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Schwierigkeiten beim Schlüpfen
Trotz optimaler Gegebenheiten bei der Zucht kann es immer vorkommen, dass sich ein voll entwickeltes Küken nicht aus eigener Kraft aus seinem Ei befreien kann. Viele Züchter sind der Ansicht, es bestehe kein Handlungsbedarf, weil Vögel, die nicht aus eigener Kraft schlüpfen können, ohnehin zu schwach zum Überleben sind. Deshalb ist es eine gängige Praxis, solche Küken im Ei sterben zu lassen. Allerdings bringen das bei Weitem nicht alle Züchter übers Herz und sie würden den Jungvögeln gern eine Chance geben. Das kann durchaus angemessen sein, vor allem wenn man bedenkt, dass unter Umständen eine Verkettung unglücklicher Umstände dazu geführt hat, dass ein Küken in seinem Ei feststeckt. Für einige dieser möglichen Ursachen für Schlupfschwierigkeiten ist sogar der Züchter direkt verantwortlich – oft allerdings, ohne sich dessen bewusst zu sein.
In diesem Kapitel finden Hintergrundinformationen zu diesem komplexen Thema. Beim Lesen dürfte klar werden, dass junge Wellensittiche, die Probleme beim Schlüpfen haben, nicht zwangsläufig krank oder zu schwach zum Überleben sind. Deshalb sollten Schlupfschwierigkeiten immer hinterfragt und die betroffenen Küken nicht stets ihrem Schicksal überlassen werden.
Zu kleine Eier
Mitunter legen Vogelweibchen so viele Eier, dass die zuletzt gelegten deutlich kleiner sind als die als erstes gelegten. Verstärkt wird dieser Effekt häufig dadurch, dass vor und während der Brut keine optimale Nahrung zur Verfügung steht. Dann verfügt der Körper des Vogelweibchens nicht über genügend Nährstoffe und Kalzium und produziert deshalb überdurchschnittlich kleine Eier. Entwickelt sich in einem solchen kleinen Ei ein Jungvogel, wird es im Inneren schneller eng als in einem normal großen Ei. Das heißt, das Küken muss – sofern es groß gewachsen ist – vor dem normalerweise üblichen Schlupftermin aus dem Ei herauskommen. Anstatt nach durchschnittlich 18 Entwicklungstagen zu schlüpfen, muss das Jungtier diesen Kraftakt demnach ein bis anderthalb Tage früher bewältigen.
Meist gelingt es den Küken dann schon, die Eischale von innen anzuritzen. Weil die Tiere aber im Vergleich zu 18 Tage bebrüteten Küken ein wenig im Rückstand sind, fehlt ihnen danach oftmals die Kraft, sich vollständig aus dem Ei zu befreien. Solche Küken sind zum Tode verurteilt, wenn ihre Mütter keine Schlupfhilfe leisten (siehe unten) oder der Mensch nicht eingreift. Weil nicht alle Vogelmütter ihren Jungen beim Schlüpfen helfen, fällt die Aufgabe, hier einen Rettungsversuch zu unternehmen, dann dem Menschen zu. Den Jungvögeln zu helfen, kann sinnvoll und vertretbar sein, denn dass Eier zu klein waren, hat nichts mit einer eventuellen Schwäche oder generell herabgesetzten Lebensfähigkeit der Küken zu tun.
Unzuverlässige Wärmezufuhr während der Brutphase
Eine weitere mögliche Ursache für Probleme beim Schlüpfen ist, dass die Vogelmutter ihr Gelege in den Tagen davor nicht zuverlässig gewärmt hat. Die sich entwickelnden Küken erhalten dann zwar häufig noch genügend Wärme, um heranzuwachsen. Aber weil sie während der Wachstumsphase wiederholt auskühlen, ist ihre Konstitution nicht optimal, sodass sie beim Schlüpfen schnell ermüden. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Vogelmutter ihr Gelege nur nachlässig wärmt, während gerade ein Küken zu schlüpfen versucht. Bei ihrer Geburt und auch in den Tagen danach können die Jungvögel ihre Körpertemperatur noch nicht selbstständig regulieren und sind auf eine Wärmezufuhr von außen, also durch ihre Mutter, angewiesen. Bleibt diese Wärmezufuhr aus oder ist sie zu gering, können sich die unterkühlten Küken kaum bewegen.
