Legedarmentzündung und Schichteier

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Der Legedarm dieses Wellensittichweibchens ist stark geschwollen und wölbt den Bauch auf.
Der Legedarm dieses Wellensittichweibchens ist stark geschwollen und wölbt den Bauch auf.

Vogelweibchen verfügen über einen Darmabschnitt, der bei der Fortpflanzung oder genauer gesagt in Bezug auf die Legetätigkeit eine besondere Rolle spielt. Der sogenannte Legedarm ist normalerweise sehr klein, er wird jedoch aufgrund hormoneller Prozesse erheblich größer, wenn ein Vogelweibchen in Brutstimmung gerät. Dieser Darmabschnitt kann sich unter bestimmten Umständen eitrig entzünden, was in aller Regel zu einer unnatürlich großen Umfangsvermehrung (Schwellung) sowie zu erheblichen gesundheitlichen Komplikationen führt.

Derlei Entzündungen entstehen insbesondere dann, wenn sich kleine Fremdkörper in diesem Darmabschnitt befinden oder wenn sich in seinem Inneren Sekrete und Kalzium zu eischalenähnlichen Klumpen zusammenballen. Diese unregelmäßig geformten Gebilde bleiben im Legedarm stecken und werden mit der Zeit immer größer. Man nennt sie Schichteier, obwohl sie im eigentlichen Sinne keine Eier sind. Oft gehen Legedarmentzündungen und die Bildung von Schichteiern unmittelbar Hand in Hand, recht selten liegt eine Entzündung des Legedarms ohne eine Klumpenbildung vor. Auch Windeier können bei Vogelweibchen massive Gesundheitsbeschwerden verursachen. Es handelt sich bei Windeiern um Eier, die keine Schale aufweisen und mitunter an der Schleimhaut des Legedarms haften bleiben. Außerdem können nicht entzündliche Prozesse dazu führen, dass der Legedarm enorm anschwillt und dem betroffenen Vogelweibchen massive Beschwerden verursacht.

Besteht der Verdacht auf eine Legedarmentzündung, muss ein Tierarzt eine genaue Diagnose stellen und mithilfe einer Röntgenaufnahme klären, ob sich Schichteier oder andere Fremdkörper in diesem Darmabschnitt des Vogelweibchens befinden. Ist dies der Fall, hilft normalerweise nur eine Operation, um das Leben des Vogels zu retten. Während einer solchen Operation wird der Legedarm häufig vollständig entfernt. Mehr über das Thema Operationen erfahren Sie im folgenden Erfahrungsbericht.

Fallbeispiel: Erfolgreiche Operation zur Behandlung einer Legedarmentzündung

Der folgende Text wurde von Nicole Corica im November 2005 bereitgestellt.

Wellensittichdame Lucius vor ihrer schweren Legedarmentzündung.
Wellensittichdame Lucius vor ihrer schweren Legedarmentzündung.

Meine zu jener Zeit vierjährige Wellensittichhenne Lucius legte plötzlich ein enorm starkes Brutverhalten an den Tag. Sie scharrte auf dem Boden, hockte sich vermehrt in Ecken und suchte im gesamten Vogelzimmer nach Nistmöglichkeiten. Da ich keine Zuchtgenehmigung habe [Anm. d. Red.: diese war damals noch erforderlich] und auch nicht züchten möchte, hatte sie jedoch keinerlei Möglichkeit, eine dunkle Höhle zu finden. Sie nahm während dieser Zeit auch vermehrt Grit und Mineralstoffe zu sich.

Etwa eine Woche später bemerkte ich bei Lucius eine kleine Verdickung in der Kloakenregion. Eindeutig bildete sich dort ein Ei, das glaubte ich damals zumindest. Ich sah keine Veranlassung dazu, ihr nun eine Nistmöglichkeit zu bieten, weil es einerseits verboten ist, Wellensittiche ohne Zuchtgenehmigung zu züchten. Außerdem weiß ich aus früherer Erfahrung, dass Hennen ihre Eier auch ohne einen Nistkasten ablegen, wenn sie zu stark in Brutstimmung geraten sind.

