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- Medea †
Medea, adoptiert am 12. Dezember ’02, † 11. Februar ’06
Anfang Oktober 2002 kaufte eine mit mir befreundete Vogelhalterin einen sehr jungen Wellensittich aus seinem schlechten und wenig fürsorglichen Zuhause frei. Das noch recht junge Tier hatte bis zu diesem Zeitpunkt als Einzelvogel bei einer Familie gewohnt, die praktisch alles in Sachen Unterbringung falsch gemacht hatte, was man falsch machen kann – sogar das Anbringen der tierschutzwidrigen Sandpapierüberzüge an den Sitzstangen hatten die Leute nicht ausgelassen. Zum Glück waren die Füße des Wellensittichweibchens noch nicht wund und entzündet vom Stehen auf diesem „Schmirgelpapier“ … Bei vielen Vögeln sehen die Füße infolge des häufigen Stehens auf solchen Sandpapierbezügen für Sitzstangen leider alles andere als gut aus. Davon einmal abgesehen, dass sie keine Hautprobleme an den Fußsohlen hatte, war Medea aber in anderer Hinsicht ein Pechvogel.
Verkauft wurde der Welli, weil seine Halter mit ihm nicht zufrieden waren. Sie hatten ihn bereits mehrere Wochen und er war noch immer nicht zahm. Sprechen konnte er auch noch nicht. Wer will denn schon so einen Wellensittich haben? – Ich würde derlei Äußerungen lediglich aufgrund eines starken Anflugs von Ironie über die Lippen bringen, aber diese Leute meinten es leider vollkommen ernst. Ihnen passte der Vogel nicht mehr in den Kram, weil er ihre hohen Erwartungen nicht auf Knopfdruck erfüllt hatte. Das extrem struppige Gefieder des Wellensittichs war den egoistischen Halter nicht im Geringsten aufgefallen, denn sie hatten sich weder über sein Äußeres, noch über seinen seelischen Zustand irgendwelche Gedanken gemacht. Lediglich das, was sie sich von ihm erhofft hatten, war für sie von Belang gewesen. Und aus ihrer Sicht war der Vogel wie gesagt eine riesengroße Enttäuschung.
Meine Freundin kümmerte sich eine Weile um den Sittich und fand rasch heraus, dass die junge Vogeldame an einer Gefiederstörung litt, die durch ein Virus hervorgerufen wird und die man Französische Mauser nennt. Bedauerlicherweise trat die Krankheit bei dem Vogel in einer sehr extremen Verlaufsform auf. Es fehlten damals bereits so viele Federn, dass das Tier flugunfähig war. Nachdem sich der Sittich bei meiner Freundin von der lieblosen Behandlung durch seine Vorbesitzer erholt hatte, zog er am 12. Dezember 2002 in mein Vogelzimmer ein. Dort konnte Medea, wie ich sie nannte, trotz ihres schweren Handicaps ein selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft anderer Wellensittiche führen. Doch leider schritt ihre unheilbare Erkrankung mit der Zeit immer weiter voran, sodass Medea später nahezu ihr gesamtes Gefieder verlor, siehe Bildersammlung weiter unten.
In meinem Vogelzimmer angekommen, stellte Medea erst einmal alles auf den Kopf. Sie war trotz ihrer Flugunfähigkeit und des löchrigen Gefieders lebensfroh und steckte voller Energie. Ihr Temperament war von eher heißblütiger Natur, sie setzte sich innerhalb weniger Minuten gegen die alteingesessenen Vögel des Schwarms durch. Sie war furchtlos und selbstbewusst, was dazu führte, dass die anderen Vögel respektvoll zur Seite wichen, wenn sie sich näherte. Das galt vor allem immer dann, wenn sie den besten Platz an der halbreifen Hirse für sich erobern wollte – sie war bei diesem Leckerbissen stets sofort zur Stelle.
Medeas Farbschlag nennt sich einfaktoriger Australischer Schecke in Blau und Gelb. Ihr Federkleid war wunderschön, allerdings verschwand es wegen ihrer Erkrankung leider nach und nach, sodass letztlich kaum mehr etwas von der einstigen Schönheit übrig blieb und Medea nur noch durch ihre innere Schönheit strahlen konnte.
Zum Zeitpunkt ihres Einzuges in mein Vogelzimmer setzte bei Medea gerade ihre Jugendmauser ein, sie war also vermutlich im Juni 2002 aus ihrem Ei geschlüpft. Obwohl sie eine sehr charmante Vogeldame war, blieb sie sehr lange allein. Keines der Männchen interessierte sich für die zerrupft aussehende und damit wohl auch aus Sicht eines Wellensittichmännchens nicht sonderlich attraktive Medea. Aber Anfang Juni 2005 wurde dann doch endlich alles anders. Von diesem Zeitpunkt an war sie mit dem temperamentvollen und gleichzeitig ausgesprochen liebenswürdigen Nik eng befreundet. Allerdings war sie nicht seine einzige Partnerin, sie war gewissermaßen seine „Zweitfrau“. Trotzdem kraulte er Medea oft, was sie immer sehr gern genoss. Es wirkte, als sei es ihr egal, nicht seine „Nummer eins“ zu sein. Vielmehr schien sich Medea über jedes Bisschen Aufmerksamkeit zu freuen, mit der Nik sie bedachte.
Im Dezember 2005 geschah etwas Schreckliches. Ein Mann, der seinerzeit in meiner unmittelbaren Nachbarschaft wohnte, randalierte im stark alkoholisierten Zustand nachts in seiner Wohnung. Mitten in der Nacht warf er Möbel um und Stühle gegen seine Zimmerdecke. Der Lärm und die Erschütterungen waren zu viel für meine Vögel, sie flatterten panisch in den Schlafkäfigen umher und einige prallten dabei heftig gegen die Gitterstäbe oder stürzten ab. So auch Medea, die sich in jener Nacht kurz vor Weihnachten schwere äußere und innere Verletzungen zuzog.
Wochenlang pflegte ich sie und es schien, als habe sie sich von dem Unfall erholt. Bis am Abend des 11. Februar 2006 ohne jede Vorwarnung eine ihrer inneren Verletzungen wieder aufriss. Sie verblutete innerhalb weniger Minuten innerlich, ohne dass ich ihr hätte helfen können. Ich konnte nur zusehen, wie sich ihr Bauch mehr und mehr blähte und das Blut durch die dünne Haut schien. Für mich war es die Hölle, meine geliebte kleine Medea auf diese Weise sterben zu sehen. Für mich ist es grundsätzlich schwer, den Tod eines geliebten Tieres zu verarbeiten. In Medeas Fall empfinde ich ihn aber als besonders sinnlos, denn sie hätte nicht so jung sterben müssen, wenn mein Nachbar bloß nicht so betrunken gewesen wäre in jener Nacht. Ich werde Medea nie vergessen, das kleine „Brathähnchen“, so ihr Spitzname, hatte unbeschreiblich viel Charme.
Bedeutung des Namens
Bei der Namensgebung blieb ich meiner Linie treu, meine Vögel nach astronomischen Objekten zu benennen. In Medeas Fall war es ein Kleinplanet, der bei der Namensgebung Pate stand. Der Name Medea rührt jedoch ursprünglich aus der griechischen Sagenwelt. Sie war eine schöne Königstochter, die sich in den tapferen Jason verliebte, als er in Colchis das Goldene Vlies holen wollte.