Brunhilde, adoptiert am 18. November ’05, † 19. Oktober ’06

Brunhilde stammte aus einer Tierschutzaktion
Brunhilde stammte aus einer Tierschutzaktion

Anfang September 2005 sah ich Brunhilde zum ersten Mal. Sie war einer von 43 Vögeln, die im Rahmen einer Tierschutzaktion aus ihrem ehemaligen Zuhause geholt worden waren. Viele der Vögel waren krank oder verletzt, das galt leider auch für Brunhilde. Als einer unter den vielen in Not geratenen Sittichen fiel sie mir zugegebenermaßen zunächst allerdings kaum auf. Ihr Gesundheitszustand war verglichen mit dem einiger anderer Vögel aus der Gruppe erheblich besser, obwohl sie wegen einer Wunde am Bein von Kopf bis Fuß mit Blut verschmiert war. Für sich genommen, war das kein schöner Anblick, doch in der Masse der vielen noch schwerer angeschlagenen Artgenossen ging sie buchstäblich unter.

Gemeinsam mit den anderen Vögeln gelangte sie in die Obhut einer Gruppe von Tierschützern, der ich angehörte. Wir kümmerten uns wochenlang um die Sittiche, siehe mein Bericht über die Aktion. In dieser Zeit wurde ich mit den einzelnen Vögeln immer vertrauter. Bald fiel mir auf, dass Brunhilde, deren Beinwunde zum Glück rasch verheilt war, ein äußerst draufgängerischer Vogel war. Das heißt, sie stach mehr und mehr aus der Masse hervor, weil sie ständig etwas ausheckte. Nicht nur einmal brach sie aus dem Käfig aus, und ständig hatte sie nur Unfug im Kopf. Schimpfte ich mit ihr, weil sie zum Beispiel wieder einmal einen Fressnapf auf den Boden geworfen hatte, so setzte sie sich aufrecht auf die Stange und meckerte mich lautstark an. Es war offensichtlich, dass es ihr nicht an Selbstbewusstsein mangelte. Durch ihr Verhalten wirkte sie auf mich so unbeugsam und stolz wie eine Walküre aus der nordischen Mythologie.

Brunhilde war eine gefiederte Draufgängerin
Brunhilde war eine gefiederte Draufgängerin

Als ich meinen Tierretter-Kollegen lachend von den Streichen der Vogeldame und von dem Bild der Walküre in meinem Kopf erzählte, war eine von ihnen der Meinung, der Name Brunhilde wäre da doch besonders passend. So gelangte der Vogel zu seinem Namen, obwohl er nach wie vor einer von vielen war und in einem Quarantäneraum wohnen musste. Wir warteten noch auf die Ergebnisse verschiedener Laboruntersuchungen. Diese zeigten, dass einige der geretteten Vögel an der unheilbaren Krankheit namens PBFD erkrankt waren, was anhand der Gefiederschäden bei etlichen Tieren sogar deutlich zu sehen war. Für Brunhilde lagen zwar mehrere negative Testergebnisse vor, doch bei dieser Erkrankung kann man trotzdem nicht aufatmen. Sie ist hochgradig ansteckend und es gibt immer wieder falsch-negative Tests. Somit war es relativ wahrscheinlich, dass Brunhilde ebenso wie die anderen Vögel Trägerin der Circoviren war, die die Krankheit verursachen.

Karotten zu schreddern, machte Brunhilde großen Spaß
Karotten zu schreddern, machte Brunhilde großen Spaß

Längst hatte ich Brunhilde ins Herz geschlossen, deshalb entschied ich mich, sie zu adoptieren. Das war kein Problem, weil meine Vögel ohnehin in der Vergangenheit bereits Kontakt mit Circoviren gehabt hatten. Am 18. November 2005 zog die draufgängerische Wellensittichdame bei mir ein, musste aber anfangs noch in Quarantäne bleiben. Denn zu groß war das Risiko, dass sie beispielsweise Bakterien in sich tragen würde, mit denen sie meine Vögel anstecken könnte. Also wurde sie nochmals von einem Tierarzt gründlich untersucht und letztlich dann glücklicherweise für kerngesund befunden – von einer eventuell doch vorhandenen Virusinfektion einmal abgesehen. Endlich durfte sie im Dezember 2005 ganz offiziell ein Mitglied meines Vogelschwarms werden und in mein Vogelzimmer ziehen. Dort lebte sie sich schnell ein, fand neue Freunde und blühte regelrecht auf. Was dazu führte, dass sie noch mehr Unsinn anstellte …

Brunhilde (links) und ihr Partner Nik
Brunhilde (links) und ihr Partner Nik

Eine ganz große Überraschung hatte die Vogeldame für mich nach ihrer Adoption noch parat. In den Wochen zuvor war sie mehrfach aus dem Käfig entwischt und sie hatte nie fliegen können, weil irgendetwas mit einer ihrer Schultern nicht in Ordnung gewesen zu sein schien. Ich hielt Brunhilde deshalb für flugunfähig und wollte ihr aus diesem Grunde umso mehr ein Zuhause geben, weil in meinem Vogelzimmer viele gehandicapte Vögel leben. Es stellte sich allerdings heraus, dass die Schulterverletzung abgeheilt war und sie sehr wohl fliegen konnte. Sie liebte es, mit meinen anderen flugfähigen Vögeln den Luftraum des Vogelzimmers unsicher zu machen. Auch Amors Pfeil traf sie schnell und zielsicher. Brunhilde verliebte sich in den bei allen Damen überaus begehrten Vogelmann Nik und führte mit ihm eine liebevolle Beziehung, bis das Schicksal andere Pläne für ihre Seele hatte.

Die Ringschaukel war einer von Brunhildes Lieblingsplätzen
Die Ringschaukel war einer von Brunhildes Lieblingsplätzen

Nach meinem Umzug in eine neue Wohnung, der Ende September 2006 stattfand, war Brunhilde plötzlich auffällig ruhig. Ein vogelkundiger Tierarzt untersuchte sie und fand heraus, dass ihr Drüsenmagen enorm vergrößert war. Wie sich später herausstellen sollte, drückte ein Tumor im Bauchraum auf ihre inneren Organe, was zu einer Fehlfunktion und Vergrößerung des Drüsenmagens geführt hatte. In der Nacht zum 19. Oktober 2006 ging es ihr sehr schlecht und sie fiel wieder und wieder erschöpft von der Stange, kämpfte sich am Gitter empor und kuschelte sich zitternd an ihren  Partner Nik. Dann musste sie sich heftig übergeben. Mir war klar, dass es so nicht weitergehen konnte, denn Brunhilde durchlebte große Qualen. Schweren Herzens erwies ich ihr am frühen Morgen des 19. Oktober 2006 den letzten Freundschaftsdienst und ließ sie von meinem Tierarzt erlösen. Es zerriss mir das Herz, diese einst so fröhliche Vogeldame gehen zu lassen und ich vermisse sie nach wie vor sehr.

Brunhildes Farbschlag zu bestimmen, fiel mir anfangs nicht leicht. An Brust und Bach waren die Federn weder rein blau, noch rein grau. Das ist relativ typisch für Vögel in Mauve, wie ich schließlich herausfand. Der eigentliche Farbschlag war normal, ihre Gefiederzeichnung entsprach also derjenigen der typischen Wellensittiche, wie man sie heute in Australien findet – allerdings haben diese eine grüne Grundfärbung und ein schwarz-gelbes Wellenmuster, das bei Brunhilde schwarz-weiß war.