Kloakenvorfall

Das Ei steckt in der Kloake fest und hat die Schleimhaut teilweise mit nach außen gezogen
Das Ei steckt in der Kloake fest und hat die Schleimhaut teilweise mit nach außen gezogen

Manchen Wellensittichweibchen gelingt es nicht, ein von ihnen produziertes Ei problemlos zu legen. Es kann aus unterschiedlichen Gründen dazu kommen, dass das Ei im Bauchraum stecken bleibt oder dass das Weibchen nicht genügend Kraft hat, es nach außen zu pressen. In solchen Fällen spricht man von einer Legenot. Sie ist jedoch nicht die einzige Komplikation, die sich beim Eierlegen ergeben kann. Mitunter klebt ein Ei so fest am Legedarm, dass er teilweise mit nach außen gepresst wird. Meist bleibt das Ei dann auch außerhalb des Körpers an der Schleimhaut haften. Tierärzte sprechen von einem sogenannten Kloaken- oder Legedarmvorfall.

Deutlich ist dabei die nach außen gestülpte und meist geschwollene Legedarmschleimhaut zu erkennen, die aus der hinteren Körperöffnung des Vogelweibchens hängt. Es ist für die betroffenen Vögel extrem schmerzhaft, wenn ein Teil ihres Legedarms derart verrutscht ist und am im Körper verbliebenen Teil zieht. Außerdem verstopft das noch immer im Weg liegende Ei die Kloake. Deshalb können die Vögel keinen Kot absetzen und im Bauchraum baut sich dadurch zusätzlicher Druck auf.

Anfangs ist die nach außen gerutschte Schleimhaut noch dunkelrot gefärbt, weil sie gut durchblutet ist. Zudem ist sie feucht, was für Schleimhäute normal ist. An der Luft trocknet sie aber rasch aus und auch die Durchblutung funktioniert nicht mehr richtig, wenn Legedarmschleimhaut nach außen gerutscht ist. Manchmal ist die Schleimhaut auch eingerissen und blutet zunächst, diese Blutung stoppt jedoch in der Regel irgendwann. Innerhalb relativ kurzer Zeit – also innerhalb weniger Stunden – stirbt die Schleimhaut ab. Das Gewebe verfärbt sich dann häufig grau und wirkt krustig. Tierärzte sprechen von nekrotischem Gewebe oder einer nekrotischen Veränderung der Schleimhaut. Je mehr Schleimhaut abgestorben ist oder je mehr Wunden diese zeigt, desto ernster ist die Situation. Für einen Vogel bedeutet ein Kloakenvorfall grundsätzlich akute Lebensgefahr. Und je mehr Schleimhaut abstirbt, desto geringer sind häufig die Überlebenschancen.

Therapiemöglichkeiten

Dieses Wellensittichweibchen litt an einem Kloakenvorfall
Dieses Wellensittichweibchen litt an einem Kloakenvorfall

Die Heilungschancen stehen bei einem Kloakenvorfall bedauerlicherweise nicht gut und viele Weibchen sterben innerhalb kürzester Zeit. Etliche von ihnen sterben außerdem trotz einer umgehend eingeleiteten fachkundigen Behandlung. Es handelt sich also um eine der für Vogelweibchen gefährlichsten Gesundheitskomplikationen. Trotzdem sollte jedes Vogelweibchen, das einen Kloakenvorfall erlitten hat, schnellstmöglich behandelt werden. Nur so ist es möglich, dem Tier überhaupt eine Chance auf eine Genesung zu geben. Am besten sucht man einen auf die Behandlung von Vögeln spezialisierten Tierarzt auf.

Ereignet sich ein Legedarmvorfall außerhalb der Sprechzeiten eines solchen Spezialisten, sollte dennoch keine Zeit durch Abwarten verschwendet werden. Bis der vogelkundige Tierarzt wieder erreichbar ist, könnte es für den erkrankten Vogel zu spät sein. In einem solchen Notfall muss sofort eine Tierklinik oder der tierärztliche Notdienst gesucht werden. Halten Sie den Kloakenvorfall unterwegs unbedingt warm und feucht. Mit steriler Wundgaze, die mit steriler Kochsalzlösung beträufelt wird, lässt sich dies gut bewerkstelligen. So können Sie ein (weiteres) Austrocknen der Schleimhaut verhindern oder zumindest verzögern.

Diesen schweren Kloakenvorfall hat der Wellensittich trotz sofortiger Behandlung nicht überlebt
Diesen schweren Kloakenvorfall hat der Wellensittich trotz sofortiger Behandlung nicht überlebt
An einem Kloakenvorfall gestorbener Wellensittich
An einem Kloakenvorfall gestorbener Wellensittich

Ist der Zustand des Vogels bei der Ankunft in der Praxis oder Klinik bereits zu schlecht, wird der Tierarzt empfehlen, das Leiden durch Einschläfern zu beenden. Falls aber noch eine Chance besteht, dass das Vogelweibchen genügend Kraft hat, kann versucht werden, das Ei unter Narkose operativ zu entfernen. Dabei wird gegebenenfalls vorhandene abgestorbene Legedarmschleimhaut entfernt und die noch intakten Bereiche dieses Körperteils werden zurück nach innen verlagert werden.

Die Kloake dieses Wellensittichweibchens ist wegen eines Kloakenvorfalls blutverschmiert
Die Kloake dieses Wellensittichweibchens ist wegen eines Kloakenvorfalls blutverschmiert

Damit die zuvor aus dem Körper gerutschten Schleimhautbereiche während der Heilungsphase nicht wieder verrutschen, ist es oft erforderlich, die Kloake des Vogels vorübergehend mit einer sogenannten Tabaksbeutelnaht zu verschließen. Diese sollte nicht so eng sein, dass der Vogel keinen Kot mehr absetzen kann, was der Tierarzt jedoch normalerweise genau kontrolliert. Ferner verabreicht der Tierarzt dem Vogelweibchen in aller Regel ein Antibiotikum, um der Ausbreitung einer bakteriellen Infektion vorzubeugen. Oft werden zusätzlich Kalzium, Vitaminpräparate und Elektrolyte eingegeben.

Die Tabaksbeutelnaht bleibt normalerweise für zwei bis drei Tage geschlossen. Dann erst können die Fäden gezogen werden, sofern der Kloakenvorfall ausreichend gut verheilt ist. In dieser Zeit nach der Operation braucht der Vogel sehr viel Ruhe und oft auch Wärme. Besprechen Sie mit Ihrem Tierarzt, ob Sie eine Wärmelampe einsetzen sollen. Falls das Vogelweibchen bereits ein Gelege hat, das es wärmen müsste, kann es dies in der Heilungsphase durchaus tun. Das Brüten ist mit viel Ruhe verbunden, was für die Heilung förderlich ist. Befinden sich jedoch bereits geschlüpfte Jungvögel im Nest, bedeutet deren Anwesenheit großen Stress für die schwer erkrankte Vogelmutter. Es ist dann wichtig, die Jungtiere sofern irgend möglich von anderen Wellensittichweibchen versorgen zu lassen.

Titelbild dieser Seite © Petra Schröder