Sara, adoptiert am 9. Oktober ’05, † 16. Dezember ’10

Ganz entspannt saß Sara gern an einer hohen Stelle im Vogelzimmer und beobachtete alles genau
Ganz entspannt saß Sara gern an einer hohen Stelle im Vogelzimmer und beobachtete alles genau

Am 3. Oktober 2005 bat Anette, eine Vogelfreundin aus dem Münsterland, im damals noch existierenden VWFD-Forum um Hilfe. Sie hatte am 30. September desselben Jahres in einer niederländischen Zoohandlung nach Spielzeug für ihre Graupapageien suchen wollen. Bei dieser Gelegenheit hatte sie zufällig einen jungen Wellensittich entdeckt, der in seinem Käfig auf dem Boden gesessen und insgesamt keinen guten Eindruck gemacht hatte. Anette wandte sich an das Personal des Geschäfts und erhielt die Antwort, dass es sich um einen Renner handele, also um einen Vogel, der an der Französischen Mauser erkrankt sei. Sie selbst konnte dies nicht genau erkennen, weil der entsprechende Käfig mit den circa 20 Wellensittiche im Laden recht weit oben in Kopfhöhe angebracht war. Da sie Mitleid hatte, nahm sie die Vogeldame mit nach Hause, obwohl ihr die Zweischneidigkeit dessen, einen Vogel zu seiner Rettung freizukaufen, durchaus bewusst war.

Bei Sara waren die Beine und Füße wegen einer Rachitis schief
Bei Sara waren die Beine und Füße wegen einer Rachitis schief

Zu Hause angekommen, schaute sich Anette den Wellensittich genau an und stellte dabei fest, dass beide Beine nach innen verdreht waren. Die Kloake war mit Kot verklebt und der Vogel war voller Räudemilben. Es war offensichtlich, dass das Tier schwer erkrankt war und medizinische Hilfe brauchte. Kurze Zeit später brachte Anette den armen Sittich deshalb zu einem vogelkundigen Tierarzt, der eine erschreckende Diagnose stellte: schwerste Rachitis an beiden Beinen sowie eine Pilzinfektion der Atemwege. Die Kloake war vermutlich deshalb so sehr mit Kot verklebt, weil der Vogel zu wenig gefressen hatte, wodurch sich die Konsistenz des Kotes verändert hatte. Weil der Vogel in dem Käfig der Zoohandlung wegen seiner schiefen Füße nicht auf den Stangen, sondern nur auf dem Boden sitzen konnte, hockte er die ganze Zeit in seinem eigenen Kot. Da verwundert es nicht, dass die Kloakengegend so stark verschmutzt war.

Sara auf ihrem Korkbrettchen
Sara auf ihrem Korkbrettchen

Weil sich Anette nicht sicher war, ob man dem Tier eine Behandlung tatsächlich zumuten könne und ob es eine Chance auf Besserung gab, holte sie eine weitere Meinung ein. Eine zweite vogelkundige Tierärztin bestätigte die vorangegangene Diagnose. Außerdem bescheinigte sie dem Vogel einen unbändigen Lebenswillen, weshalb Anette sich dagegen entschied, die Wellensittichdame einschläfern zu lassen. Stattdessen begann sie damit, ein liebevolles Zuhause für sie zu suchen. Über ein Forum kontaktierte sie mich und dank Hilde, einer Vogelfreundin aus Köln, die den Transport des gehandicapten Vogels übernahmt, gelangte Sara am 9. Oktober 2005 in meine Obhut. Geplant war, dass ich sie weiterhin pflegen und dann in ein endgültiges Zuhause vermitteln würde. Zu jenem Zeitpunkt war sie etwa neun Monate alt. Die von mir im Quarantänekäfig angebrachte Korkliege nahm sie gleich am ersten Abend als ihr „Bett“ an. Auch später schlief sie noch lange Zeit gern auf dieser „Liege“, weil sie auf ihr ihre stark deformierten Beine entlasten konnte.

Mais war einer von Saras Lieblings-Snacks
Mais war einer von Saras Lieblings-Snacks

Es stellte sich bald heraus, dass die fröhliche und tapfere Sara trotz ihrer extremen O-Beine ein gutes und artgerechtes Vogelleben würde führen können. Als sämtliche Untersuchungsergebnisse vom tierärztlichen Check-up vorlagen und ihre anfänglichen Grunderkrankungen abgeheilt waren, konnte ich sicher sein, dass Sara keine ansteckende Krankheit mehr in sich trug. Sie durfte in mein behindertengerecht eingerichtetes Vogelzimmer einziehen, um dort in der Gesellschaft der anderen Vögel ihre Beine zu trainieren. Eigentlich hatte ich sie zu jenem Zeitpunkt später vermitteln wollen, aber alles kam ganz anders, denn mit ihrem charmanten Wesen eroberte Sara nicht nur mein Herz im Sturm und letztlich konnte und wollte ich sie nicht mehr gehen lassen …

