Legenot und Kloakenvorfall

Achtung: Die auf Birds-Online.de angebotenen Texte und Bilder rund um das Thema Erkrankungen von Vögeln sind als Informationsquelle gedacht. Bitte bringen Sie Ihre erkrankten Vögel immer schnellstmöglich zu einem fachkundigen Tierarzt!
Infolge einer Legenot ist dieses Wellensittichweibchen zu erschöpft, um noch auf den Beinen zu stehen
Infolge einer Legenot ist dieses Wellensittichweibchen zu erschöpft, um noch auf den Beinen zu stehen

Die Fortpflanzung der Vögel läuft normalerweise reibungsfrei ab und die Weibchen legen Eier, ohne dass sich Komplikationen ergeben. In einigen Fällen kann es jedoch zu Problemen kommen, die für den betroffenen Vogel schnell lebensbedrohliche Ausmaße annehmen können, wenn der Tierhalter nicht rechtzeitig eingreift. Die beiden am häufigsten in Erscheinung tretenden Fortpflanzungskomplikationen sind die Legenot und der Kloaken- oder Legedarmvorfall. Unter einer Legenot versteht man ein Problem bei der Eiablage, wobei das Ei im Körperinnern feststeckt und nicht abgelegt werden kann. Rutscht der Legedarm bei der Eiablage aus dem Körper, spricht man von einem Kloakenvorfall. Letzterer kann zudem auch noch nicht fortpflanzungsfähige Jungvögel sowie Vogelmännchen betreffen. Beide Krankheitsbilder werden in diesem Beitrag vorgestellt.

Vorab empfehle ich, folgendes Video anzuschauen, das eine normale Eiablage eines Wellensittichweibchens zeigt: hier klicken.

Legenot

Schwer atmendes und erschöpftes Wellensittichweibchen, das an einer Legenot leidet
Schwer atmendes und erschöpftes Wellensittichweibchen, das an einer Legenot leidet

Die Legenot kann jedes Eier produzierende Vogelweibchen treffen, egal ob sie jung oder alt, unerfahren oder routiniert in Bezug auf das Eierlegen ist. Ein Vogel, der unter einer Legenot leidet, sitzt anfangs schwer atmend, mit aufgeplustertem Gefieder und breitbeinig da. Meist verweigert das Tier die Nahrungsaufnahme und lässt sich nicht einmal vom Partner füttern. Innerhalb von Stunden werden die Vögel zusehends matter, weil sie das Ei sogar durch starkes Pressen nicht aus dem Legedarm bringen können. Das über einen längeren Zeitraum durchgeführte wiederholte Pressen lässt ihre Kräfte weiter schwinden und ihre Atmung wird zusehends schwerer. Häufig spreizen sie die Flügel seitlich vom Körper ab und atmen hechelnd durch den Schnabel, weil sie durch das Pressen und die damit verbundene Muskelanspannung innerlich aufheizen.

Dieser Bourkesittich nestelt am Gefieder, weil der Bauch wegen einer Legenot schmerzt
Dieser Bourkesittich nestelt am Gefieder, weil der Bauch wegen einer Legenot schmerzt

Viele betroffene Weibchen rupfen sich wegen der Schmerzen und des Spannungsgefühls einige Federn am Bauch und rund um die Kloake aus. Wächst die Erschöpfung noch weiter, legen sich die Vogelweibchen in vielen Fällen auf den Bauch und können den Kopf kaum noch aus eigener Kraft heben. Die Atmung wird noch schwerer und erfolgt bald nur noch stoßweise; viele Tiere halten die Augenlider geschlossen. Eine Legenot kann innerhalb von zwölf Stunden zum Tode des Vogels führen, da er sich vollkommen verausgabt und von extrem starken Schmerzen geplagt wird.

Unterschiedliche Ursachen können dafür verantwortlich sein, dass ein Vogelweibchen ein Ei nicht legen kann oder dass es auf halben Wege in der Kloake stecken bleibt. Es könnte zum Beispiel sein, dass eine Entzündung des Legedarms vorliegt oder aber die körperliche Verfassung ist insgesamt so schlecht, dass die Kraft zum Legen des Eis nicht reicht. In manchen Fällen wird ein Ei so lange nicht abgelegt, bis sich bereits das nächste Ei gebildet hat. Das zuerst gebildete und nicht gelegte Ei blockiert dann die Ablage des zweiten, was die unangenehme und gefährliche Situation für den Vogel noch verschärft.

