Orpheus, adoptiert am 8. November ’03, † 23. Juni ’06

Orpheus im Porträt
Orpheus im Porträt

Ungeliebt, gleichgültig behandelt und abgeschoben, dann liebevoll aufgenommen und leider doch irgendwie nicht heimisch – das war in wenigen Worten zusammengefasst die niederschmetternde Geschichte des Wellensittichmännchens Orpheus. Es ist wirklich tragisch, welch trauriges Schicksal so mancher Vogel zu tragen hat. Aber für Orpheus wurde letztlich zum Glück doch alles gut, wenn auch etappenweise und auf ungewöhnlichen Wegen.

Früher hatte der Vogel gemeinsam  mit einer Artgenossin in Hamburg bei einem Mann gelebt. Dieser war in den Besitz der Tiere gelangt, weil ihn seine Ex-Freundin mit den Vögeln quasi zwangsbeglückt hatte. Zu allem Übel wusste der Mann nicht einmal, um welche Art es sich bei ihnen handelte, was ihm aber anscheinend ziemlich egal war. So erzählte er es wortwörtlich einem engagierten Vogelfreund und -retter, den das Gehörte zutiefst erschütterte. „Her mit den Tieren!“, das war seine spontane Antwort in jener Situation, denn er wollte den Vögeln schnellstmöglich zu einem schönen und vor allem artgerechteren Leben verhelfen.

Der schöne Orpheus
Der schöne Orpheus

Kurze Zeit später zog das grüne Wellensittichmännchen gemeinsam mit seiner blauen Artgenossin – zwar teilten sich die beiden zu dieser Zeit bereits seit vier Jahren den Käfig, verpaart waren sie aber nicht – bei dem Vogelfreund ein. In dessen Voliere gingen sie fortan jedoch getrennte Wege. Die Dame verpaarte sich rasch mit einem anderen Männchen, der grün-gelbe Wellensittichmann blieb allein. Offenbar war nicht die „Richtige“ unter den Weibchen des Schwarms, in dem er nun lebte.

Eines Morgens fand der Vogelfreund den armen kleinen Kerl auf dem Boden vor, der Sittich konnte plötzlich nicht mehr fliegen. Weshalb es so gekommen war, wusste sein Halter leider nicht. Da war der arme Wellensittichmann erst wenige Wochen zuvor in die Voliere gezogen, in der außer ihm zu dieser Zeit noch über zehn weitere Wellensittiche lebten, und dann so etwas! Das Handicap machte das Leben für den im Schwarm als Einzelgänger lebenden Vogel nicht leichter, weshalb sich sein Retter dazu entschloss, das Männchen zur Vermittlung freizugeben – und dann trat eine weitere Vogelfreundin auf den Plan, die sich schon seit Jahren um die Vermittlung zahlreicher Tiere verdient gemacht hatte.

Eigentlich hatte sie mir am 8. November 2003 das Wellensittichweibchen Helene bringen wollen. Im Vorfeld hatte ich zugesagt, sie zu adoptieren. Aber als ich den lieben Orpheus – so nannte ich ihn anschließend – sehr verängstigt im Transportkäfig sitzen sah, beschloss ich ganz spontan, dem hübschen Männchen einen Platz in meinem Vogelzimmer zu bieten. Das war auch dringend nötig, denn der Vogelhalter, der ihn eigentlich hatte adoptieren wollen, war wenige Stunden zuvor in letzter Sekunde abgesprungen, als Natalie bereits mit dem Sittich vor seiner Tür gestanden hatte. Mir zerriss der Gedanke, dass dieser völlig eingeschüchterte Vogel einfach so verschmäht worden war, das Herz. Deshalb durfte an jenem Tag auch dieser schöne Sittich mit der wohlklingenden Farbschlagsbezeichnung „gelbgrüner Hellflügel-Spangle“ ein Mitglied meines Vogelschwarms werden.

Helene mit ihrem Partner Orpheus (rechts)
Helene mit ihrem Partner Orpheus (rechts)

Diese spontane Entscheidung war goldrichtig, denn wie sich eine Woche später herausstellen sollte, war er der Traummann der hübschen Helene. Die beiden Vögel waren zu deren Lebzeiten sehr verliebt, was sie einander durch viel Zärtlichkeit bekundeten. Leider starb Helene viel zu früh und ließ ihren Gefährten als Witwer im Schwarm zurück. Einige Tage nach ihrem Tode verliebte sich Orpheus in die liebenswerte alte Wellensittichdame Vivian, sie wurde die neue Frau an seiner Seite. Weil Vivian jedoch aufgrund ihres hohen Alters sehr gebrechlich war, nahm sich Orpheus eine weitere Frau: die quirlige Sara, die ihm zwar manchmal davon flog, aber jedes Mal wieder zu ihm auf den Boden zurückkehrte. Er konnte leider nach wie vor nicht fliegen, was sich bis zu seinem Lebensende nicht ändern sollte.

Nachdem Vivian gestorben war, kümmerte sich Orpheus den ganzen Tag nur noch um Sara. Die beiden waren ein echtes Traumpaar und erlebten gemeinsam einen wunderschönen Frühling – Orpheus‘ letzten, denn am 23. Juni 2006 blieb sein Herz ohne Vorwarnung stehen. Im Alter von neun Jahren schied er still und binnen weniger Sekunden aus dem Leben. Während ich neben ihm stand, hat er einen Herzinfarkt erlitten. Nicht nur Sara trauerte um ihn, auch mir brach es das Herz, diesem begnadeten Sänger nie mehr zuhören zu dürfen – Orpheus hat wirklich außerordentlich schön singen können.

Welli-Seniorin Vivian (links) war einige Zeit Orpheus' Partnerin
Welli-Seniorin Vivian (links) war einige Zeit Orpheus‘ Partnerin
Eine große Liebe: Sara (links) und Orpheus
Eine große Liebe: Sara (links) und Orpheus

Bedeutung des Namens

Typisch Orpheus – hier ist er beim Singen zu sehen
Typisch Orpheus – hier ist er beim Singen zu sehen

Einerseits wollte ich das neu eingezogene Wellensittichmännchen nach einem astronomischen Objekt benennen, wie ich es schon bei so vielen anderen meiner Vögel getan hatte. Aber ich wollte auch einen zu seinem Charakter passenden Namen wählen. Was war da naheliegender als der Name Orpheus? Einerseits umkreist ein gleichnamiger Kleinplanet unsere Sonne und andererseits war Orpheus in der griechischen Mythologie ein großer Sänger und Poet. Er war der Sohn des Apollo und einer Muse, daher rührte sein künstlerisches Talent. Es war ein sehr passender Name für einen Wellensittich, der seinerseits ein so begnadeter Sänger war.