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Erfahrungsbericht Wellensittich Kahlúa, der Federrupfer
Text und Bilder von Lea Hausmann, August 2009 und Mai 2010
Alles fing damit an, dass ich bei meinem Wellensittich Kahlúa an den Beinen plötzlich kahle Stellen entdeckte, an denen er sich die Federn ausgerupft hatte. Der Schock war groß, denn ich kannte Rupfen bis dahin nur als Verhaltensstörung, und mein Welli war weder alleine noch unterbeschäftigt, sondern genoss eine mehr oder minder harmonische Beziehung mit seiner Partnerin Baileys und ganztägig Freiflug sowie ein reichhaltiges Büfett.
Natürlich ließ ich den Vogel von einer Tierärztin untersuchen, die allerdings keine Parasiten oder sonstigen Hautschäden feststellen konnte, sondern nur eine extrem gereizte und trockene Haut – und zusätzliche kahle Stellen unter den Flügeln, die mir bis dahin nicht aufgefallen waren. So bekam er zunächst nur ein Vitaminpräparat und Mineralpulver, und da die kahle Haut wund war, empfahl mir die Ärztin, eine Plastik-Halskrause anzulegen, damit dies abheilt, denn natürlich juckt wunde Haut erst recht. Leider war dies im Nachhinein eher eine schlechte Entscheidung, denn mein Welli versuchte beständig, sich dieses störenden Dings zu entledigen, und obwohl wir die Krause am Innenrand mit Küchenpapier auspolsterten, scheuerte sie ihn am Hals, sodass die Federn dort zerdrückt wurden.
Als wir ihm die Halskrause nach einer Woche wieder abnahmen, waren zwar an den Beinen die Federn nachgewachsen, dafür sah das Halsgefieder ziemlich ramponiert aus – was Kahlúa als Einladung sah, von nun an dort weiter zu rupfen.
Erst nach weiterer Recherche im Internet lernte ich, dass das Rupfen auch organische Ursachen haben kann. Kahlúa, der inzwischen eine nackte Brust und auch am Rücken eine große kahle Stelle hatte und dessen Hals richtiggehend wund gerupft war, wurde also zwei Stunden zum Vogelspezialisten und zurück gekarrt und dort „auseinander genommen“.
Kropf- und Kloakenabstrich waren in Ordnung, dafür hatten sich auf der wunden Haut zahlreiche Bakterien angesiedelt, der Abstrich wurde zur weiteren Untersuchung ins Labor geschickt. Das Röntgenbild war unauffällig, aber bei der Blutuntersuchung wurden Nierenprobleme diagnostiziert – ich bekam einen ganzen Medizinschrank mit und in Aussicht gestellt, dass ich hier vermutlich noch eine längere Krankengeschichte zu erwarten hätte.
In den ersten Tagen musste ich meinen Kleinen zweimal täglich fangen, um ihm seine Medikamente zur Behandlung der Niereninfektion zu verabreichen und die entzündete Haut mit einem Wattestäbchen mit Wundcreme einzuschmieren. Dann bekam ich nach ein paar Tagen den Laborbefund, dass mein armer Krümel zusätzlich noch unter einem Befall der Haut mit Pilzen zu leiden hatte – halleluja. Da das zunächst verschriebene Antibiotikum Pilzwachstum fördert, bekam er gegen die Bakterieninfektion dreimal eine Spritze bei einem Tierarzt in meiner Heimatstadt.
Zum Trinken sollte mein Welli Tyrodelösung bekommen, die aber nicht leicht zu beschaffen war. Nachdem ich sieben Apotheken abgeklappert hatte, rief ich bei einer Apotheke neben einem Hautarzt an, die endlich alle Zutaten vorrätig hatte.
Jeden Abend lieferten Kahlúa, meine Schwester und ich uns einen erbitterten Kampf, um dem armen Wicht seinen Medikamentencocktail einzuflößen – einschmieren mit Imaverol gegen die Pilze und Wedederm für die wunde Haut, dazu drei verschiedene Medikamente, die in den Schnabel geträufelt werden mussten. Wir wurden schnell Profis im Vögel fangen, halten und mit Medizin eingeben, aber leider wurde Kahlúa auch ein Profi im Verstecken, unter der Hand wegtauchen und Fingerkuppenbeißen … ich war heilfroh, als endlich drei Wochen vorbei waren und die Nachuntersuchung anstand.