Legenot bei einem Wellensittich mit zwei feststeckenden Eiern
Legenot bei einem Wellensittich mit zwei feststeckenden Eiern
Dieser Wellensittich konnte das in seinem Bauch feststeckende Ei nicht selbst legen
Dieser Wellensittich konnte das in seinem Bauch feststeckende Ei nicht selbst legen
Der Bauch und die Kloakengegend dieses Katharinasittichs sind wegen einer Legenot geschwollen und gerötet.
Der Bauch und die Kloakengegend dieses Katharinasittichs sind wegen einer Legenot geschwollen und gerötet.

Wird eine Legenot rechtzeitig erkannt, kann der Tierarzt den Vogel in den meisten Fällen retten, indem er das Ei entweder durch eine bestimmte Massagetechnik oder durch einen kleinen operativen Eingriff entfernt. Bitte experimentieren Sie nicht selbst herum, indem Sie den Bauch Ihres Vogels massieren. Ein Ei kann im Legedarm sehr leicht zerbrechen und die Schleimhäute verletzen. Dies führt häufig zu einer lebensbedrohlichen Infektion (Sepsis).

Oft produzieren Vogelweibchen nach der Legenot weitere Eier, die sie normalerweise ohne Probleme legen. Sollten sich jedoch mit einem der nächsten Eier erneut Probleme ergeben, kann der Tierarzt eine Hormonbehandlung durchführen, um weitere Eiablagen zu unterbinden.

Das sollten Sie tun
Gehen Sie bei einem Verdacht auf eine Legenot umgehend zu einem vogelkundigen Tierarzt. Ist kein solcher Arzt erreichbar, was beispielsweise an Wochenenden oder Feiertagen leider oft der Fall ist, dann suchen Sie trotzdem einen Arzt auf, am besten eine Tierklinik. Ohne sofortige tierärztliche Hilfe ist das Leben Ihres Vogels in Gefahr und jede Stunde zählt! Der Tod durch eine Legenot gehört wohl zum Qualvollsten, was einem Vogelweibchen zustoßen kann. Deshalb muss in einer solchen Situation ohne Wenn und Aber geholfen werden, auch wenn es zeitlich gerade ungünstig ist. Halten Sie den geschwächten Vogel während des Transports zum Tierarzt möglichst warm, da unter Legenot leidende Weibchen meist stark frieren.

Kloakenvorfall

Blutiger Kloakenvorfall bei einem Wellensittich
Blutiger Kloakenvorfall bei einem Wellensittich

Manchen Vogelweibchen gelingt es infolge gesundheitlicher Komplikationen nicht, ein von ihnen produziertes Ei auf natürliche Weise zu legen. Bleibt es im Bauchraum stecken, bezeichnet man dies als eine Legenot, siehe oben. Dieser Zustand ist an sich bereits extrem unangenehm für die betroffenen Vögel, doch infolge des wiederholten Pressens kann es leider auch vorkommen, dass sich die Situation noch mehr zuspitzt: Mitunter gelingt es den Vogelweibchen doch, das am Legedarm haftende Ei nach draußen zu pressen – inklusive Legedarm, der das Ei umgibt. Bei einem solchen Kloaken- oder Legedarmvorfall, der Tierarzt spricht hierbei von einem Prolaps, rutscht demnach Gewebe durch die Kloake aus dem Körper. Ein hiervon betroffenes Vogelweibchen kann weder das Ei ohne Hilfe aus dem außerhalb des Körpers liegenden Darmabschnitt herausholen, noch seinen Darm wieder in den Körper verlagern. Es leidet unter großen Schmerzen und manche Vögel verletzen den herausgestülpten Darmabschnitt bei dem Versuch, sich Linderung zu verschaffen und das Ei mit dem Schnabel herauszulösen.

