Erfahrungsbericht über Paramyxovirose

Achtung: Die auf Birds-Online.de angebotenen Texte und Bilder rund um das Thema Erkrankungen von Vögeln sind als Informationsquelle gedacht. Bitte bringen Sie Ihre erkrankten Vögel immer schnellstmöglich zu einem fachkundigen Tierarzt!

Text und Bilder von Franziska Regnath, Juli 2008

Susi am 25. Dezember 2007.
Susi am 25. Dezember 2007.

Susi war gelb, frech und neugierig. Ein normaler Welli eben. Sie sah gesund aus und hatte Spaß am Leben. Wenn man sie so sah, dachte man nicht, dass sie seit dem Mai 2008 schwer krank war. Sie litt an einer Krankheit, die kurz als „PMV“ bezeichnet wird. Diese Abkürzung steht für Paramyxovirose. Die Paramyxoviren haben ihren gesamten Verdauungstrakt vollkommen verändert, ähnlich wie Megabakterien. Aber PMV schädigt darüber hinaus auch das Nervensystem.

Ich weiß nicht, wie lange Susi schon PMV in sich trug. Vielleicht ein Jahr, vielleicht auch bereits ihr ganzes Leben. Aber seit diesem Mai 2008 machte ihr die Infektion zu schaffen. Es sah anfangs wie eine ganz „normale“ Erkrankung aus: Sie schlief sehr viel und hatte zu nichts mehr Lust. Als es ihr nicht besser ging, fuhren wir zu einer renommierten Vogelklinik. Mich wunderte schon auf der Fahrt, wie erstaunlich viel Susi an diesem Tag bereits gefressen hatte – geradezu unnatürliche Mengen. Und sie schien noch immer nicht satt zu sein.

In der Klinik ging es dann als erstes auf die Waage: 37 Gramm mit einem riesigen Kropf. Dass Susi an einem sogenannten Pendelkropf litt, war bereits bekannt. Sie war auch nie sehr dick, aber dass sie ohne Kropf wohl nur 34 Gramm wog, erschütterte die Ärzte und mich. Es bestand sofort der Verdacht auf einen Befall mit Megas, wie die Megabakterien von vielen Vogelhaltern häufig abgekürzt werden. Susi wurde zweimal geröntgt, zuerst ohne und am nächsten Tag mit Kontrastmittel. Wir fuhren demnach am ersten Tag ohne Susi nach Hause.

Am folgenden Tag erhielten wir dann die Diagnose: Susis Verdauungsorgane seien komplett verändert, sie seien verdickt und seltsam verkrümmt. Da die Klinik an PMV forscht und sich auf dem Gebiet gut auskennt, hatten sie diese Erkrankung im Verdacht, Susis Probleme zu verursachen. Genaueres sollte eine später eingesandte Sammelkotprobe klären. Susi durfte wieder heim und sogar zu ihrem Partner Strolchi. Denn wenn es Paramyxoviren oder Megas wären, hätte er sich eh schon vor langer Zeit angesteckt. Unsere kleine Patientin bekam nun zehn Tage lang Antibiotika, Celebrex (gegen PMV) und Ampho-Moronal (gegen Megas). Zudem gab es leicht verdauliche Krankenkost: Quellfutter.

Ich sammelte Kot und schickte ihn ins Labor. Bis das Ergebnis da war, durchforstete ich das Internet nach Informationen über PMV. Ich fand nicht viel, aber was ich fand, war niederschmetternd. PMV-Vögel konnten unter Umständen plötzlich sterben, sie würde immer Probleme haben und sehr krankheitsanfällig sein. Zudem gab es im Prinzip keine Medikamente dagegen, lediglich etwas Symptomlinderndes. Eine Heilung war erst Recht ausgeschlossen. Ich hoffte so sehr, dass es „nur“ Megas sein würden. Auf diesem Gebiet gab es wenigstens viele Erfahrungen und Tipps. Aber die Kotuntersuchung nahm auf meinen Wunsch keine Rücksicht: Es war PMV. Ich war erschüttert. Wie sollte es jetzt weitergehen? Würde Susi wieder auf die Beine kommen?

Die freche Vogeldame war tapfer! Auch wenn es mit dem Schlucken der Medikamente nicht immer so gut lief, sie nahm wieder zu und wurde munterer. Am Ende ließ sie sich selbst im Stockfinsteren nicht mehr einfangen, weil sie einfach los flog und sich richtig versteckte. Typisch Susi eben.

Wellensittichdame Susi litt an einer Paramyxovirose.
Wellensittichdame Susi litt an einer Paramyxovirose.