Das Rupfen hatte leider nicht aufgehört, und so riet der Arzt mir eine Untersuchung auf Vergiftungen an, eine Ursache, die ich ohnehin auch selbst schon im Verdacht gehabt hatte. Leider ist eine Blutabnahme nicht leicht, denn Wellis haben nur sehr wenig Blut, sodass es kaum für alle nötigen Untersuchungen ausreicht, und schließlich musste ich für jeden Besuch erst in eine andere Stadt fahren.
Zwanzig Minuten dauert es, bis man das Ergebnis der Blutuntersuchung hat – und der Doktor empfing mich mit zwei guten Nachrichten: Die erste war, dass Kahlúas Nierenwerte wieder völlig in Ordnung waren. Die zweite gute Nachricht war, dass die abgenommene Blutmenge ausreichte, um sie auch nach dem Nierencheck noch ins Labor einzuschicken. Ich fuhr nun ziemlich erleichtert mit meinem Grünen nach Hause, wenigstens hatte die Behandlung gut angeschlagen.
Leider war der Laborbericht unerfreulich, denn der Zinkwert war erhöht. Ab 3 ppm ist es stark bedenklich, und mein Vogel hatte einen Wert von 3,3. Also musste mich mein armer Bruder schon wieder fahren. Baileys brachte ich gleich mit, denn wenn einer der beiden sich vergiftet hatte, hatte Nummer zwei es vielleicht auch und noch eine weitere Fahrt konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen.
Wenigstens hier hatte ich Glück, bei meinem Mädel war alles in Ordnung. Zehn Tage verbrachten meine zwei in der Klinik, wo Kahlúa jeden Tag eine Spritze über sich ergehen lassen musste, um das in seinem Körper gebundene Zink wieder ausscheiden zu können.
Derweil begab ich mich auf Ursachenforschung. Zunächst hatte ich den Käfig im Verdacht, aber meine Nachfrage beim Hersteller ergab nur, dass es sich um Chrom handelte, der mit einem Schutzlack versehen war. Als ich noch einmal nachhakte, ob auch darunter kein Zink verbaut sei, fragte die Kundenbetreuerin in der Produktion nach – definitiv zinkfrei. So brauchte ich wenigstens nicht auch noch in eine neue Voliere zu investieren. Leider bedeutete das aber, dass mir die Ursache schleierhaft blieb, denn ansonsten besaßen meine Gefiederten praktisch nur Holz und Edelstahl. Ich entfernte sicherheitshalber die Metallplatten, mit denen die Sitzäste festgeschraubt waren, die Gitterbällchen aus Kunststoff und selbst die Blechdose, in der ich das Futter aufbewahrt hatte. Ich weiß bis heute nicht, was die Vergiftung bei Kahlúa ausgelöst hat, vielleicht hatte er dies aber auch schon, als ich ihn vom Züchter bekam, denn Baileys war schließlich trotz gleichen Haltungsbedingungen gesund.
Als die Behandlungszeit vorüber war, graute mir schon vor der Nachuntersuchung – denn durch das Medikament wird auch in Organen und Gewebe eingelagertes Zink in den Blutkreislauf gelöst, sodass der Wert sogar noch höher sein kann als zu Beginn der Therapie.
Nach einigen Telefonaten mit den Mitarbeitern der Klinik entschied ich, meine zwei noch länger stationär dort zu lassen – denn für ein sinnvolles Ergebnis der Nachuntersuchung müssen einige Tage seit der Absetzung des Medikamentes vergangen sein, damit nicht dessen Rückstände im Blut das Ergebnis verfälschen.
An einem Mittwochnachmittag, am frühesten möglichen Termin, wurde die Blutprobe abgenommen und sofort ins Labor geschickt, leider musste ich trotzdem noch zwei Tage auf das Ergebnis warten. Da mich am Freitag niemand fahren konnte, musste ich den Zug nehmen. Verständlicherweise saß ich den ganzen Vormittag wie auf Kohlen und wartete auf den Anruf aus der Tierklinik, wie die Werte ausgefallen waren – denn wenn sich die Vergiftung nicht verbessert hätte, hätte die Behandlung wiederholt werden müssen, was nicht nur noch mehr Belastung für meinen armen Vogel bedeutet hätte, sondern auch für meine leidgeprüfte Geldbörse …
Um halb drei rief ich noch einmal bei der Klinik an, die Sprechstundenhilfe meinte, sie hätten gerade selbst anrufen wollen. Ich glaube, die Mitarbeiterin war fast genauso froh wie ich: Der Wert war durch die Behandlung deutlich gesunken und nun im grünen Bereich.
