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Aggressive Weibchen
Wer mehrere Wellensittichpaare hält, die normalerweise bestens miteinander harmonieren, sollte sich dessen bewusst sein, dass es während der Brutphase zu Problemen kommen kann. Vor allem die Weibchen entwickeln gegenüber ihresgleichen ein enormes Aggressionspotenzial, das sich zuweilen in blutigen Kämpfen entlädt. Aber auch die Männchen sind während der Brutperiode sehr viel angriffslustiger als zu anderen Zeiten. Es ist deshalb wichtig, einige Regeln zu beachten und über ein solides Grundwissen bezüglich der Versorgung von Bisswunden sowie über eine gut ausgestattete Hausapotheke zu verfügen. Bedenken Sie auch, dass Sie im Fall der Fälle große Käfige oder abtrennbare Volieren zur Verfügung haben sollten, um allzu aggressive Brutpaare sowie nicht brütende Vögel von ihren Artgenossen räumlich trennen zu können. Im Folgenden erfahren Sie, weshalb Wellensittichweibchen während der Fortpflanzungsperiode besonders angriffslustig werden können und was die Folge sein kann.
Attraktive Nistplätze
Was ihre Nistplätze angeht, sind viele Wellensittiche extrem wählerisch. Deshalb sollte das oberste Gebot beim Züchten dieser Vögel in einer größeren Gruppe lauten: Bieten Sie den Tieren eher zu viele Nistkästen an als zu wenige und sorgen Sie dafür, dass Ihre Vögel sehr viel Platz und damit ausreichende Rückzugsmöglichkeiten haben. Oder noch besser: Separieren Sie die Brutpaare, damit sie nicht von anderen Vögeln angegriffen werden können. So kann erst gar kein Streit um die Nistplätze entbrennen, siehe auch weiter unten.
Wieso streiten die Vögel überhaupt so vehement um die Nistplätze? Nachdem sich die Paare gefunden haben, suchen sich die Weibchen je einen Nistplatz, der ihren persönlichen Vorlieben entspricht. Sogar dann, wenn die angebotenen Nistgelegenheiten – in der Zucht sind dies meist Nistkästen – aus dem Betrachtungswinkel des Menschen vollkommen gleich aussehen mögen, so wird es mit großer Wahrscheinlichkeit unter den Wellensittichweibchen mehr oder minder heftigen Streitigkeiten um den Kasten geben, der sich ihrer Ansicht nach an der besten Position in der Voliere oder im Vogelzimmer befindet. Prinzipiell gilt deshalb: Je mehr Auswahlmöglichkeiten für die Weibchen bestehen, desto weniger Konflikte tragen sie normalerweise untereinander aus. Und am besten bringen Sie alle Nistkästen möglichst weit oben und in derselben Höhe an, weil die Vögel instinktiv hoch gelegene Brutplätze bevorzugen.
Brüten in der Gruppe – lieber nicht!
Viele Vogelzüchter halten mehrere Wellensittichpaare und für gewöhnlich vertragen sich die Vögel außerhalb der Brutperiode gut miteinander. Deshalb wird oft davon ausgegangen, dass eine sogenannte Koloniebrut oder Gruppenbrut kein Problem darstellt. Schließlich brüten ja auch die wilden Wellensittiche friedlich in großen Kolonien. Doch dabei wird ein Aspekt nicht bedacht: In einer Voliere oder in einem Vogelzimmer gehaltene Vögel haben verglichen mit wilden Wellensittichen wenig Platz und sie können einander kaum aus dem Weg gehen, wenn es zu Streitigkeiten – zum Beispiel um einen besonders begehrten Nistkasten – kommt.
Die sonst so harmonisch zusammenlebenden Vögel werden dann nicht selten sehr aggressiv und verwickeln einander in blutige Kämpfe, die häufig von den Weibchen ausgetragen werden. Aus diesem Grund bevorzugen viele Züchter die Einzelbrut. Das heißt, sie setzen die Brutpaare jeweils in separate Brutkäfige, die mit je einem Nistkasten ausgestattet sind. So lassen sich Streit und Blutvergießen unter den Weibchen am sichersten vermeiden.
