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Artgerechte Sitzstangen

Naturäste sollen sowohl im Käfig oder in der Voliere als auch im Freiflugzimmer nicht ausschließlich gerade angebracht werden, um Möglichkeiten zum Klettern zu bieten.
Naturäste sollen sowohl im Käfig oder in der Voliere als auch im Freiflugzimmer nicht ausschließlich gerade angebracht werden, um Möglichkeiten zum Klettern zu bieten.

Die Wahl der richtigen Sitzstangen ist für die Gesundheit im Haus oder in einer Gartenvoliere gehaltener Vögel enorm wichtig. Denn Wellensittiche und andere Ziervögel können sich nicht einfach gemütlich hinsetzen und die Füße hochlegen, wie wir Menschen es so gern zu tun pflegen. Aufgrund ihrer Anatomie ist ihnen das Sitzen, wie wir Menschen es praktizieren, nicht möglich. Sie stehen immer auf ihren Füßen und legen sich zudem normalerweise nicht freiwillig auf den Rücken, um die Füße zu entlasten. Manche Vögel legen sich gelegentlich auf den Bauch, um sich zu entspannen, wobei die Füße aber trotzdem weiterhin einen Teil des Körpergewichtes tragen müssen. Somit ist der Untergrund, auf dem Vögel stehen, mit verantwortlich für die Fußgesundheit – und eigentlich müsste es folglich Stehstangen statt Sitzstangen heißen.

Weshalb manche Stangen problematisch sind

An beiden Füßen hat dieser Wellensittich Sohlengeschwüre, wobei der rechte Fuß stärker betroffen ist als der linke.
An beiden Füßen hat dieser Wellensittich Sohlengeschwüre, wobei der rechte Fuß stärker betroffen ist als der linke.

Umschließt ein Vogelfuß eine Stange oder einen Ast berührt die Unterseite des Fußes das Material, aus dem die Sitzgelegenheit besteht. Muss ein Vogel ständig auf Stangen mit demselben Durchmesser stehen, wird permanent dieselbe Stelle an der Fußsohle durch das eigene Körpergewicht belastet. Frauen, die einen ganzen Tag auf Highheels laufen, dürften das kennen – der Fußballen tut nach einer Weile meist ziemlich weh.

Weil Vögel ständig auf ihren Füßen stehen, müssen sie die Schmerzen aushalten, und das tagsüber sowie in der Nacht. Mit der Zeit können sich unangenehme Druckstellen bilden, aus denen Entzündungen hervorgehen können. Wer einmal eine Wunde unter dem Fuß hatte, kann sich vielleicht ansatzweise vorstellen, wie sich solche Druckstellen und Sohlenentzündungen für die Vögel anfühlen müssen.

Die Neigung, solche Druckstellen und Entzündungen zu entwickeln, ist bei den Tieren umso größer, wenn sie übergewichtig sind. Denn dann lastet durch das erhöhte Körpergewicht entsprechend mehr Druck auf den Fußsohlen. Das heißt, insbesondere für übergewichtige Vögel können ungeeignete Sitzstangen ein großes Gesundheitsrisiko darstellen. Dasselbe gilt für Tiere, die Fehlstellungen an den Beinen haben, die beispielsweise auf eine frühere Verletzung zurückzuführen sein können. Auch Vögel, die den Käfig den ganzen Tag nicht verlassen (dürfen), leiden häufig sehr unter ungeeigneten Sitzstangen.

Ungesunde Sitzstangen erkennen

Kunststoffsitzstangen werden im Handel zwar häufig angeboten, sind aber nicht gut für Vögel geeignet.
Kunststoffsitzstangen werden im Handel zwar häufig angeboten, sind aber nicht gut für Vögel geeignet.

Im Zoofachhandel werden als Standardeinrichtung für Vogelkäfige und Zimmervolieren Sitzstangen in unterschiedlichen Ausführungen angeboten. Besonders häufig findet man Plastik- bzw. Kunststoffstangen, die beim Kauf eines Käfigs meist im Paket enthalten sind. Weil diese Kunststoffstangen für gewöhnlich auf gesamter Länge denselben Durchmesser haben, sind sie keine guten „Sitzmöbel“ für Vögel. Durch solche Stangen entstehen häufig die gefürchteten Druckstellen unter den Füßen.

