. Reichen Sie den Vögeln immer wieder Frischkost, denn irgendwann wird selbst der sturste Wellensittich neugierig und kostet von dem sonderbaren Zeug vor seiner Nase, das dann vermutlich doch gar nicht so übel schmeckt, wie er zuvor angenommen hat …

Und versuchen Sie es immer wieder auch mit Küchenkräutern, Wildgräsern und -kräutern, diese werden in den meisten Fällen sehr viel leichter von Wellensittichen angenommen als Obst oder Gemüse. Harte Obst- und Gemüsesorten werden von vielen dieser Vögel außerdem lieber gefressen als weiche. Klebrige Frischkost, zum Beispiel Bananen, finden unter Wellensittichen in aller Regel keinen allzu großen Anklang. Was am Schnabel klebt, wird von ihnen häufig nicht sonderlich geschätzt. Anderen Papageienarten macht das hingegen wenig aus. Bei Wellensittichen kann zudem die Farbe des Futters ein Problem sein. Rote Frischkost bereitet manchen Vögeln Unbehagen. Versuchen Sie es dann beispielsweise nicht mehr weiter mit roter Paprika, sondern mit gelber oder grüner. Irgendwann werden Ihre Tiere sicher anbeißen.

Vom Frischkostverweigerer zum Feinschmecker
Erfahrungsbericht mit Tipps von Andrea Traxler, Juli 2009

Geriebene Karotten kann man mit Körnerfutter mischen und die Vögel so an Frischkost gewöhnen. © krzys16/Pixabay
Geriebene Karotten kann man mit Körnerfutter mischen und die Vögel so an Frischkost gewöhnen. © krzys16/Pixabay

Aus guten Informationsquellen war mir durchaus bekannt, was Wellensittiche alles fressen dürfen. Das Problem dabei: Meine Vögel hat das einfach nicht interessiert. Bedingt durch eigene Fütterungsfehler zu Beginn meiner Vogelhaltung und später durch Aufnahme von älteren Vögeln, die Gemüse, Obst und Grünfutter einfach nicht kannten, ließen sie mein tägliches Angebot fast gänzlich links liegen. Gut, manchmal knabberte einer an der Gurke oder zupfte an der Vogelmiere, aber das war es dann auch schon.

Das Ergebnis war, dass einige Tiere aus unserem Schwarm zu Übergewicht neigten. Auch die normalgewichtigen Vögel waren nicht sonderlich lebhaft. Außerdem hatten alle, wie ich heute sagen würde, relativ häufig mit Infektionen zu kämpfen. Als eine ehemals gute Fliegerin beim Freiflug an Höhe verlor, was sie sicher nicht beabsichtigt hatte, beschloss ich, die Bande zu ihrem Glück zu zwingen.

Schritt 1

Ich füllte geriffeltes Gemüse und geschnittene Kräuter in die Futternäpfe. (Obst gibt es bei uns vorsichtshalber nicht, da zwei Vögel schon Probleme mit Megabakterien hatten). Die gewohnte Körnermischung streute ich obendrauf. Obwohl die Vögel nur die Körner abfraßen, lernten sie doch den Geschmack des Frischfutters kennen. Diese Fütterung behielt ich circa eine Woche bei.

Schritt 2

Als die gefiederten Feinschmecker die Scheu vor dem frischen (und manchmal feuchten) Futter verloren hatten, ging ich dazu über, die Körner mit dem Frischfutter zu vermischen. So mussten sie wohl oder übel mit dem Schnabel in diesem „Vogelmüsli“ suchen und fraßen automatisch das eine oder andere Frische mit.

Schritt 3

Inzwischen reiche ich das (rationierte) Körnerfutter in der Regel wieder separat, morgens und abends je eine kleine Portion. Die Frischkost wird auf die Lieblingsplätze verteilt, an denen die Wellis sich auch sonst gerne aufhalten. Nur bei Neuzugängen gehen wir gelegentlich wieder den Schritt zurück zum „Vogelmüsli“.

Ein Nachteil der „Müslimethode“ besteht darin, dass die klein geschnittene Frischkost vor allem im Sommer relativ schnell verdirbt. Nach spätestens zwei Stunden muss sie ausgetauscht werden. Wenn die Körner schon herausgepickt sind, gibt es bei uns den „Nachschlag“, dann ohne Körner.

Fazit

Bunter 'Welli-Salat', wie Andrea Traxler ihn für ihre Vögel zubereitet hat.
Bunter ‚Welli-Salat‘, wie Andrea Traxler ihn für ihre Vögel zubereitet hat.

In meinen Augen hat sich die Aktion gelohnt. Insgesamt ist unsere Truppe lebhafter geworden. Die Übergewichtigen haben moderat abgenommen, aber vor allem sind auch sie nicht mehr so träge. Die eher schlanken Vögel haben wider meine Befürchtungen nicht weiter abgenommen. Anscheinend hatten diese sich schon vorher nur das genommen, was sie auch brauchten. Insgesamt sind alle Tiere widerstandsfähiger gegen Krankheiten als früher.

Wie jede Umstellung braucht auch diese Art der Fütterung ein gewisses Durchhaltevermögen. Mein Tipp: Lieber nur zwei oder drei verschiedene Frischkostanteile, die abgewechselt werden, regelmäßig anbieten. Viel Auswahl ist sicher noch schöner, aber ich gebe zu, dass ich damit was das Zubereiten angeht an manchen Tagen überfordert wäre. Trotzdem habe ich ab und zu Spaß daran, einen Luxus-Rohkostsalat zuzubereiten, den ich für uns Federlose dann gleich parallel serviere.