Angriffslust

Hinweis: Die in diesem Beitrag beschriebenen Verhaltensweisen beziehen sich auf Wellensittiche. Auf andere Vogelarten sind die Angaben nicht direkt übertragbar.

Nicht immer geht es bei Wellensittichen ganz und gar friedlich zu. Sie sind recht temperamentvoll und es kann deshalb geschehen, dass sie in kleinere Rangeleien verwickelt werden, die in manchen Fällen in Kämpfe ausarten. Bevor Wellensittiche einander angreifen, wird zunächst einmal gedroht. Dieses Drohen signalisieren sie durch ihre Körpersprache und mittels Lautäußerungen geben sie häufig überdies akustische Warnsignale. Man kann ihnen in vielen Situationen die steigende Aggression meist deutlich ansehen.

Abb. 1: Sind bei Wellensittichen typische Drohgebärden wie gesträubtes Nackengefieder (1) und aufgerichtetes Stirngefieder (2) zu sehen, sind die Tiere meist sehr angriffslustig.
Abb. 1: Sind bei Wellensittichen typische Drohgebärden wie gesträubtes Nackengefieder (1) und aufgerichtetes Stirngefieder (2) zu sehen, sind die Tiere meist sehr angriffslustig.

Lässt sich ein Kontrahent durch die arttypischen Drohgebärden nicht einschüchtern und weicht er nicht zurück, haben die Vögel zwei Möglichkeiten: Entweder sie greifen an oder sie ziehen sich selbst zurück, denn wenn sie instinktiv wissen, dass sie dem Kontrahenten körperlich unterlegen sind, kann ein Rückzug die bessere Wahl sein. Fühlen sie sich nicht unterlegen, zeigen sie häufig eine weitere Einschüchterungstaktik: Sie verändern ihre Körperhaltung und signalisieren dadurch ihre selbst empfundene Dominanz. Ein aggressiver, angriffslustiger Wellensittich richtet sich zu voller Größe auf und drückt die Brust heraus, um damit körperliche Stärke und Kampfbereitschaft zu demonstrieren. Das Nackengefieder wird gesträubt, siehe Markierung 1, auch die Federn an der Stirn stehen steil nach oben, siehe Markierung 2. Darüber hinaus ist oft zu beobachten, dass die Augen halb geschlossen werden, was ein Schutzmechanismus ist. Denn falls der Kontrahent unvermittelt angreift, zielt er mit seinen Schnabelhieben meist auf den Kopf, wodurch die Augen verletzt werden könnten.

Die Körpersprache des in Abbildung 1 gezeigten hellgrün gefärbten, linken Wellensittichs signalisiert Entschlossenheit auf ganzer Linie, wohingegen der rechte, grüne Wellensittich zwar auch die Angriffsstellung eingenommen hat. Aber indem er den Oberkörper sowie seinen Kopf nach hinten lehnt, signalisiert er, dass er sich doch noch nicht ganz sicher ist und eher unterlegen fühlt. Er hat die Angriffsstellung vielmehr deshalb eingenommen, weil er zu einer sofortigen Verteidigung bereit sein möchte, falls sein Kontrahent angreift.

Geht ihnen etwas gegen den Strich, hacken Wellensittiche nach ihren Kontrahenten.
Geht ihnen etwas gegen den Strich, hacken Wellensittiche nach ihren Kontrahenten.

Nicht immer folgt auf eine Situation wie diese ein Kampf. Manchmal reicht das leichte Zurückweichen eines der Kontrahenten – wie in unserem Beispiel des rechten Vogels – aus, um die Wogen zu glätten. Die Tiere weichen ein wenig zurück und vergrößern so den Abstand zwischen sich und dem Kontrahenten. Sie nehmen wieder eine entspannte Körperhaltung ein und schütteln eventuell auch ihr Gefieder, um ihre innere Anspannung abzubauen.

Mitunter beruhigt sich die Lage nicht und die Aggression steigt, bis sie sich schließlich in einem Angriff entlädt. In manchen Fällen greift ein Vogel an und der andere wehrt sich lediglich, in anderen gehen beide nahezu gleichzeitig auf einander los. Dabei reißen die Vögel den Schnabel auf und hacken damit auf den Gegner ein, wobei sie schrille Rufe äußern. Je nachdem, wie der Kontrahent reagiert, kann es dadurch zu ernsthaften Beißereien kommen oder aber die Rangeleien enden nach wenigen Augenblicken, weil sich der Kontrahent kaum wehrt. Dann gehen die Vögel in aller Regel auseinander, behalten sich aber gegenseitig vorerst im Blick. Erst nach einer Weile entspannen sie sich wieder.

Im Kampf mit einer Artgenossin wurde dieses Wellensittichweibchen schwer am Kopf verletzt und starb kurze Zeit später.
Im Kampf mit einer Artgenossin wurde dieses Wellensittichweibchen schwer am Kopf verletzt und starb kurze Zeit später.

Geht es um einen Brutplatz, das Verteidigen des Nachwuchses oder eines Partners, können die Kämpfe jedoch länger dauern und extrem heftig werden. Vor allem Wellensittichweibchen kämpfen oft dermaßen erbittert um Nistplätze, dass sie sich gegenseitig schwere Wunden zufügen. Bei solchen blutigen Auseinandersetzungen kommt es bedauerlicherweise durchaus auch vor, dass einer der Vögel anschließend seinen Verletzungen erliegt. Läuft es besonders ungünstig, sterben beide Vögel infolge eines solchen Kampfes. Mehr zu diesem unschönen Thema finden Sie hier.

Einmischen oder nicht?

Wenn ein Halter beobachtet, dass seine Tiere angriffslustig sind und die Bereitschaft zum Kampf mit einem Artgenossen signalisieren, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Vögel bleiben ungestört und regeln ihre „Angelegenheiten“ selbst oder es erfolgt eine irgendwie geartete Einmischung, um die Vögel abzulenken oder gar (vorübergehend) voneinander zu trennen. Welche Vorgehensweise die richtige ist, lässt sich pauschal nicht sagen. Kleinere Rangeleien sind bei Wellensittichen an der Tagesordnung. Solange sie unblutig verlaufen und nicht in permanentes Mobbing ausarten, bei dem ein Vogel immer wieder traktiert wird, besteht normalerweise kein Grund zur Einmischung. Eskaliert die Situation hingegen und zeichnet sich ab, dass es zu schweren Kämpfen kommen wird, sollten die Tiere sicherheitshalber zumindest vorübergehend voneinander getrennt werden. Es ist wichtig, den Grund für den schwelenden Konflikt zu finden und nach Möglichkeit zu beseitigen. Denn ist der Auslöser weiterhin vorhanden, wenn man die Tiere wieder zusammenkommen lässt, könnten die Streitigkeiten erneut aufflammen.

Lesetipp: In der Ausgabe 06/2012 der Zeitschrift WP-Magazin ist ein Beitrag von mir erschienen, der sich mit dem Mobbing unter Wellensittichen befasst. Er ist als kostenlose Leseprobe erhältlich: zum Lesen hier klicken.

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