Dass ein Vogelweibchen nur nachlässig brütet, kann an ebenso an Unerfahrenheit des Vogels wie auch an wiederholten Störungen liegen. Ist der Nistplatz nicht optimal gewählt, gibt es im Umfeld andere Haustiere wie Hunde und Katzen, die die Vögel wiederholt erschrecken, oder aber ist es sehr laut beziehungsweise gibt es immer wieder Erschütterungen des Nistkastens, kann dies die brütende Vogelmutter empfindlich stören. Es liegt in der Verantwortung des Züchters, seinen Zuchtpaaren eine optimale und störungsfreie Umgebung für die Brut und Jungenaufzucht zu bieten. Ist dies nicht möglich und wärmt eine Vogelmutter deshalb ihr Gelege nachlässig, sollte es sich von selbst verstehen, dass den Jungtieren beim Schlüpfen geholfen werden sollte, falls sie aufgrund von Auskühlung zu schwach werden.
Zu geringe Luftfeuchtigkeit im Nest
Ist die Luft während der Brutphase im Nistkasten beziehungsweise im Zuchtraum zu trocken, verdunstet mitunter zu viel Feuchtigkeit aus den Eiern. Die Küken entwickeln sich vielfach trotzdem weitestgehend normal. Allerdings sind die Eier dann während des Schlüpfens oftmals etwas zu trocken, sodass die feine Membran, die normalerweise an der Innenseite der Schale haftet, stattdessen am Körper der Jungvögel kleben bleibt. Diese Membran ist erstaunlich reißfest und schränkt die Küken beim Schlüpfen stark in ihrer Beweglichkeit ein. Sie müssen sich also permanent gegen einen Widerstand bewegen, während sie versuchen, die Eischale zu durchbrechen. Das heißt, sie müssen sehr viel mehr Kraft aufwenden, als dies für gewöhnlich der Fall wäre. Es liegt auf der Hand, dass sie dabei rasch ermüden und sich deshalb vermehrt Schlupfschwierigkeiten ergeben. Um solchen Jungtieren, die in vielen Fällen eigentlich kerngesund sind, eine Überlebenschance zu geben, sollte ihnen geholfen werden.
Als Erste-Hilfe-Maßnahme ist es ratsam, ein warmes (nicht heißes!), feuchtes Tuch in unmittelbare Nähe des Nestes oder gar in eine Ecke des Nistkastens zu legen. So wird im Nest die Luftfeuchtigkeit schnell erhöht. Möglicherweise kann das Jungtier dann leichter schlüpfen.
Geben Sie bitte niemals Flüssigkeit auf oder gar in ein Ei, in dem ein Küken feststeckt. Es könnte dadurch ertrinken!
Schlupfhilfe durch die Vogelmutter
Stellt man fest, dass ein Küken – aus welchem Grund auch immer – im Schlupfvorgang befindet, ermüdet ist und sich nicht aus eigener Kraft aus dem Ei befreien kann, kann man erst einmal darauf hoffen, dass die Mutter Schlupfhilfe leistet. Ein solches Eingreifen der Vogelmutter kann durchaus vorkommen. Mit ihrem Schnabel, der ein echtes Präzisionswerkzeug ist, kann sie vorsichtig die Eischale aufbrechen und vom Küken lösen, ohne das Jungtier zu verletzen. Die beste und für das Küken sicherste Schlupfhilfe leistet also normalerweise die Mutter. Sie spürt, wann ihr Küken schlüpfen will, weil dieses kurz vor dem Schlupfbeginn zarte Stimmfühlungslaute von sich gibt, die die Henne hört und leise zirpend beantwortet.
Eine solche Schlupfhilfe kann in seltenen Fällen jedoch auch tragisch enden. Verrutscht die Mutter auch nur minimal mit dem Schnabel, kann dies beim Küken zu erheblichen Verletzungen führen. Zu lesen ist die beispielsweise im Erfahrungsbericht über den Wellensittich Pino.