Jedoch schwoll diese Verdickung mit der Zeit weiterhin an und Hobbyzüchter aus meinem Bekanntenkreis sagten mir in aller Deutlichkeit, dass das Ei längst hätte abgelegt worden sein müssen. Lucius‘ Verhalten war aber trotzdem ganz normal, ich konnte keine Veränderung an ihr erkennen, keine Kurzatmigkeit, sie flog herum, machte Unsinn, ließ auch ihren Partner weiterhin aufsteigen. Das Einzige, was anders war, war die Verdickung. Außerdem musste sie beim Koten stärker pressen und sie schied jedes Mal sehr große Kotmengen aus (sogenannter Brutkot). Diese großen Kotballen setzte sie allerdings nicht sehr häufig ab. Weil ich das Risiko einer Legenot nicht eingehen wollte, suchte ich eine vogelkundige Tierärztin auf.

Der Legedarm des Wellensittichweibchens Lucius ist so stark geschwollen, dass man die Wölbung des Bauches leicht erkennen kann.
Der Legedarm des Wellensittichweibchens Lucius ist so stark geschwollen, dass man die Wölbung des Bauches leicht erkennen kann.

Diese tastete die Kloaken- und Unterbauchregion ab. Ein Ei war so nicht zu fühlen, aber eine Masse an weichem Gewebe. Die Vorsicht, mit der die Tierärztin nur ganz leicht über die Verdickung fühlte, war ein großes Glück für Lucius. Sie rettete ihr sehr wahrscheinlich das Leben, wie sich später herausstellen sollte.

Die Ärztin entschied sich dazu, unter Zuhilfenahme eines Kontrastmittels zu röntgen. Sie wollte gerne sehen, wo genau sich der Darmbereich befindet. Nach der direkten Eingabe des Kontrastmittels in den Schnabel dauerte es noch eine gute Stunde, und dann konnte geröntgt werden.

Sogar für mich als Laie waren die Röntgenbilder ziemlich eindeutig. Der Darm war komplett nach hinten und an die Seite gedrängt worden. Ein Ei war aber auf den Röntgenbildern nicht zu sehen. Deshalb stellte die vogelkundige Tierärztin die Diagnose, dass der Legedarm angeschwollen ist und eine Entzündung diesen so aufgebläht hatte. Eine Operation war hier vonnöten.

Zwei Tage später wurde Lucius‘ Legedarm operativ entfernt. Dieser war so vereitert, dass er beinahe im Körper geplatzt wäre. Glücklicherweise platzte er tatsächlich erst, nachdem man ihn entfernt hatte. Hätte die Ärztin bei der Tastuntersuchung zu viel Druck ausgeübt oder wäre Lucius bei einem missglückten Flugmanöver gegen etwas Hartes geprallt, wäre dies das sichere Todesurteil für meine Henne gewesen, weil der Legedarm dann sehr wahrscheinlich geplatzt wäre. Die Entzündung des Darmabschnitts resultierte daraus, dass ein nicht intaktes Ei im Legedarm stecken geblieben war.

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Wellensittichdame Lucius während der Operation noch in Narkose; rechts neben ihr liegt der eitrige, entzündete und soeben entfernte Legedarm.
Wellensittichdame Lucius während der Operation noch in Narkose; rechts neben ihr liegt der eitrige, entzündete und soeben entfernte Legedarm.
Die Wunde an Lucius' Bauch kurz nach der Operation, bei der der entzündete Legedarm entfernt wurde.
Die Wunde an Lucius‘ Bauch kurz nach der Operation, bei der der entzündete Legedarm entfernt wurde.

Bereits einen Tag nach der Operation konnte ich Lucius abholen, sie hatte den Eingriff super überstanden. Ihr Verhalten nach der Operation war genauso wie vorher auch, ihr Fortpflanzungsverhalten ist weiterhin ausgeprägt, obwohl durch die Entfernung des Legedarms kein Eierlegen mehr möglich ist. Dies wundert mich schon sehr, aber es scheint bei Wellensittichen hier anders zu sein als bei anderen Tierarten, die nach einer Kastration kaum noch ein Fortpflanzungsverhalten zeigen, siehe Anmerkung.

Eine Legedarmoperation ist mittlerweile nicht mehr so selten, der Eingriff ist für vogelkundliche Tierärzte schon zur Routine geworden. Daher sollte man diesen Schritt als Vogelhalter wirklich wagen, ansonsten könnte ein qualvoller Tod des betroffenen Vogels eintreten.