Genauso verhält es sich bei glatten, gedrechselten Holzstangen, die überall denselben Durchmesser haben. Wer nun denkt, das Anbringen mehrerer unterschiedlich dicker Stangen könne helfen, der liegt nicht vollständig falsch. Theoretisch führt dies zwar dazu, dass nicht ständig dieselbe Stelle unter dem Fuß mit starkem Druck durch das Körpergewicht belastet wird. Aber viele Vögel haben Lieblingsplätze, an denen sie die meiste Zeit verbringen. Folglich stehen sie dann doch oftmals einen Großteil der Zeit am selben Platz und leiden somit unter dem ständig gleichen Durchmesser der Sitzstange.

Gedrechselte Holzstangen können auf die Dauer zu Druckstellen unter den Füßen führen.
Gedrechselte Holzstangen können auf die Dauer zu Druckstellen unter den Füßen führen.

Der Handel bietet gedrechselten Holzstangen mit variablem Durchmesser. Sie weisen in regelmäßigen Abständen Verdickungen auf. Für sie gilt dasselbe wie für mehrere Stangen in unterschiedlicher Dicke: Sie helfen nur theoretisch, weil die Vögel meist an ihren Lieblingsplätzen verweilen.

Ein weiterer Aspekt ist problematisch an gedrechselten Holzstangen und Sitzgelegenheiten aus Kunststoff: Die glatte Oberfläche hat nichts mit dem natürlichen Erscheinungsbild eines Astes zu tun, wie er in der Natur vorkommt. Nicht nur der Durchmesser eines Zweiges oder Astes variiert. Auch an der Oberfläche gibt es hier und da kleinere Verdickungen, Beulen oder Einbuchtungen. Das heißt, ein Zweig ist oftmals uneben und je nach Holzart sogar vergleichsweise rau. Solche Sitzgelegenheiten sind für die Vögel buchstäblich griffiger, sie rutschen nicht so leicht ab wie an glatten Kunststoffstangen oder gedrechselten Holz-Sitzgelegenheiten.

Keine Sandpapierbezüge benutzen!

Bitte verwenden Sie auf gar keinen Fall Sandpapiermänteln, die in vielen Zoofachgeschäften zur „gesunden und natürlichen“ Krallenabnutzung verkauft werden. Diese Stangenbezüge sind so rau wie Schmirgelpapier und sie scheuern die Haut unter den Füßen der Tiere rasch auf, wodurch die Entzündungsgefahr enorm steigt. Die Krallen nutzen durch das Sandpapier zudem meist nicht besser ab, und das schon gar nicht, wenn eine organische Ursache das verstärkte Krallenwachstum hervorruft. Liegen bereits Druckstellen und Entzündungen unter den Füßen vor, werden diese durch die Sandpapierüberzüge für Sitzstangen oftmals noch verstärkt. Aus den genannten Gründen ist dieses Zubehör für Vögel in keinem Fall empfehlenswert.

Naturäste für Vögel

Auf eher dünnen Zweigen zu balancieren, macht vielen Vögeln großen Spaß.
Auf eher dünnen Zweigen zu balancieren, macht vielen Vögeln großen Spaß.

Ideale Sitzgelegenheiten für Vögel haben eine unregelmäßige Oberfläche und sollten aus natürlichen Materialien wie Holz bestehen. Naturäste in unterschiedlicher Dicke, die auf die Fußgröße der Vögel abgestimmt ist, sind für die Tiere am besten. Welche Holzarten geeignet sind, entnehmen Sie bitte dem angegliederten Kapitel.

Damit die Tiere im Käfig oder in der Voliere unter möglichst naturähnlichen Gegebenheiten leben können, sollten die Sitzstangen nicht allesamt starr befestigt und waagerecht montiert werden. Schauen Sie sich an, wie Bäume und Sträucher wachsen und nehmen Sie dies als Vorbild. Naturäste in der Unterbringung Ihrer Vögel dürfen ruhig ein wenig schräg montiert sein. Die Tiere lieben es zudem, wenn die Zweige ein wenig schwingen, also nicht an beiden Seiten fest fixiert sind. In der Natur geben Zweige beim Landen der Vögel oder wenn sich die Tiere darauf bewegen nach und schwingen. Das mögen Vögel – daher dürfte es wohl rühren, dass viele Wellensittiche so verrückt nach Schaukeln in ihrem Käfig sind.

Für Wellensittichfüße ist diese Stange an sich zu breit, aber kombiniert mit dünneren Ästen, kann man solche Sitzgelegenheiten trotzdem gut anbieten.
Für Wellensittichfüße ist diese Stange an sich zu breit, aber kombiniert mit dünneren Ästen, kann man solche Sitzgelegenheiten trotzdem gut anbieten.