Schlupfhilfe durch den Menschen
Greift das Vogelweibchen nicht ein, wenn eines ihrer Küken beim Schlüpfen in Not geraten ist, kann der Züchter versuchen, dem jungen Tier zu helfen. Hierbei ist allergrößte Vorsicht geboten, denn die Haut der Küken ist extrem empfindlich und die Knochen können sehr leicht brechen. Bevor man mit dem Helfen beim Schlüpfen beginnt, sollten die Hände gründlich gewaschen und desinfiziert werden. Sofern eine Pinzette zum Einsatz kommen soll, ist diese ebenfalls zu desinfizieren.
Um das Ei zu öffnen, sollte man auf keinen Fall spitze Gegenstände verwenden. Hiermit könnte man dem Jungvogel lebensbedrohliche oder gar tödliche Stichverletzungen zufügen. Es ist sicherer, mit einem stumpfen Gegenstand, zum Beispiel mit dem wattierten Ende eines Wattestäbchens, an der stumpfen Seite des Eis sehr vorsichtig Druck auszuüben, bis die Schale reißt. Mit den Fingernägeln oder einer Pinzette kann man dann behutsam Stück für Stück der Schale entfernen. Auch dabei ist eine ruhige Hand zwingend erforderlich, denn eine Pinzette und sogar Fingernägel können die Küken schwer verletzen.
Es ist ratsam, ein Wattestäbchen und ein wenig handwarme sterile Kochsalzlösung griffbereit zu haben, denn mitunter klebt die feine Membran am Körper des Kükens fest. Diese kann man mit der Kochsalzlösung vorsichtig benetzen und sie dann meist leicht von der Haut des Kükens lösen. Niemals sollte man sie ohne vorheriges Anfeuchten entfernen, denn sie klebt mitunter so fest an der Haut des Jungvogels, dass diese beim Entfernen der Membran einreißt, was einen lebensgefährlichen Blutverlust zur Folge haben könnte.
Weil die Eier von Wellensittichen klein und ein wenig unhandlich sind, rutschen sie leicht aus der Hand. Gerade dann, wenn man Schlupfhilfe leisten möchte, sollte dies unter keinen Umständen geschehen. Damit das Küken während der Schlupfhilfe nicht durch einen harten Aufprall nach einem Fall aus großer Höhe zu Schaden oder gar ums Leben kommt, sollte man sich beispielsweise auf ein breites Sofa setzen und ein großes Kissen auf dem Schoß ausbreiten, über dem man das Ei öffnet. Fällt es dann trotz aller Vorsicht aus der Hand, landet es weich und der Sturz ist nur wenige Zentimeter tief. Dadurch sollte das Küken nicht zu Schaden kommen.
Grundsätzlich sollte man Küken nur dann beim Schlüpfen helfen, wenn man absolute Ruhe und keinen Zeitdruck hat. Es kann in komplizierten Fällen bis zu einer Stunde dauern, bis man einen jungen Vogel sicher aus einem Ei befreit hat. Störungen durch andere Menschen oder Haustiere, Hektik sowie Zeitdruck können zu fatalen Fehlern führen, indem man beispielsweise zu fest zupackt und dem Küken Quetschungen zufügt. Zwischendurch sollte man innehalten und das Ei in den Händen wärmen, damit das Küken bei der Schlupfhilfe nicht auskühlt.
Das Jungtier ist befreit – und nun?
Sobald man das Küken aus dem Ei befreit hat, sollte man es so schnell wie möglich in die Obhut seiner Mutter geben. Keine Sorge, Wellensittiche und alle anderen Vögel nehmen ihre Jungtiere auch dann an, nachdem der Mensch sie berührt hat. Es ist ein populärer Irrtum, dass Vögel ihren Nachwuchs verstoßen, wenn dieser nach Menschen riecht. Dieses Verhalten ist nur für eine Reihe von Säugetieren typisch. Vögel stören sich dagegen normalerweise nicht an Fremdgerüchen, die an ihren Jungtieren haften. Genau genommen verfügen die meisten Vogelarten über einen so schlecht entwickelten Geruchssinn, dass sie den Geruch der Menschen an ihren Küken ohnehin nicht wahrnehmen können.