Frustrierte Singles und nicht brütende Weibchen
Kompliziert wird es, wenn eines Weibchen eines Wellensittichschwarms keinen festen Partner hat und anderen Vögeln beim Brüten zuschauen muss. Ähnliches gilt für Weibchen, die nicht zur Brut schreiten, obwohl sie einen Partner haben. Während die anderen Weibchen bereits einen Nistkasten bezogen und eventuell schon mit der Eiablage begonnen haben, werden die nicht brütenden, aber eventuell trotzdem brutlustigen Weibchen immer unzufriedener. Ihre Frustration kann dann völlig unvermittelt in enorme Aggression umschlagen. Im harmlosesten Fall stören die nicht brütenden Weibchen die Artgenossen des Schwarms wieder und wieder bei der Paarung, so dass diese echte Schwierigkeiten dabei haben, ein befruchtetes Gelege zustande zu bringen. Das ist dann vor allem für den Züchter ärgerlich. Für die Vögel ist es allenfalls stressig, aber nicht lebensgefährlich.
Sehr risikoreich ist es, wenn eine frustrierte nicht brütende Wellensittichdame Besitzansprüche stellt und einen bereits besetzten Nistkasten erobern möchte. Das nicht brütende Weibchen dringt dann unter Umständen in den Kasten ein und greift die darin brütende Artgenossin brutal an. Weil die „Hausherrin“ meist überraschend angegriffen und buchstäblich in die Ecke gedrängt wird, setzt bei ihr ein Notfallprogramm ein. Sie will aus einem starken Instinkt heraus das Gelege beziehungsweise die Nestlinge schützen. Deshalb legen sich die meisten brütenden oder ihre Jungen wärmenden Wellensittichweibchen schützend über die Eier oder den Nachwuchs. Sie können so nicht zum Gegenangriff ausholen und stecken Schnabelhieb um Schnabelhieb ein. Gebrochene oder abgebissene Zehen, abgesplitterte Schnäbel, tiefe Bisswunden, verletzte Augen sowie stark blutende Nasen- oder Zungenverletzungen sind bei solchen Kämpfen an der Tagesordnung. Leider kommt es immer wieder vor, dass bei einem solchen Angriff das brütende Weibchen von der eindringenden Artgenossin zu Tode gebissen wird.
Einige brütende oder die Jungen wärmende Weibchen wehren sich hingegen und es kommt zu einem brutalen Schlagabtausch zwischen ihnen und den Eindringlingen. Leider geraten mitunter Eier oder Küken dazwischen und werden so zu „Kollateralschäden“, sprich es kann geschehen, dass Eier zerstört oder Jungtiere durch Bisse schwer verletzt werden – mitunter gar versehentlich von der eigenen Mutter.
Falls es einer Angreiferin gelungen ist, ein anderes Weibchen in deren Nistkasten außer Gefecht zu setzen, wird der Angriff häufig fortgesetzt. Er richtet sich dann gegen die Eier oder die Jungtiere. Die Verletzungen, die die noch wehrlosen und sehr verletzlichen Küken davontragen, sind leider nicht selten tödlich.
Achtung: Auch dann, wenn ein Kampf vermeintlich glimpflich ausgegangen ist und abgesehen von ein paar zerzausten Federn äußerlich nichts zu erkennen ist, kann es dennoch sein, dass die attackierten Tiere schwere innere Verletzungen haben. Weil die Angreiferinnen meist auf den Kopf hacken, sind Hirnverletzungen keine Seltenheit, und leider führen sie fast immer relativ schnell zum Tode.
Tragisches Fallbeispiel: drei Opfer einer aggressiven Angreiferin
Wie überaus gefährlich ein frustriertes oder aggressives Wellensittichweibchen in einer Vogelgruppe sein kann, belegt das Foto in diesem Textkasten. Es zeigt eine Vogelmutter (hinten rechts) und ihren schon mehr als drei Wochen alten Nachwuchs. Die Tiere sind von einer eifersüchtigen Artgenossin attackiert worden, die in den Nistkasten eingedrungen ist. Die ihren Nachwuchs wärmende und umsorgende Mutter hatte keine Chance gegen die aggressive Artgenossin. Alle drei Vögel erlagen kurze Zeit nach dem Entstehen des Fotos bedauerlicherweise ihren schweren Verletzungen, obwohl sie von einem vogelkundigen Tierarzt behandelt worden sind.