Weil Vögel auf Naturästen im Käfig oder in der Voliere ebenso wie auf den zuvor beschriebenen ungeeigneten Sitzstangen meist schnell besondere Lieblingsplätze haben, stehen sie auf den an sich geeigneten Zweigen trotzdem so, dass immer dieselbe Stelle unter dem Fuß belastet wird. Das heißt, auch geeignete Sitzstangen können problematisch sein, wenn die Vögel nur Teile davon gern zum Stehen nutzen. Wechseln Sie deshalb die Postion der Stangen alle zwei Wochen und tauschen Sie spätestens alle vier Wochen die Äste gegen neue aus. Das beugt der Entstehung von Druckstellen an den Füßen Ihrer Vögel vor.

Falls Sie keine Naturäste draußen sammeln können, besteht die Möglichkeit, Naturäste im Zoofachhandel zu kaufen. Aber Achtung, dort werden oft Zweige angeboten, die einen ähnlich konstanten Durchmesser auf der gesamten Länge haben wie es bei gedrechselten Sitzstangen der Fall ist. Sie geben also viel Geld für ein Produkt aus, das für Ihre Vögel an sich nicht optimal geeignet ist, obwohl es aus der Natur stammt.

Weitere Sitzgelegenheiten – manche sind gut, andere nicht

Der Fachhandel bietet eine Reihe weiterer „Sitzmöbel“ für Vögel an, zum Beispiel Baumwoll-Sitzspiralen, Stangen aus Mineralstoffen (sie können auch angeknabbert werden) sowie Stangen aus Kaktusholz, Kork und anderen Naturmaterialien. Viele dieser Produkte sind gut geeignet, weshalb Sie sie mit Naturästen kombinieren können und sollten.

Stangen aus Cholla oder Vuka sind meist recht breit und werden wegen von vielen Vögeln gern angenommen.
Stangen aus Cholla oder Vuka sind meist recht breit und werden wegen von vielen Vögeln gern angenommen.
Stabile Seile, beispielsweise aus Baumwolle, eignen sich als alternative Sitzgelegenheit für Heimvögeln. © pixel2013/Pixabay
Stabile Seile, beispielsweise aus Baumwolle, eignen sich als alternative Sitzgelegenheit für Heimvögeln. © pixel2013/Pixabay

Lassen Sie sich aber bitte nicht von bestimmten seltsamen Werbeversprechen blenden. Manche Hersteller haben Stangen im Sortiment, die aus Mineralstoffen bestehen und angeblich für eine so gute Krallenabnutzung sorgen, dass diese niemals gekürzt werden müssen. Stangen mit rauer Oberfläche sorgen freilich durchaus für einen verstärkten Abrieb der Hornsubstanz der Krallen. Aber wenn ein Vogel ständig zu lange Krallen hat, reicht es nicht, ihm eine solche „therapeutische Sitzstange“ anzubieten. Vielmehr muss die Ursache für das verstärkte Krallenwachstum herausgefunden werden. Bei manchen Vogelarten, darunter Wellensittiche, kann ein Leberproblem dafür verantwortlich sein. Suchen Sie also mit einem Vogel, dessen Krallen überdurchschnittlich stark wachsen, möglichst bald einen vogelkundigen Tierarzt auf.

Hat Ihr Vogel bereits Druckstellen oder gar Entzündungen unter den Füßen, sollten Sie mit Ihrem Tierarzt genau besprechen, welche Sitzmöglichkeiten Sie Ihrem Vogel anbieten. Mineralstangen mit rauer Oberfläche können die gesundheitlichen Probleme verschlimmern. Baumwoll-Sitzgelegenheiten sind in solchen Fällen problematisch, weil man sie nicht allzu gründlich reinigen kann und sie beim Kontakt mit Wundflüssigkeit selbst zu einer Bakterien-Brutstätte werden. Und wann immer sich Ihr Vogel dann an die mit Bakterien verunreinigte Stelle der Baumwollsitzgelegenheit begibt, hat seine Wunde erneut Kontakt mit diesen Krankheitserregern.

Hinzu kommt, dass manche Vögel an Baumwollseilen knabbern und die Fasern verschlucken. Sollten Sie dies bei Ihren Tieren beobachten, entfernen Sie sicherheitshalber sofort die Seile. Das ist wichtig, weil Baumwollfasern, die sich im Kropf ansammeln, dort knotige Gebilde formen, die herausoperiert werden müssen.

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