Also setzte ich mich in den Zug und holte meine zwei nach Hause, zum Glück war es ein warmer Tag und die beiden überstanden die Reise ohne Probleme. Leider war Kahlúas Gefiederproblem nicht besser geworden, vermutlich durch den Stress sah er zerrupfter aus als je zuvor. Aber immerhin, ich hatte getan, was ich konnte, vielleicht würde sich die Symptomatik ja noch bessern.
Aber irgendwie hatte mein Kleiner kein Glück, das Rupfen war ihm inzwischen wohl schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er damit einfach nicht mehr aufhören konnte. Es wurde nicht besser und eines Nachmittags hatte er sich, als ich nach Hause kam, den Hals regelrecht blutig gebissen.
Zum Glück hatte ich mich, inzwischen alle medizinischen Unglücksfälle annehmend, die es zu befürchten gibt, mit Blutstiller ausgerüstet, versorgte die Wunde und setzte meinen Pieps in den Krankenkäfig. Da die Blutung gestoppt und die Wunde verkrustet war, wollte ich ihm den Transport in die örtliche Tierklinik bei der sommerlichen Hitze nicht zumuten.
Aber zwei Tage später erlebte ich den nächsten Schreck – als ich am Morgen den Käfig abdeckte, bot sich mir ein furchtbares Bild, sogar der Käfig war blutverschmiert. In der Nacht hatte sich Kahlúa wieder aufgebissen und viel Blut verloren. Natürlich fuhr ich sofort zum Tierarzt, wo ihm auf meine Bitte hin ein Verband verpasst wurde. Zwar empörte ihn das sichtlich, aber zumindest konnte er sich nun nicht mehr beißen – und, wie ich mit einer gewissen Schadenfreude bemerkte, auch nicht mehr rupfen.
Als ich nach einer Woche den Verband abnahm, war der Hals völlig zugeheilt. Allerdings wollte ich dem Glück nicht trauen und fürchtete einen Rückfall. Außerdem hatte ihn diese Krause nicht allzu sehr gestört, und ich beschloss, ihm einen neuen Wickel anzulegen.
Bald sah mein „Rupfhuhn“ schon besser aus, die Federfollikel waren offenbar nicht geschädigt worden, denn es sprossen ihm zahlreiche neue Federkiele. Seine Versuche, sich des Wickels zu entledigen, blieben erfolglos. Stattdessen reagiert er nun seinen Frust an Korkröhre, Bast (dieser muss allerdings kurz sein und darf nur unter Aufsicht angeboten werden, damit sich die Vögel darin nicht erhängen können!), Salat und Papier ab – alles bekam seinen Schnabel zu spüren. Mir ist das recht – alles soll er zerkauen, solange es nicht er selbst ist.
Weil Kahlúa es zwar nicht schaffte, den Verband zu entfernen, aber mit der Zeit das Stoffgewebe aufdröselte, erneuerten wir den Wickel noch einmal, diesmal mit dichterem Verbandstoff, damit sich seine Krallen nicht in den losen Fäden verhaken konnten. Die Abbildung unten entstand genau drei Wochen nachdem er den ersten Verband angelegt bekommen hatte. Davor sah er noch schlimmer aus als auf dem Foto, das unmittelbar nach seiner Entgiftung aufgenommen wurde.
Fast zehn Monate sind inzwischen vergangen, seit ich zum ersten Mal bemerkte, dass Kahlúa sich rupfte. Es gab einige Hochs und zahlreiche Tiefs, und ich habe alles versucht, um ihn davon abzuhalten. Vielleicht hätte man ihm sein Verhalten abgewöhnen können, wenn die Vergiftung früher erkannt und behandelt worden wäre – vielleicht aber auch nicht.
Seine jetzige „Halskrause“ ist eine Verzweiflungstat, denn normalerweise hätte ich dies meinem Vogel nicht zugemutet, wenn ich eine andere Möglichkeit gesehen hätte.
Es wird sich zeigen, ob Kahlúa jemals aufhören wird, zu rupfen – weder medizinische Behandlung noch ausgiebige Beschäftigung, weder vitamin- und mineralstoffreiche Ernährung noch Tageslichtlampen konnten ihn davon abhalten. Vielleicht wird er sein Leben lang seinen „Halswickel“ tragen müssen – aber solange er sich damit nicht mehr selbst verletzten kann, ist es das kleinere Übel. Inzwischen wachsen die Federn zumindest wieder und mein Piepskopf erinnert mehr an ein kleines Stachelschwein als an einen Wellensittich.
