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Urlaubsliebe mal zwei

Verfasst am 11. August 2001, überarbeitet im Mai 2020

Elli war sehr zierlich und leider schwer gehandicapt
Elli war sehr zierlich und leider schwer gehandicapt

Wenn sich ein Paar das Jawort gibt, begeben sich die frisch Vermählten danach oft auf ihre Hochzeitsreise. An diese Tradition hielten sich auch Ulrike und Christian, die mir ihre beiden Wellensittiche Elli und Toni zur Pflege überließen, um in Ruhe ihre Flitterwochen im hohen Norden genießen zu können. Für einige Wochen sollte ich also auf die beiden Sittiche aufpassen, was mit einer besonderen Verantwortung verbunden war.

Die kleine Elli hatte einst unter übelsten Bedingungen gelebt, aus denen Ulrike das arme Vogelmädchen befreit hatte. Vermutlich durch den Stress während der schlechten Zeit – Elli hatte ihr Dasein unter anderem in einem Badezimmer fristen müssen! – war die Kleine sehr krank geworden. Sie litt am sogenannten EMA-Komplex. Diese Krankheit tritt nicht nur bei Wellensittichen, sondern auch bei Unzertrennlichen auf und ist bedauerlicherweise nicht heilbar. Es bilden sich Ekzeme unter und an den Flügeln, in der Bürzelgegend und an den Beinen. Den Tieren fallen die Federn aus und die Haut entzündet sich, bildet nässende, juckende Krusten und die Vögel picken sich oft aus lauter Verzweiflung selbst blutig. Leider tat auch Elli dies gelegentlich.

Die schöne Wellensittichdame Toni
Die schöne Wellensittichdame Toni

Da sie seit dem Ausbruch der Krankheit kaum noch Federn am linken Flügel hat, war sie schon flugunfähig, als Ulrike sie bei sich aufgenommen hatte. Damit Elli nicht so schrecklich allein in ihrem Käfig hocken musste, hatte Ulrike einen Wellensittichzüchter aufgesucht, bei dem sie ein – vermeintliches – Männchen kaufte, das durch die Rennerkrankheit (Französische Mauser) angeblich ebenfalls flugunfähig sein sollte. So kam es, dass Toni bei Ulrike einzog. Nach einer Weile wuchsen Toni jedoch vollkommen intakte Schwungfedern, dieser Sittich war gar also nicht flugunfähig. Alles war ein Irrtum und der Vogel lernte schnell, hervorragend zu fliegen.

Anfang Juli 2001 traten Ulrike und Christian ihre Hochzeitsreise an, während ihre Vögel sich zu meinem Sittichschwarm gesellten. Toni hatte die Wellensittich-Pubertät hinter sich und die Wachshaut begann sich auszufärben, nachdem Ulrike und ihr Mann gerade ein paar Tage unterwegs waren. Toni, der eigentlich gehandicapt sein sollte und dennoch perfekt fliegen konnte, hielt eine weitere Überraschung bereit: Die Nase färbte sich braun, der angebliche Herr war also schon immer eine Dame gewesen!

Kiki wurde Ellis neuer Partner
Kiki wurde Ellis neuer Partner

Nun denn, diese Nachricht würde Ulrike und Christian sicher überraschen, aber nicht entsetzen, dachte ich mir. Zu der Zeit ahnte ich noch nicht, wie turbulent es bald darauf in meinem Vogelzimmer zugehen sollte …

Schon kurz nach ihrer Ankunft hatte Elli damit begonnen, zarte Bande mit Kiki zu knüpfen, der eigentlich seit über einem Jahr mit Rana verpaart war. Schnell war seine alte Liebe vergessen, er verliebte sich Hals über Kopf in die kleine Elli, die wie er selbst flugunfähig war. Laut ihrer Besitzerin soll Elli verschlossen und einzelgängerisch sein, was ich angesichts des zärtlichen Turtelns des frisch verliebten Vogelpaares nicht bestätigen konnte. Mir wurde ganz schwer ums Herz, als ich daran dachte, dieses glückliche Paar in einigen Wochen wieder trennen zu müssen. Hätte ich gewusst, dass alles überraschend anders kommen würde, hätte ich mir viel weniger Sorgen gemacht.

Herkules war Tonis Traummann
Herkules war Tonis Traummann

Denn nicht nur Elli fand und erlebte die große Liebe während ihres Urlaubs in meinem Sittichschwarm. Keine drei Tage hat es gedauert, da waren Feriengast Toni und mein Herkules ein harmonisches, permanent schmusendes Paar. Abends wollten sie auf derselben Schaukel sitzen, um sich auch nachts aneinander kuscheln zu können. Tagsüber wich der eine nicht von der Seite des anderen, und Herkules fütterte seine Angebetete bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Auch zwischen Kiki und Elli wurde die Beziehung zusehends inniger. Nur selten sah man die beiden betagten Sittiche nicht dicht beieinander, sie machten wirklich alles gemeinsam, angefangen vom Fressen bis hin zur Gefiederpflege – ihr Synchronputzen war wunderschön anzusehen.

Herkules (rechts) mit seiner Angebeteten, der Wellensittichdame Toni
Herkules (rechts) mit seiner Angebeteten, der Wellensittichdame Toni

Je näher der Zeitpunkt der Rückkehr der Besitzer von Elli und Toni rückte, desto mehr reifte in mir ein Entschluss: Das Wohl der Tiere sollte im Vordergrund stehen und wir sollten deshalb gemeinsam darüber nachdenken, jeweils einen der Vögel auszutauschen, damit die glücklichen Paare nicht getrennt würden. Als Ulrike und Christian aus den Flitterwochen zurückgekehrt waren, schlugen sie mir überraschenderweise dasselbe vor, was ich mir zuvor überlegt hatte. Ich hatte es also mit wirklich tierlieben Menschen zu tun!

Am 10. August 2001 war es so weit: Herkules zog zusammen mit seiner Freundin Toni bei Ulrike und ihrem Mann ein, während Elli hier bei mir und natürlich bei ihrem Liebsten Kiki blieb. Die Tiere schienen einander gesucht und gefunden zu haben, weshalb Ulrike und ich uns schweren Herzens von einem unserer Vögel trennten, um die Sittiche dadurch auf Dauer mit ihrem geliebten Partner beglücken zu können. Eine Entscheidung, die ich nicht bereute, wann immer ich Elli und Kiki zärtlich schmusen sah.

Nachtrag

Leider war es der tapferen Elli nicht vergönnt, lange mit ihrem Liebsten Kiki zusammenzuleben. Am 20. August 2001, also nur zehn Tage nach der offiziellen „Adoption“, erlag sie ihrer schweren Krankheit. Ihr geliebter und sehr alter Partner überlebte sie um einige Monate, Kiki starb am 24. Juni 2002 an Altersschwäche. Herkules blieb derweil bei Toni und hatte eine wunderschöne Zeit mit ihr. Diese endete jedoch bedauerlicherweise viel zu früh. Nach kurzer, schwerer Krankheit starb Toni am 26. Mai 2002. Kurz darauf zog der trauernde Herkules wieder in mein Vogelzimmer ein, damit ihn seine alten Freunde trösten können würden. Er selbst wurde Ende August 2002 sehr krank und starb, obwohl mein Tierarzt und ich alles versucht haben, um ihn zu retten.