Untreue Männchen als Grund für Aggressionen
So manches Wellensittichmännchen ist für schwelende Konflikte innerhalb eines Vogelschwarms und damit auch für gesteigerte Aggressionen bei den Weibchen verantwortlich. Denn einige Männchen nehmen es während der Brutphase mit der Treue ihrer Partnerin gegenüber nicht allzu genau. Haben sie eine Nebenpartnerin, reagiert diese in vielen Fällen irgendwann vollkommen frustriert auf ihre Nebenbuhlerin. Sie attackiert in ihrer Eifersucht die brütende Hauptpartnerin, weil diese vom Männchen gefüttert und umsorgt wird. Im Grunde ist es verständlich, dass die Nebenpartnerin so reagiert. Jedoch können derlei Konflikte sehr leicht tödlich für die brütende und damit wehrlose Hauptpartnerin enden.
Doch auch der umgekehrte Fall kann eintreten: Eine brütende Hauptpartnerin kann sich dadurch gestört fühlen, dass sich ihr Gefährte hin und wieder mit seiner Nebenpartnerin beschäftigt. Ihr Instinkt sagt ihr, dass er vielmehr ihr und dem Nachwuchs seine volle Aufmerksamkeit widmen sollte. Das Weibchen könnte dann versuchen, die Nebenbuhlerin zu vertreiben, was nicht selten in blutigen Konflikten zwischen den beiden Wellensittichdamen gipfelt. Weil diese für gewöhnlich außerhalb des Nestes ausgetragen werden, besteht dabei zumindest keine unmittelbare Gefahr für Eier oder Küken. Doch weil die Mutter in einem solchen Kampf verletzt oder gar getötet werden könnte, ist die Brut dennoch in Gefahr.
Um eine solche potenzielle Gefahr zu vermeiden, sollten Männchen, die mehr als eine Partnerin haben, während der Brutperiode nur Kontakt zu ihrer brütenden Partnerin haben.
Konfliktvermeidung als oberstes Gebot
Egal, worin das Problem auch liegen mag, oft ist es nur ein einzelnes Wellensittichweibchen, das den Frieden im Vogelzimmer oder in der Voliere empfindlich stört. Einem unter Einfluss großer Hormonmengen aggressiv gewordenen Wellensittichweibchen kann man sein aus menschlicher Sicht schlechtes Benehmen nicht austreiben oder abgewöhnen. Die Vogeldame ist im Grunde genommen nicht ganz sie selbst und meist rasend vor Eifersucht oder zutiefst frustriert, weil sie aus irgendeinem Grund selbst nicht brüten kann.
So hart es auch sein mag, aber sofern man unbedingt eine Koloniebrut durchführen möchte, wovon an dieser Stelle erneut dringend abgeraten sei, muss ein solcher Störenfried schnellstmöglich aus dem Schwarm genommen werden. Halten Sie die aggressive Wellensittichdame so lange getrennt von den brütenden Artgenossen, bis deren Jungtiere die Nester verlassen haben und die Selbstständigkeit erlernen. Das heißt, unter Umständen muss ein aggressives Weibchen über mehrere Wochen vom Schwarm getrennt werden. Da es um Leben und Tod der brütenden Artgenossinnen und der Nestlinge geht, ist das vorübergehende Separieren eines aggressiven Vogelweibchens ein durchaus angemessenes Mittel. Besser wäre es jedoch, das Tier mit einem männlichen Artgenossen zu vergesellschaften, sobald es sich wieder ein wenig beruhigt hat, oder ganz auf die Gruppenbrut zu verzichten, um Konflikte unter den Weibchen gar nicht erst aufkommen zu lassen.