Alle anderen Vogelfreunde, die einen armen kleinen Rupfer bei sich zu Hause sitzen haben, möchte ich vor allem um eines bitten: nie aufzugeben. Federrupfen ist immer eine böse Geschichte, und in vielen Fällen eine unendliche dazu. Trotzdem gibt es immer Hoffnung. Es gibt viele mögliche Ursachen, die man überprüfen und behandeln sollte, und erst, wenn alles nichts nützt, sollte man über eine Halskrause nachdenken, wenn sich der Vogel sonst selbst verletzt.
Baileys und Kahlúa sind meine ersten Wellensittiche, und ich habe mir Wellis gewünscht, seit ich acht Jahre alt war. Im Laufe der Krankheit habe ich mehr als einmal gewünscht, ich hätte nie welche gehabt. Aber zwei Dinge sollte man nie vergessen: Man ist nicht allein!
Ich war überrascht und gerührt, wie viele liebe und hilfsbereite Menschen mir zur Seite standen, denen ich dafür sehr dankbar bin: Meine Mutter und mein Bruder, die mich so oft zum Tierarzt gefahren haben, meine Schwester, die inzwischen genauso eine erfahrene Wellikrankenschwester ist wie ich, meine zweite Schwester und mein Schwager, die trotz einiger Schwierigkeiten im Urlaub bei der Krankenversorgung eingesprungen sind, und meine beste Freundin, die meine zwei währenddessen zum Antibiotikum spritzen gefahren hat; die geduldigen Mitarbeiter der Tierklinik, die auch nach meinen endlosen konfusen Anrufen zur Organisation noch höflich geblieben sind, und auch die Apotheker – die selbst früher mal einen Welli hatten – und mir die Tyrodelösung gemischt haben. Selbst im Zug hat mich ein netter Mann auf meinen Vogelkäfig angesprochen und mir ein Stück Plastikkordel angeboten, um die flatternde Decke, die zum Schutz vor Zugluft über dem Käfig hing, festzuknoten. Und natürlich gilt mein Dank auch den vielen anderen Wellihaltern, die mich über das Internet getröstet und beraten haben und deren Erfahrungen mir sehr geholfen haben!
Die zweite Sache, die man nicht vergessen sollte, ist, dass trotz allem Kummer doch die Freude, die man durch seine Wellis hat, bei weitem größer ist.
Auch wenn mein Kahlúa nun ein wenig sonderbar aussieht und nicht mehr sein volles Gefieder hat, ist sein gieriger Gesichtsausdruck beim Mampfen von Salat oder Hirse genauso verschmitzt wie immer, und das ist schließlich das Wichtigste, oder?
Nachtrag Mai 2010
Nun ist es etwa ein Jahr her, dass mein kleiner Piepskopf einen Halswickel verpasst bekommen musste. Inzwischen hat sich sein Gefieder wieder etwas erholt – außer am Hals. Nach einiger Zeit habe ich versucht, den Verband wegzulassen, zu Beginn ging alles gut – aber nach ein paar Tagen fing Kahlúa wieder an, weiter zu knibbeln und zu knabbern, sodass ich ihm seinen Halswickel wieder angelegt habe. Nun muss er sich immer noch ab und zu fangen lassen, kriegt seinen Verband abgenommen, putzt sich ausgiebig und öffnet seine Federhülsen, und nach ein paar Tagen bekommt er dann einen neuen Wickel.
Auch wenn ich inzwischen alle Tricks anwenden muss, um meinen Geier überhaupt zu erwischen, rechne ich es ihm hoch an, dass er sich trotzdem noch auf meine Hand traut (sofern Golliwoog darauf liegt …), er weiß allerdings auch genau, wann ich ihm nur einen Leckerbissen geben will und wann ich „Böses im Schilde führe“. Ansonsten ist er immer noch ein cleverer und munterer Vogel, der im Gegensatz zu seiner stinkfaulen Mitbewohnerin gerne seine Runden fliegt. Ich habe mich inzwischen damit abgefunden, dass er wohl nie wieder ohne Halskrause leben können wird, aber wenn er Korkröhre zernagt oder abends gemütlich vor sich hin knuspert, hoffe ich, dass er mir das verzeiht und trotzdem sein Leben genießen kann.