Irgendwann war sie sogar so fit, dass sie sich wieder außerhalb des Käfigs austoben durfte. Ja, es schien fast, als hätte sie ihre PMV-Erkrankung vergessen. Das einzige, was mich stetig daran erinnerte, war das Quellfutter, das ich jeden Abend für sie ansetzen musste. Ich plante, wann ich ihr Kolbenhirse geben würde, denn auch diese musste gequollen sein. Alles andere konnte sie nicht verdauen. Mittlerweile gehörte außerdem ungesalzener gekochter Reis zur Speisekarte, mit den ungesalzenen gekochten Kartoffeln hakte es noch etwas… Das wichtigste jedoch war in diesen Tagen, dass es Susi wieder gut ging. Sie war zwar im Vergleich zu früher doch viel inaktiver, aber sie erhielt ihre Freude am Leben wieder.

Auch für mich hatte die Erkrankung Konsequenzen. PMV ist hochansteckend. Ich konnte also nicht mehr einfach meine Nachbarin und deren Wellis besuchen. Ich achtete darauf, dass ich nach Möglichkeit frische Kleidung trug, mit der ich noch keinen großen Kontakt zu Susi oder Strolchi hatte.

Es schien alles schon fast zu wunderbar zu laufen. Und am 2. und 3. Juli 2008 kam dann, was kommen musste: Susi ging es wieder schlecht. Und natürlich planten wir ausgerechnet in diesen Tagen eine große Geburtstagsfeier. Ein Klinikbesuch noch am selben oder nächsten Tag – man fährt allein schon eine Stunde dorthin – war also ausgeschlossen, da wir alle Hände voll zu tun hatten. Doch Susi sah schlechter denn je aus. Sie schlief den ganzen Tag und rührte nicht ein Korn Futter an. Zum Glück hatte ich noch Celebrex und Ampho-Moronal da. Ich fing sie abends ein und gab ihr die Medikamente, versuchte zudem noch, sie mit Brei zu päppeln. Aber Susi wollte einfach nichts schlucken. Sie war total abgemagert und wog nur 33 Gramm. Ich hatte Angst, konnte aber um halb zehn Uhr am Abend nichts weiter tun, als zu hoffen.

4. Juli 2008

Susi ist einfach tapfer. Gestern Abend bekam sie die Medikamente und heute Morgen war sie bereits fitter. Sie putzt sich wieder, hat gesungen und etwas gefressen! Mir fällt ein Stein vom Herzen. Aber das Gewicht macht noch Sorgen. Sie wiegt nur 34 Gramm.

5. Juli 2008

Heute geht es Susi schon wieder besser. Sie frisst auch mehr. Aber das Gewicht macht zu schaffen. Und die Medikamente gehen aus.

8. Juli 2008

Susi kurz vor ihrem Tod infolge ihrer schweren Paramyxoviren-Infektion.
Susi kurz vor ihrem Tod infolge ihrer schweren Paramyxoviren-Infektion.

Bis zum 8. Juli kämpfte ich mit Susi ihre letzte Schlacht. Als sie am Abend des 7. Juli nur mehr 31 Gramm auf die Waage brachte, stand fest: wir mussten am nächsten Tag in die Klinik. Zuerst war telefonisch geklärt worden, sie stationär aufzunehmen. Doch als der Arzt ihren Kot untersuchte, stellte er viel Unverdautes und einen Haufen Candida, einen Hefepilz, fest. Es war offensichtlich: Susis Körper hatte aufgegeben. Ihre Chance auf ein einigermaßen zufriedenes Leben wurde auf nicht einmal fünf Prozent geschätzt. Sie würde vielleicht in der Klinik wieder zunehmen, danach aber sofort wieder abmagern.

Susi war früher ein so lebendiger, aktiver und frecher Vogel, dass sie es einfach nicht verdient hatte, irgendwo in einer Klinik tagelang vor sich hin zu vegetieren, fortwährend Schmerzen zu haben und so zu leiden. Somit flog die gelbe Vogeldame am 8. Juli 2008 – genau zwei Monate nach dem ersten Besuch – von der Klinik aus ganz sanft ins Regenbogenland …

Für Susi war die Diagnose „PMV“ also das Todesurteil. Dennoch hat es sich gelohnt, für sie zu kämpfen, solange es ging. Sie war so tapfer und hatte sich so gefreut, als sie nach Wochen wieder fit genug war, um außerhalb des Käfigs zu fliegen. Allein dieser Moment, sie so zu sehen, hat mich für den Kummer, den sie bereitet hat, entlohnt.