Treten

Hinweis: Die in diesem Beitrag beschriebenen Verhaltensweisen beziehen sich auf Wellensittiche. Auf andere Vogelarten sind die Angaben nicht direkt übertragbar.

Hin und wieder kann man Wellensittiche dabei beobachten, wie sie einander treten. Diese Tritte können aufgrund unterschiedlicher Gründe und Gemütsregungen ausgeführt werden. Entsprechend verschieden ist die Bedeutung dessen, was hinter den nicht in jedem Fall aggressiven Tritten steckt. Da es sich nicht immer um Angriffe handelt, besteht für den Vogelhalter nur in einigen Fällen die Notwendigkeit, in das Geschehen einzugreifen. In diesem Kapitel erfahren Sie mehr über das Treten und in welchen Situationen es bei Wellensittichen zu beobachten sein kann.

Treten im Rahmen der Partnerwerbung

Je intensiver die Partnerwerbung (Balz) eines männlichen Wellensittichs wird, desto mehr gerät der Vogel in Erregung. Ziel der Balz ist die Paarung mit der Partnerin, auf deren Rücken das Männchen steigt, um die Kopulation durchführen zu können. Um mit dem Weibchen kopulieren zu können, muss das Männchen es von seinen Absichten in Kenntnis setzen, denn manchmal balzen männliche Wellensittiche einfach nur, ohne sich paaren zu wollen. Will ein Wellensittich seine Paarungsbereitschaft anzeigen, geschieht dies häufig dadurch, dass das Männchen einen seiner Füße auf einen Flügel oder Rücken des Weibchens stellt.

Ist das Weibchen in der richtigen Stimmung für den Geschlechtsakt, biegt es seinen Rücken so durch, dass die Kloake für das Männchen frei zugänglich ist. Bei der Balz und vor allem während der Paarung ist das Treten demnach eine normale Verhaltensweise. In manchen Fachbüchern wird die Kopulation der beiden Partner wie folgt sehr treffend umschrieben: „Der Hahn tritt die Henne.“ Man spricht hinsichtlich der Paarung von Vögeln also auch vom Treten, obwohl die Kopulation weit mehr ist als einige Tritte auf den Rücken.

Dieses Wellensittichmännchen (rechts im Bild) tritt seine Partnerin, weil es seine Paarungsbereitschaft signalisieren möchte.
Dieses Wellensittichmännchen (rechts im Bild) tritt seine Partnerin, weil es seine Paarungsbereitschaft signalisieren möchte.
Das Weibchen (links im Bild) macht seinen Rücken rund und hebt seinen Schwanz an, um seine Paarungsbereitschaft zu signalisieren.
Das Weibchen (links im Bild) macht seinen Rücken rund und hebt seinen Schwanz an, um seine Paarungsbereitschaft zu signalisieren.

Auf die Schwanzfedern treten zum Erlangen von Aufmerksamkeit

Indem es auf den Schwanz seiner Partnerin tritt, testet das Männchen die Stimmung des Weibchens.
Indem es auf den Schwanz seiner Partnerin tritt, testet das Männchen die Stimmung des Weibchens.

Als Teil der Balz kann man mitunter beobachten, dass Wellensittichmännchen einem Weibchen kurz auf die Schwanzfedern steigen, während  die Vogeldamen auf einem ebenen Untergrund stehen. Meist tänzeln die Männchen um die Weibchen und es wirkt fast schon wie eine spielerische Geste, wenn sie sich kurz auf die Schwanzfedern stellen. Dieses Verhalten ist in aller Regel in keiner Weise aggressiv, sondern eher der Versuch, die Aufmerksamkeit des weiblichen Vogels auf sich zu lenken. Es ist dabei auch ein Test, wie das Weibchen reagiert. Verhält es sich aggressiv und hackt es mit dem Schnabel in seine Richtung, lohnt es sich für das Männchen nicht, die Partnerwerbung in dieser Situation weiter voranzutreiben. Ignoriert das Weibchen den Tritt hingegen, ist es in einer entspannten Stimmung und eher empfänglich für weitere Balzbemühungen des Partners. Ein Fortsetzen der Partnerwerbung lohnt sich dann oft durchaus für das Männchen.

Doch Vorsicht vor Fehlinterpretationen: Nicht immer bedeutet es etwas, wenn ein Männchen auf den Schwanz eines Wellensittichweibchens tritt. Mitunter geschieht dies aus reiner Unachtsamkeit, etwa beim Gerangel am Futterplatz.

Balzt ein fremdes Männchen ein verpaartes Weibchen an und tritt der Partnervogel dem Rivalen auf die Schwanzfedern, will er damit dessen Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ihm verdeutlichen: „Keinen Schritt weiter – ich sehe, dass Du meine Partnerin anbaggerst und es gefällt mir nicht!“

Treten als Dominanzgeste

Balzen zwei gleichgeschlechtliche Wellensittichmännchen miteinander, kann man mitunter beobachten, dass einer der Vögel dem anderen gegen die Brust tritt, um zu testen ob er der dominantere Vogel ist.
Balzen zwei gleichgeschlechtliche Wellensittichmännchen miteinander, kann man mitunter beobachten, dass einer der Vögel dem anderen gegen die Brust tritt, um zu testen ob er der dominantere Vogel ist.