Sara (links) und Orpheus waren ein sehr glückliches Paar
Sara (links) und Orpheus waren ein sehr glückliches Paar

Im November 2005 verliebte sich mein Wellensittichmännchen Orpheus unsterblich in Sara. Die beiden „Turteltauben“ wichen einander bis zu seinem plötzlichen Tod im Sommer 2006 nur selten von der Seite. Gelegentlich flog Sara eine Runde – sie war trotz ihrer körperlichen Gebrechen eine sehr gute Fliegerin –, um dann sogleich wieder neben ihrem flugunfähigen Partner auf dem Boden oder auf einer der Kletterplattformen zu landen. Auch mit den anderen Vögeln verstand sich die freundliche Sara zeitlebens bestens, was vor allem nach Orpheus‘ Tod wichtig war, denn dank ihres kontaktfreudigen Wesens war sie nie einsam. Einen festen Partner suchte sie sich seit dem Verlust ihres Gefährten allerdings nicht wieder. Was jedoch nicht hieß, dass sie kein Interesse an ein wenig „Romantik“ gehabt hätte. Mal flirtete sie ein wenig mit Bubi, dann wieder mit Speedy und auch mit Nik schnäbelte sie gelegentlich. Aber etwas Ernstes war es mit allen gefiederten Herren nicht.

Aus dem Fenster zu schauen und so anzusehen, was auf der Straße los war, war für Sara ein wichtiger Zeitvertreib
Aus dem Fenster zu schauen und so anzusehen, was auf der Straße los war, war für Sara ein wichtiger Zeitvertreib

Was ihren Charakter betrifft, so lässt er sich leicht umschreiben: Selten habe ich ein sanftmütigeres, umgänglicheres Wellensittichweibchen erlebt als sie. Fast alle ihrer Geschlechtsgenossinnen sind erheblich zickiger, als Sara es war. Ihr waren kleine Streitereien zuwider, sie wich ihnen aus und saß lieber irgendwo auf einem ebenen Untergrund (auf Stangen konnte sie zeitlebens nicht stehen) und sang munter vor sich hin. Weil sie in meiner ehemaligen Essener Wohnung gern aus dem Fenster sah, um das bunte Treiben rund um eine türkische Imbissstube auf der anderen Straßenseite zu bestaunen, bekam sie den Spitznamen „Dönerbuden-Sara“. Ich muss gestehen, sie hat mitunter auch mich dort beobachtet, denn die überbackenen vegetarischen Spezialitäten waren einfach göttlich. 😉

Ihre merkwürdige Angewohnheit, aus dem Fenster zu starren, floss auch in meine Geschichte ein, die die Erlebnisse während des Umzugs in meine neue Wohnung schildert.

Ihre Medizin trank Sara aus einem Löffel
Ihre Medizin trank Sara aus einem Löffel

An der schönen, blauen Spangle-Henne – so nennt sich ihr Farbschlag – begeisterte mich ganz besonders, wie groß ihre Auffassungsgabe und wie hoch ihre Intelligenz waren. Sie benötigte anfangs täglich ein Medikament, damit ihre krummen Beinchen nicht noch schiefer wurden. Weil mir Sara sehr gelehrig erschien, versuchte ich damals ihr beizubringen, die Medizin von einem Löffel zu trinken. Durch dieses Medical Training wollte ich erreichen, sie nicht immer einfangen zu müssen, um ihr das Präparat in den Schnabel einzugeben. Und was soll ich sagen? Sara brauchte nur zwei Tage, und dann hatte sie begriffen, dass sie vom Löffel trinken sollte. Das Verabreichen der Medizin war dadurch ganz leicht möglich und es machte ihr sogar Spaß, aus dem kleinen Löffel zu trinken.

Sara liebte es, in feuchten Wildgräsern zu baden
Sara liebte es, in feuchten Wildgräsern zu baden

Ihr ganzes Leben lang bereitete mir Sara Freude, weil sie neugierig, freundlich, fröhlich und immer zu lustigen Taten aufgelegt war. Im Herbst 2010 erkrankte sie, meine kleine Freundin litt an einer Infektion der Verdauungsorgane, verursacht durch Hefepilze und Bakterien. Mein vogelkundiger Tierarzt stellte Medikamente zusammen, die zunächst auch wirkten. Anfang Dezember konnte Sara wieder singen, was mich glücklich stimmte. Doch dieses Glücksgefühl währte nicht lang, denn bald erlitt Sara einen Rückfall. Erneut wurden Hefepilze nachgewiesen und eine Behandlung mit anderen Medikamenten begann. Leider brachte sie nicht den gewünschten Erfolg, Sara starb am 16. Dezember 2010 an ihrer Erkrankung. Dieser Verlust erfüllte mich mit tiefer Trauer, denn Sara war immer ein ganz besonderer Vogel für mich. Ich vermisse meine kleine Freundin, ihren merkwürdigen Dialekt, ihr lautes Getrappel und ihre Fröhlichkeit. Danke für alles, liebe Sara.