Wellensittich Lucius einen Tag nach der Operation
Wellensittich Lucius einen Tag nach der Operation
Wenige Tage nach der Operation wachsen bereits neue Federn
Wenige Tage nach der Operation wachsen bereits neue Federn

Anmerkung zur Kastration

Lucius‘ Fall ist nicht die Regel, denn so manches kastrierte Vogelweibchen legt nicht nur eine Veränderung in ihrem Brutverhalten an den Tag. Es kann geschehen, dass ein Vogel durch einen solchen Eingriff aggressiver und bissiger wird oder dass einstmals dem Menschen gegenüber zutrauliche Vögel scheu und schreckhaft werden. Allerdings sind auch gegenteilige Fälle bekannt, in denen die Vögel nach dem operativen Eingriff sehr ruhig und sanftmütig geworden sind. Tatsächlich sind bei Papageienweibchen auch schon Kastrationen durchgeführt worden, um ihr Verhalten zu regulieren, wenn sie zuvor sehr aggressiv waren. Nach Ansicht der Inhaberin von Birds-Online.de sollte eine Kastration nur dann durchgeführt werden, wenn tatsächlich das Leben eines Vogels in Gefahr ist. Als verhaltensregulierende Maßnahme ist ein solcher invasiver Eingriff meiner Ansicht nach aus Tierschutzgründen abzulehnen.

Fallbeispiel einer nicht entzündlichen Legedarmveränderung

Wellensittichweibchen Vivian mit geschwollenem Bauch kurz vor der Legedarm-Operation.
Wellensittichweibchen Vivian mit geschwollenem Bauch kurz vor der Legedarm-Operation.

Ende Oktober 2008 hat sich bei einem der Vögel meiner Freundin Petra Schröder eine sehr große Schwellung in der Nähe der Kloake gebildet. Sie brachte das Tier zu einem auf die Behandlung von Vögeln spezialisierten Tierarzt, der das Weibchen Vivian genau untersuchte. Es ging dem Vogel schlecht und rasch stand fest, dass nur eine Operation das Schlimmste abwenden könnte. Während des Eingriffs stellte sich heraus, dass Vivian unter einem Problem litt, dass so extrem ausgeprägt höchst selten auftritt und die betroffenen Tiere normalerweise recht schnell umbringt.

Vivian war in Brutstimmung geraten und in ihrem Körper hatten hormonelle Umwälzungen stattgefunden. Deshalb hatte die Eireifung eingesetzt, allerdings ist es dabei zu einer folgenschweren Störung gekommen: Im Legedarm des Weibchens hatte sich jede Menge Eiweiß gebildet, doch die Substanz war an Ort und Stelle geblieben und nicht weiter durch den Körper gewandert. Eine Eischale hatte sich nicht bilden können. Stattdessen war die Menge des Eiklars in dem Darmabschnitt immer mehr angewachsen. Bei der Operation hat der behandelnde Arzt insgesamt 13 g Eiweiß entfernt, was etwa einem Drittel des normalen Körpergewichts des Vogelweibchens entsprach. Die Eiweißansammlung hatte den Legedarm auf eine Länge von fünf Zentimetern und eine Höhe von einem Zentimeter anschwellen lassen. Glücklicherweise hat Vivian die Operation gut überstanden und hat sich von den Strapazen vollständig erholt.

Bild des Legedarms ein- und ausblenden
Extrem vergrößerter Legedarm des Wellensittichs Vivian nach der Operation
Extrem vergrößerter Legedarm des Wellensittichs Vivian nach der Operation

Ähnliche Erkrankungen

Infolge einer Reihe weiterer Erkrankungen kann es zu teils massiven Schwellungen des Unterbauches kommen. Beispiele hierfür sind Entzündungen des Eileiters, des Darms inklusive Durchfallerkrankungen, Darmparasitenbefall (Spulwürmer) und daraus resultierende Verstopfung, Tumorbildung im Bauchraum, ein Bauchdeckenbruch (Hernie) oder eine Bauchwassersucht (Aszites). Darüber hinaus kommen weitere mögliche Ursachen in Betracht. Sie alle aufzuzählen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Nur ein erfahrener Tierarzt kann eine sichere Diagnose stellen. Im Fall einer Schwellung des Bauches ist immer Eile geboten, weil der betroffene Vogel meist unter starken Schmerzen leidet.