Vor allem bei paarweise gehaltenen, gleichgeschlechtlichen Wellensittichen oder unter Männchen eines größeren Vogelschwarms ist zuweilen das Treten als Dominanzgeste zu beobachten. Zwei als Paar gehaltene gleichgeschlechtliche Tiere testen untereinander hin und wieder aus, welches das dominantere ist. Dabei tritt ein Tier dem anderen gegen den Flügel, als ob es eine Kopulation einleiten wollte. Die Reaktion des anderen Vogels kann unterschiedlich ausfallen: Reagiert der er mit Protestlauten und einem Scheinangriff, fühlt er sich nicht unterlegen. Weicht er hingegen aus und versucht sich dem Tritt zu entziehen, ohne mit dem Schnabel zu hacken oder Protestlaute von sich zu geben, ist er meist der unterlegene Vogel.

Auch Tritte gegen die Brust lassen sich manchmal beobachten. Diese Verhaltensweise zeigen vor allem Wellensittichmännchen gegenüber männlichen Artgenossen. Bei zwei miteinander befreundeten Vögeln können diese Tritte ein Ausloten der Kräfte sein. Weicht der getretene Vogel nicht zurück, fühlt er sich einer körperlichen Auseinandersetzung gewachsen. Tritt er hingegen ein Stück zurück, ist er der unterlegene und somit schwächere der beiden Vögel. Gestritten wird dann meist nicht, sondern das dominante Männchen hat beim Balzen gewissermaßen „die Hosen an“.

Ist das Treten zwischen zwei Männchen zu beobachten, die nicht miteinander befreundet sind oder gar Konkurrenten beim Umwerben eines Weibchens darstellen, dann bedeuten solche Tritte ebenfalls ein Kräftemessen, aber mit einem tendenziell aggressiven Hintergrund. Sie versuchen auf diese Weise herauszufinden, wer bei einem Kampf um das Weibchen der Stärkere sein würde.

Treten beim Kräftemessen und in Konfliktsituationen

Bei manchen Auseinandersetzungen greifen Wellensittiche mit dem Fuß den Flügel ihres Kontrahenten, um seine Beweglichkeit einzuschränken.
Bei manchen Auseinandersetzungen greifen Wellensittiche mit dem Fuß den Flügel ihres Kontrahenten, um seine Beweglichkeit einzuschränken.

Zwischen zwei Wellensittichen desselben Geschlechts oder beider Geschlechter kann es zu kleineren Rangeleien kommen, die normalerweise anstelle eines ernsthaften Kampfes ausgefochten werden. Es reicht den Tieren meist, durch bestimmte ritualisierte Verhaltensweisen zu ermitteln, wer der Stärkere ist. Hierzu gehört auch das Treten. Da es in einem Wellensittichschwarm keine Hackordnung wie etwa in einer Gruppe von Hühnern gibt, sind die Streitigkeiten in aller Regel nicht sehr ernst.

Fühlt sich ein Wellensittich durch einen Artgenossen bedrängt, beginnt nicht selten ein Kräftemessen, dem die für die Vogelart typischen Drohgebärden und schrillen Lautäußerungen vorangehen. Weicht keiner der Kontrahenten aus, kann es dazu kommen, dass eines der Tiere damit beginnt, den anderen Vogel im Brustbereich oder gegen den Flügel zu treten. Diese Tritte sind kurz und dienen dazu, den Gegner wegzuschieben oder um die Federn an den Flügeln zu greifen, was die Beweglichkeit des Kontrahenten einschränkt. Lässt sich dieser durch die Tritte einschüchtern, ist er der Verlierer der Streitigkeit und somit dem Vogel, der ihn getreten hat, unterlegen. Manche Vögel geben jedoch nicht nach und beginnen ihrerseits damit, den anderen Vogel zu treten und mit dem Schnabel in seine Richtung zu hacken.

Die Lautäußerungen der beiden einander tretenden Vögel werden zunehmend schriller sowie lauter und spätestens jetzt sollte sich der Besitzer fragen, ob er dem Streit durch sein Eingreifen Einhalt gebieten oder den Dingen lieber ihren Lauf lassen möchte. Bei letzterem besteht die Möglichkeit, dass sich die Tiere gegenseitig ernsthaft verletzen, denn sie könnten jederzeit mit den Schnäbeln aufeinander einhacken.

Mit zunehmender Kampfintensität bleibt es zudem nicht bei kurzen Tritten. Die Kontrahenten krallen sich regelrecht in der Brust oder im Bauch des jeweils anderen Vogels fest, was zu blutigen Kratzern führen kann. Während die Vögel bei solchen ernsten Kämpfen einander ihre Krallen in Bauch oder Brust drücken, hacken sie mit ihren Schnäbeln insbesondere auf den Kopf des Kontrahenten ein, bis der schwächere Vogel den Rückzug antritt oder aufgrund einer Verletzung keine Gegenwehr mehr leistet. Mitunter beißen sich die Vögel auch gegenseitig in die Füße, weil sie nicht durch Federn geschützt werden und somit besonders verwundbar sind.

Durch Störungen von außen lassen die Kontrahenten oft von einander ab. Falls der Halter sie mit den Händen trennen möchte, kann es jedoch geschehen, dass die gerade sehr aggressiven Vögel wie von Sinnen weiter auf alles einhacken, was ihnen vor den Schnabel gerät. Blutige Bisswunden in den Händen sind dann keine Seltenheit. Was in aller Regel gut hilft, um die Streithähne oder -hennen zu trennen, ist sie mit ein wenig Wasser zu beträufeln.

Die folgende Zeitlupen-Animation zeigt, wie Tritte beim Kämpfen ausgeführt werden:

Kampf zwischen zwei Wellensittichmännchen in Zeitlupe.
Kampf zwischen zwei Wellensittichmännchen in Zeitlupe.
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