Neben diesem Verletzungsrisiko besteht eine weitere Gefahr: Die nach außen gestülpte Schleimhaut trocknet rasch aus und stirbt ab. Tierärzte sprechen in solchen Fällen von einer Nekrose (=abgestorbenes Gewebe) oder einer nekrotischen Veränderung der Schleimhaut. Dabei gilt, dass je mehr Schleimhaut abgestorben ist oder je mehr Wunden diese aufweist, desto niedriger sind die Überlebenschancen des Vogels. Ein von einem Kloakenvorfall betroffenes Vogelweibchen ist somit in Lebensgefahr. Obendrein kann das Tier meist keinen Kot absetzen, weil das im nach außen gestülpten Legedarm feststeckende Ei im Weg ist.

Das sollten Sie tun
Ein Vogelweibchen, das einen Kloaken- oder Legedarmvorfall erlitten hat, gehört so schnell wie möglich in tierärztliche Behandlung! Als Erste-Hilfe-Maßnahme empfiehlt es sich, die aus dem Körper hängende Schleimhaut mit einem warmen, feuchten und möglichst sauberen Tuch zu befeuchten. Im Idealfall lässt man sterile Kochsalzlösung über die Schleimhaut laufen. So wird ein weiteres Austrocknen des empfindlichen Gewebes verhindert oder zumindest gemindert. Hierfür kann man beispielsweise die Kochsalzlösung für Kontaktlinsen verwenden, allerdings sollte sie unbedingt frei von Konservierungsstoffen sein.
Mit einem angefeuchteten Tupfer wird der nach außen gerutschte Darmabschnitt zurück verlagert
Mit einem angefeuchteten Tupfer wird der nach außen gerutschte Darmabschnitt zurück verlagert.

Das in der nach außen gestülpten Schleimhaut feststeckende Ei muss vom Tierarzt – zumeist operativ – entfernt und der herausgestülpte Darmabschnitt mit einem angefeuchteten Tupfer in den Körper zurück verlagert werden. Abgestorbenes Gewebe muss der Tierarzt entfernen, da anderenfalls Komplikationen wie eine Blutvergiftung die Folge sein können. Damit die vorgefallenen Schleimhautbereiche nicht sofort wieder aus dem Körper des Vogelweibchens treten, ist es eine übliche Vorgehensweise, die Kloake mit einer Tabaksbeutelnaht zu verschließen. Diese sollte nicht so eng sein, dass der Vogel keinen Kot mehr absetzen kann, was der Tierarzt jedoch stets kontrolliert. Ferner verabreicht der Tierarzt dem Weibchen häufig ein Antibiotikum. Oft werden zusätzlich Kalzium, Vitaminpräparate und Elektrolyte eingegeben.

Die Tabaksbeutelnaht bleibt normalerweise für zwei Tage geschlossen, dann erst können die Fäden gezogen werden, sofern der Kloakenvorfall ausreichend gut verheilt ist. In dieser Zeit braucht der frisch operierte Vogel viel Ruhe.

Diesen schweren Kloakenvorfall hat der Wellensittich trotz sofortiger Behandlung nicht überlebt
Diesen schweren Kloakenvorfall hat der Wellensittich trotz sofortiger Behandlung nicht überlebt
Der Kloakenvorfall war für dieses Wellensittichweibchen leider tödlich
Der Kloakenvorfall war für dieses Wellensittichweibchen leider tödlich

Kloakenvorfall bei Jungvögeln und Männchen

Während bei Vogelweibchen in der Brutphase meist der Legedarm mit daran haftendem Ei aus der Kloake rutscht, kann bei Männchen oder Jungvögeln ein Teil des hinteren Darmabschnitts nach außen rutschen. Dies geschieht zum Beispiel dann, wenn das stützende Gewebe zu schwach ist und die Vögel einen Unfall erleiden. Stürzt ein Vogel und prallt er hart auf dem Bauch auf, kann dies ausreichen, um ein Stück Darm aus der Kloake rutschen zu lassen. Somit können von einem Kloakenvorfall grundsätzlich alle Vögel unabhängig von Alter oder Geschlecht betroffen sein.

Titelbild dieser Seite © Petra Schröder